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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

21. 11. 2013 - 01:49

No 5 Pointz No More

Das Graffiti-Mekka New Yorks ist nicht mehr. Wo einst Sprayer ihre Tags und Bilder auftrugen, entsteht ein Condo mit Luxuswohnungen. Schade? Nein, sagt ausgerechnet ein Veteran der Szene.

I’m just trying to make a little bit of history
It’s like you write with a sharpie
And you make a fine point
Not all city you hitting up the 5 Pointz
- COOL CALM PETE

Als gelernter Bewohner dieser Stadt gewöhnt man sich mit der Zeit an die immer häufiger aufpoppenden Hiobsbotschaften über den Verlust popkultureller Weihestätten. Ob die dirty Punk-Wiege CBGB in der Lower East Side, die noch versifftere MARS Bar im East Village, der 1990er-Schuppen Brownies an der Avenue A, das Maxwell’s, die Heimat der Indie-Szene New Jerseys rund um Bands wie Yo La Tengo, das Zebulon in Williamsburg, einer der neuralgischen Punkte des Borough-Hypes nach 9/11, oder der bald seine Pforten schließende Rock-Palast The Roseland Ballroom in Midtown, Manhattan, sie alle sind Opfer der rasanten Veränderung New Yorks, die seit jeher den Rhythmus der Stadt bestimmt.

Website 5 Pointz

Gothamist Artikel von Jay "J.SON" Edlin

5Pointz Graffiti Space Queens

Jake Dobkin Gothamist.com

Und nun hat es auch das Graffiti-Mekka 5 Pointz in Queens erwischt, wie ihr sicher bereits dem Social-Media-Feed aufgeregter Friends oder noch aufgeregterer News-Seiten entnehmen konntet. Der Tenor der Meldungen, die nicht selten in einem Atemzug mit der Anhebung des Mindestalters für Zigaretten von 18 auf 21 Jahre kredenzt wurde: böse Immobilienspekulanten, depperte Gentrification, New York ist nicht mehr, was es einmal war.

Mahdi at 5 Pointz in Queens

Daniel Schreiber

FM4-Hip-Hop-Lesekreis: Mahdi Rahimi vor dem Kool Herc Mural @5Pointz, Oktober 2013. Foto: Daniel Schreiber.

Am Dienstagmorgen, als die weiße Farbe mit der die Murals der 5 Pointz überpinselt wurden, noch frisch war, hat ausgerechnet Sprayer-Veteran Jay "J.SON" Edlin einen fetten Splash gemacht und im City-Blog Gothamist.com gleich mehrere Gründe genannt, warum das Ende der 5 Pointz nicht unbedingt als ein schreckliches zu interpretieren ist.

Hier ein Link zu seinen lesenswerten Ausführungen, die nicht nur in Erinnerung rufen, was Graffiti als ephemere Kunstform kann und soll. J.SON setzt sich auch mit einigen Hintergrundfakten über das monatelange Tauziehen zwischen den 5-Pointz-Betreibern und dem Besitzer des Grundstücks auseinander. Fakten und Überlegungen, die so in kaum einer der weltweiten News-Meldungen zu lesen waren und die aus dem einseitigen Bashing eine komplexe Geschichte mit vielen unterschiedlichen Beteiligten und Facetten machen.

5 Pointz after the fact

Gothamist.com

5 Pointz als Ghost Town nach der Übermalungsaktion am Dienstagmorgen

„New York has no truck with the past. It expels its dead“, hat Luce Sante 1991 in seinem großartigen Buch Low Life geschrieben. Ob sich an diesem Wesenszug unter dem kommenden Bürgermeister und Hoffnungsträger Bill De Blasio etwas ändern wird, darf bezweifelt werden. Das wäre nämlich a tale of a different city. Was er schon kann, ist Rahmenbedingungen schaffen, die einen kulturellen Wildwuchs ala 5 Pointz wieder und auch in Zukunft ermöglichen.