Erstellt am: 20. 11. 2013 - 19:35 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 20-11-13.
Seit der NR-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen. Und das immer mit Items aus diesen Themenfeldern.
Wenn die Analyse fehlt, ist das Parlaments-Live-Bild wertlos
#politik #nationalrat #medien
Heute war also wieder eine live übertragene Parlaments-Sitzung. Im Parlament, da werden die Gesetze beschlossen, das dürfte also wichtig sein. Obwohl: So wichtig kann die Plenarsitzung an sich auch nicht sein, sonst wäre sie ja nicht öffentlich.
Trotzdem stelle ich mir, wenn ich hinter die Bilder aus großteils (sowohl stilistisch als auch inhaltlich) unvermögenden Reden eintauche, einige Fragen. Fragen zum Funktionieren dieser seit einiger Zeit so sehr in die Öffentlichkeit gestellten Struktur. Fragen die mir von den diesbezüglichen öffentlichen Dienstleistern, den Medien, bislang nicht beantwortet wurden.
Wie der etwas kraut&rübenmäßige Ablauf von einem halben Dutzend offiziellen Regierungsstellungnahmen und Ersten Lesungen zu Gesetzesvorschlägen strukturiert ist.
Ob sich der einzelne Abgeordnete, dessen (hoffentlich vorhandene) Fachkompetenz das meiste davon überschreitet, orientieren kann.
Ob die Zeit zwischen Veröffentlichung und Beschluss ausreicht um sich gebührend auseinanderzusetzen - oder ob sich das Plenum da bewusst an die Fachausschüsse ausliefert.
Warum die Dienstrechts-Novelle, in der auch (als einer von über einem Dutzend Betroffenen) die Lehrerschaft betroffen ist, in den Medien ausschließlich über das Lehrer-Dienstrecht verhandelt wurde und ob das im Parlament auch so der Fall ist.
Dass ich auch gern anhand praktischer Beispiele wissen würde, wie sich die parlamentarische Arbeit zwischen Regierungs-Parteien und Opposition unterscheidet, überschreitet die Berichterstattung zum heutigen Tag dann wohl schon.
Über all das erfahre ich wenig bis nichts. Der Medien-Boulevard ist mit Beschlüssen schon auf selbigem, ehe sie überhaupt schon getätigt worden sind (weshalb man ihm ja auch gefakte Konzertberichte und andere G'schichtln über noch gar nicht stattgefundene habende Ereignisse nachsehen sollte), und die Qualitätspresse hält sich dort auf, wo es wirklich passiert: in den Vorzimmern zur Macht, vor der Tür bei den Verhandlungsrunden, auf Snippets, SMSen oder Zwinkerer der Informanten lauernd.
Über das Parlaments-Plenum wird dann berichtet, wenn es etwas (zumindest in den Augen der etwas steifen Politprofis) Knackiges gibt, etwa die An- oder Abwesenheit von bedeutenden Volksvertretern wie Frau Lindner oder Herrn Stronach oder die totale Wow-Tatsache dass junge Abgeordnete live twittern. Huhu - mir schauert's vor so viel Nachrichtenwert.
Alibimäßig werden dann noch die Debatten-Beiträge zusammengefasst, brav aus der APA übernommen, so wie die Mainstream-Medien auch Fußballspiel-Zusammenfassungen nur noch per copypaste weiterleiten.
Um im Vergleichs-Modus zu bleiben: eine anständige Spielanalyse bekomme ich da wie dort nicht. Genauso wie im Sportressort sind auch die Polit-Redaktionen entweder nicht willens oder nicht imstande dem Publikum zu erklären, was dieser Parlaments-Plenums-Tag, der zur Gänze im Telly übertragen wurde, eigentlich bedeutet; was dort warum passiert ist, was es bedeutet, wo dahinter Fäden gezogen werden.
Durch diese fehlende Analyse ist das mitgelieferte Bild völlig wertlos.
Genauso wie der Sport-Konsument ein bisserl eine Verständnis-Anleitung braucht, mit welchem Hintergrund wer warum welchen Spielzug gebracht hat, genauso würde der Staatsbürger ein bisserl eine Verständnis-Anleitung für das nach außen hin kaum nachvollziehbare Geschehen in seiner obersten Vertretung, eben dem Parlament brauchen.
Wenn dies unterbleibt, wenn stattdessen die Hihi-Twitter!-Meldungen als Nachricht rausgehen, dann wird der geneigte Staatsbürger sich zunehmend der Argumentation jener immer weniger verschließen können, die von einer verzichtbaren Quatschbude sprechen. Und die Demokratie, den Parlamentarismus systematisch destabilisieren. Weil mit einem kleinen Hitler oder einem gutem König oder einem Firmenboss eh alles viel leichter und besser gehen würde.
Es mag anstrengend sein, es mag ein schmutziger Job sein, aber es gibt jemand der ihn tun muss: die politischen Journalisten dieses Landes.
Die "Zu früh ins Ausland gehen ist blöd"-Legende: widerlegt
#fußball #klientelpolitik
Das ist jetzt vom Timing her blöd.
Aber ich kann echt nix dafür, dass der Kollege Sander auf 90minuten.at ein gutes Interview mit dem von mir zuletzt stark kritisiertem Herbert Prohaska geführt hat. Auch nicht, dass dort des Jahrhundert-Fußballers Ceterum Censeo auftaucht: wie blöd es nicht ist, wenn junge Kicker zu früh ins Ausland gehen. Prohaska ist da der Meinung, dass man als fertiger Kicker (also so mit 20, 21) noch ein, zwei, drei Saisonen im Lande bleiben soll, ehe man so gereift ist, dass es in den ausländischen Ligen auch echt gut geht. Junuzovic ist sein Lieblingsbeispiel.
Diesmal klingt das so: Ich habe einmal eine Liste gesehen, von 70 so jungen Spielern. Da kenne ich fast keinen. Aber die gehen mit 15, 16 Jahren weg, bevor die überhaupt bei uns wirklich bekannt sind. Bekannt sind sie bei den Scouts, weil sie bei irgendwelchen Nachwuchsturnieren oder Nachwuchsländermatches spielen. Ich würde sagen, dass 90 Prozent dieser Spieler zu früh gehen. Sie schauen sich nicht die Entwicklung der letzten Jahre an. Wer geht zeitig, wer schafft es? Ich weiß nicht, ob man da überhaupt auf drei Spieler kommt.
Ich weiß es auch nicht. Aber ich weiß wie man es nachprüfen kann. Ganz einfach: man nimmt - weil bei den ganz Jungen lässt sich das Kriterium "geschafft haben" nicht überprüfen - die aktuellen Spieler (sagen wir alle Relevanten, so mit über rund einer halben Million an Transferwert) mit Auslands-Aufenthalten her und schaut nach, in welchem Alter die ins Ausland gegangen sind.
Dann hätte man einen validen Wert und müsste nicht, wie der Ex-Teamtrainer, dauernd in unbelegten Vermutungen schwelgen. Und weil ich heute nachmittag eine Stunde aufwenden konnte (denn länger dauert dieser Check nicht) hab' ich es gemacht, ich Teufelskerl!
Das Resultat ist, je nachdem wo man den Begriff "zu früh" anlegt, unterschiedlich interpretierbar. Wenn man davon ausgeht, dass "unter 20" früh ist, dann ergibt die Erhebung ein 50:50 Resultat. Etwa 50% unserer Legionäre (und Ex-Legionäre) sind
"zu früh" abgegangen, 50% erst mit "über 20". Allerdings nur ganze 7 mit "über 24", also im Junuzovic-Alter. Da finden sich nur Janko, Dag, Lasnik, Bukva und die zwei Torleute Almer und Gspurning (die ja auch älter gern genommen werden). Also nicht die Creme de la Creme.
16 oder jünger waren Alaba, Weimann, Bamgartlinger, Holzhauser, Linz, Vastic, Djuricin, Markus Berger, Tobias Kainz, Bodul und Hauser.
17 waren Arnautovic, Stranzl, Hosiner, Ritzmaier, Olejnik und Sikorski.
18 waren Pogatetz, Stojanovic, Büchel, Beichler und Elsneg
19 waren Dragovic und Kevin Wimmer; 20 Manninger und Walch.
21 waren Prödl, Kienast und Royer, 22 Fuchs, Kavlak, Ivanschitz, Garics, Pehlivan, Hoffer, Maierhofer, Kayhan und Roman Wallner.
23 waren Jantscher, Margreitter, Nuhiu, Säumel und Okotie, 24 war Özcan - und den Ü25-Rest hab ich schon erwähnt.
Jetzt noch zur von Prohaska angesprochenen U16-Altersgruppe. Sehen wir uns die Jahrgänge 95 - 97 an, wie viele Kids da bereits weg sind.
An 95ern sind Markoutz, Puchegger und Hager, Grillitsch, Lovric, Madlmayr, Heinrich, Sallinger und Rauth, Joppich, Bytyqi und ein paar Grenzgänger bei Wacker Burghausen "drüben". Kein Dutzend. Fünf dieser Burschen spielen in der UEFA Youth League eine gute Rolle.
Beim 96er Jahrgang sind es mit Grbic, Lercher, Bundschuh und Bermeister ganze 4. Noch weniger beim Baujahr 97: Gmeiner und Cvetko. Der junge Patrick Hasenhüttl lebt in Deutschland, also spielt er auch dort. Ein Fall wie der vorher in der Statistik nicht aufgetauchte Martin Harnik. Drunter haben wir noch Marco Friedl und ein paar im Ausland lebende Burschen mit österreichischem Pass.
Ich würde meinen, dass dieser kurze Check eines eindeutig ergibt: weder die von Prohaska erwähnten 90% noch die "nicht einmal drei Spieler", auf die man kommen würde, sind nur ansatzweise valide. Und auch der erschreckende Ausverkauf der Unter16jährigen ist schlicht und ergreifend inexistent. Erst ab der U17 oder U18 werden junge Spieler interessant.
Die "zu früh weg!"-These ist also eine urban legend, ein an Fußballer-Stammtischen, die die gute alte Zeit gern hochleben lassen, gern verbreitetes Hirngespinst. Nicht mehr.