Erstellt am: 19. 11. 2013 - 19:52 Uhr

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 19-11-13.

Heute in der Spät-Ausgabe: der Live-Blog zum letzten Länderspiel des Jahres, dem Test gegen die USA, dem Auftakt zur EM 2016.

Weil das Match in Halbzeit 2 gar nichts konnte, gleich zur wichtigsten Erkenntnis...

Das Symbol des Spiels: Arnautovic, der den Plan B kapiert hat

Weil man die 2. Hälfte wegen bewusster Inaktivität (es gibt Kampfsportarten, die dafür Minuspunkte vergeben - sowas wäre doch eine Idee) vergessen muss, bleibt nur die durchaus interessante 1. Hälfte. Deren Fazit ist da weiter unten zu lesen.

Ich möchte nur meinen Mann des Spiels herausheben: Marko Arnautovic. Der hat keine einzige (und das muss man in Zeitlupe sagen: k-e-i-n-e e-i-n-z-i-g-e) arnautovicmäßige Aktion geliefert, sondern sich total in den Dienst der Kollerschen Strategie gestellt, die aus einem vorsichtigen, fast konservativen Ansatz heraus das Spiel aufziehen und Überlegenheit erzielen wollte. Das ist gelungen; auch weil Leute wie Arnautovic das kapiert haben.

Nochmal: Arnautovic hat ein durchaus komplexes strategisches System verinnerlicht, verstanden und erfolgreich umgesetzt. Arnautovic! Das ist deutlich mehr wert als dieser Sieg für die Statistik. Denn das bedeutet, dass Koller sich verständlich machen konnte; und das bedeutet, dass das ÖFB-Team in seiner zweiten Amtszeit über Optionen verfügt, die zuvor nicht da waren. Und das ist sehr sehr erfreulich.

Mit der Anschaun eines laschen Spiels vergeudete Lebenszeit

Ein Wort zu Klinsmanns Team: hinten solala, in der Zentrale heute nicht so dynamisch, aber vor allem in der Offensive (bis auf Shea) erstaunlich unzusammenhängend. Klar, es ist uur ein Testspiel, aber auch mit Dempsey und Co ist das nicht unbedingt achtelfinaltauglich. Weder vom Personal noch von der Strategie her. Die Seriensiege in der Concacaf-Gruppe können gefährlich selbsttäuschend sein.

76.: 16 Kljestan für 11 Bedoya, ein Positionswechsel.
80.: 13 Suttner für Arnautovic und 17 Klein für Harnik - das ist die Superbeton-Variante: zwei Außenverteidiegr spielen die Flügelpositionen. Ein bissl lächerlich ist das schon.
81.: 2 Lichaj spielt jetzt Rechtsverteidiger stat 20 Cameron.
85.: 14 Zulechner kommt für 9 Hinterseer, der in der 2. Halbzeit unsichtbar blieb, in der ersten aber bestach.
Oh Grauen, noch je ein Wechsel steht an.
90.: 19 Wondolowski, ein Stürmer kommt für den Linksverteidiger 7 DaMarcus Beasley, ein bisserl spät für Risiko.
Und noch ein Debut: Kevin Wimmer (4) wird, so halt, für Leitgeb kommen (92.)

Dann fabriziert Garics noch als letzter Mann ein Handspiel, das auch nicht gegeben wird. Und wieder hilft der ungarische Schiri kräftig mit, dass es einen Sieg geben wird, den ersten in einem Testspiel seit, ja, seit längerem...
Was Team USA tut, ist mir ja wurscht, aber: warum lässt es das Koller-Camp zu, dass man hier eine ganze Testspiel-Halbzeit völlig sinn- und planlos verschwendet? Ärgerlich.

Salami-Wechsel und Gejammer auf hohem Niveau

Kavlak soll kommen, Boyd auch, und die USA haben wieder so eine Chance, die einen zittern machen muss.
In der 67. pfeifen Menschen 15 Terrence Boyd aus, der für Jones kommt. Warum?
Warum Boyd für Jones kommt, also eine zweite Spitze statt eines Sechsers, ist klar: Klinsmann stellt auf ein 4-1-3-2 um. Auch wenn man es einige Zeit gar nicht bemerkt.

In der 68. kommt 19 Kavlak für 21 Janko, das muss eine größere Umstellung bringen. Wohl ein 4-3-3 mit Hinterseer ganz vorne. Ja und nein: Leitgeb-Kavlak machen das zentrale Mittelfeld, Alaba schlüpft in die Zehner-Rolle, die bisher der nun zum Vollstürmer gewordene Hinterseer einnimmt. Das ist eigentlich die Fortsetzung des 4-2-3-1. Und dann, in der 72. ersetzt 6 Ivanschitz 27 Alaba als Zehner. Warum nicht gleich, warum diese zitzerlweisen Wechsel, in denen vier, fünf Minuten verlorengehen, in denen man sich besser einspielen könnte. Noch so eine Unart im deutlich nicht weltklassemäßigem Koller-Wechselspiel. Nur ein Detail, aber es passiert öfter und es nervt. Ja, jammern auf hohem Niveau, ich weiß...

Wie immer: In der Viertelstunde nach der Halbzeit ist das Nichts

Halbzeit 2 beginnt mit einer dieser Harnik-Chancen, die toll aussehen, bei denen man aber von Beginn an weiß, dass er sie verbeischaufeln wird.

Jermaine Jones, der schlaue Deutsch-Amerikaner hat sich Arnautovic als Provokations-Opfer auserkoren; auch eine fette Nagelprobe für den heute interessantesten Akteur heute.

Ich habe jetzt aber trotzdem das Gefühl, dass Koller gut daran getan hätte, taktisch umzurüsten und von dieser Anwarte-Haltung auf etwas anderes zu switchen. Einfach nur um zu sehen, wie/ob das geht.
Aber vielleicht hat er aber ja eh.

In der 56. die ersten Wechsel: 18 Eddie Johnson für den guten 21 Shea links und zentral 10 Diskerud für 9 Johannsson.

Und letztlich passiert auch heute das, was oft passiert: die Zeit zwischen der 46. und der 60. Minute gibt Koller wo. Da geschieht gerne nichts. Muss das sein?

Das unaufgeregte Halbzeit-Fazit

Dragovic spuckt Blut, sonst ist alles okay.

Kollers Strategie mit unaufgeregtem Fußball ganz ohne kräfteraubendes Gegenpressing auch gegen einen Gegner wie die USA zu bestehen, ist aufgegangen.
Bestes Beispiel: Arnautovic. Kein überdrehtes Getrickse, sondern die Suche nach Effektivität. Das ist unerwartet und vorbildlich.

Die Führung ist/war zwar nicht folgerichtig, aber auch nicht falsch. Trotz des eigentlichen Gegentores.

Die Debuts von Hinteregger und Hinterseer sind bislang exzellent. Problembären des Abends: der zu eilfertige Alaba, der sich übernimmt und Christian Fuchs, der echt ein Reset braucht. Und der bereits erwähnte 15-Minuten-Almer.

Die Führung: nicht verdient, aber auch nicht unverdient

Die erwartete Augenhöhe: vorhanden.
Und dann auch das Tor, ein wenig glücklich, aberr okay. Der omnipräsente Alaba schickt Garics rechts vor, dessen Holperflachpaß wird von Harnik noch kurz trockengewischt und von Janko volley einsortiert. 1:0 Österreich.

Strategisch gesehen ist das ein Erfolg - das Tor fiel nicht aus dem bisher international so löblich erwähnten Turbokonter-Fußball, sondern ein Treffer aus dem offenen Spiel. Zwar ein simpler Spielzug, der aber mit einer gewissen Ruhe und Sicherheit vorgetragen wurde.

20.200 Zuschauer im jetzt auch noch verregneten Ernst-Happel-Oval. Und ja, Veli Kavlak war tatsächlich heuer schon einmal Besiktas-Kapitän. Und hui, wenn die USA sich einmal vor Almers Tor einfindet, dann brennt der Hut. Auch weil der sehr blonde Shea sehr viel ackert.

Dragovic und Hinteregger, das klappt, kein Problem. Und, Überraschung, Hinterseer und Janko, das passt noch viel besser - da geht mehr als bei Juno-Janko.

Eine kleine Baustelle: Alaba mutet sich zuviel zu. Nicht nur dass er sich vorne viel einmischt, er lässt sich auch noch zwischen die Innenverteidiger zurückfallen um von dort quarterbackmäßig aufzubauen. Da zerfranst sich einer im Übereifer, ein wenig Bremse würde guttun.

Immer wieder dasselbe: Almer und die erste Viertelstunde...

Hoppala, die übliche Almer-Unsicherheit der ersten 15 Minuten befällt den Goalie auch noch in der 16. Und nach dem Corner aus dieser Situation gibt es ein Tor; das der Schiri nicht gibt. Ball hinter Linie, klar.
Egal, eine solche unglückliche Situation sollte man in einem Testspiel eh nicht üben. Stattdessen wieder einmal Nachdenken über diese 15 Almer-Minuten, in denen besser kein guter Ball aufs Tor kommt. Diese Zitterei, die muss wegtrainiert werden, die kann sonst noch fatale Folgen haben.
das wäre ein Job für den Tormanntrainer, wer ist das noch? Aja... Okay, dann doch besser mit dem Tormann-Trainer in Cottbus ein langes Gespräch führen.

Eine Anfangsphase mit gezielter Kontroll-Suche

Hinteregger als Linker halblinks in der Innenverteidigung, Dragovic halbrechts, Alaba, heute mit der Nummer 27 (sowas geht nur bei Testspielen) hält es kaum in der Mittelfeldzentrale; er wirkt wie ein Joker, nicht wie ein Sechser.
Lukas Hinterseer beginnt weit vorne, zieht sich dann aber auch weit zurück - er sollte den Abstand nicht zu groß werden lassen. Bälle zieht er in der Anfangsphase recht viele an. Es gibt keinen Flügelrochaden, Harnik und Arnautovic kleben auf ihren Seiten.

Wie auch bei den Amerikanern. Und überhaupt, die Systeme (beide im 4-2-3-1) neigen dazu einander zu neutralisieren.

Team USA wird vom zentralen Kraft-Dynamo Bradley-Jones angetrieben. Glatze Michael Bradley (Roma) ist für die wendigen, Bad Boy Jermaine Jones (Schalke, zurzeit wuschelköpfig) für die physischen Aktionen zuständig. Auch bei den USA ist Stoßstürmer Altidore ein wenig zu weit vorne positioniert bzw die offensive 3 hinter ihm zuwenig auf Tuchfühlung.

In dieser Anfangsphase sieht es so aus, als würde das ÖFB-Tean das Halten eines Remis üben; es geht um Stabilität und Sicherheit und darum aus dieser Position der Stärke Offensiv-Aktionen zu erarbeiten. Nix Power-Pressing, nix Turbo-Konter.

Uhhhh, das seh' ich erst jetzt: Captain Tim Howards Taliban-Bart, bistdudeppert...

Worauf heute achten?
Nicht so sehr ob Hinteregger/seer jeder nervöse Paßball gelingt, sondern ob die Linien gut stehen und verschieben, und ob das Umschalten nicht nur nach vorne, sondern auch nach hinten (Ballverlust) tatsächlich schon besser gelingt.

Worum gehts nicht?
Um Punkte für die EM-Quali-Auslosung; die Setlist macht die UEFA über ausschließlich Pflichtspiele. Für die FIFA-Weltrangliste wäre ein Erfolg von Vorteil.

Österreich vs USA, da ist mehr drin als erwartet worden war

Andere haben Barrage gespielt oder waren zu Exhibitions weit weg: Marcel Koller hat die den Nationalmannschaften vorbehaltenen Tage im übervollen internationalen Terminkalender zu einem Lehrgang genützt, in dem er dem Team endlich einen Plan B beigebracht hat, damit es außer einem guten Offensiv-Pressing auch noch etwas anderes kann.

Das ist bedeutender als der heutige Länderspiel-Test.

Aber vielleicht sieht man da ja schon Ansätze. Es wäre ja ein Duell in Augenhöhe (so viel besser als etwa Schweden ist das weit besser fifagerankte US-Team nämlich nicht, all due respect), eines mit pikanter Note, sitzt bei den Amis nämlich der jetzt schon allseits designierte Koller-Nachfolger Andreas Herzog auf der Bank. Neben seinem Lehrer Jürgen Klinsmann, der, wenn einige Details anders gelaufen wären, auch ein potentieller ÖFB-Teamchef gewesen wäre.

Österreich wird so auflaufen:
1 Almer; 2 Garics, 3 Dragovic, 16 Hinteregger, 5 Fuchs (K); 18 Leitgeb, 27 Alaba; 11 Harnik, 9 Hinterseer, 7 Arnautovic; 21 Janko.

Auf der Bank: 12 Lindner, 23 Özcan; 17 Klein, 22 Ortlechner, 4 Wimmer, 13 Suttner; 19 Kavlak, 20 Burgstaller, 6 Ivanschitz; 14 Zulechner.
Klein und Prödl sind angeschlagen, Pogatetz, Baumgartlinger, Weimann, Sabitzer und vor allem Junuzovic waren schon im Vorfeld ausgefallen.

Hinteregger kommt zu einem logischen Debut; Leitgeb hat sich aus dem Leo aktuell zum heimlichen Lieblingsspieler Kollers gemausert; Hinterseer soll den Junuzovic machen - da ist dei Frage erlaubt ob das Robert Zulj aktuell nicht schon deutlich besser kann. Gut, dafür hat Zulj gestern beim U21-Quali-Match für den Umschwung gesorgt.

Die USA kommen mit 1 Howard (K); 20 Cameron, 3 Gonzales, 5 Brooks, 7 Beasley; 4 Bradley, 13 Jones; 11 Bedoya, 9 Johannsson, 21 Shea; 17 Altidore.

Bank: 22 Hamid; 2 Lichaj, 14 Orozco, 6 Evans, 10 Diskerud, 16 Kljestan, 15 Boyd, 18 E. Johnson, 19 Wondolowski.

Das ist eine wilde amerikanisch-mexikanisch-englisch-deutsch-holländisch-französisch-italienische Mischung. Ohne Clint Dempsey und Fabian Johnson, die sind verletzt, ohne den angeschlagenen und gar nicht nominierten Landon Donovan und auch ohne Rapid-Weltergewichtler Terence Boyd.

Der Schiri kommt aus Ungarn, und es sollte kein Gepfeife gegen die Stars&Stripes geben. Österreich in rot-weiß, die USA in weiß-schwarz.