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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

19. 11. 2013 - 15:23

ACTA kehrt als Freihandelsabkommen zurück

Am Freitag ging die zweite Runde zum geplanten TTIP-Abkommen von USA und EU über die Bühne. Nicht nur die strikte Geheimhaltung erinnert an den gescheiterten ACTA-Vertrag.

Am Montag sind die EU-Kommissarinnen Viviane Reding (Justiz) und Cecilia Malmström (Inneres) mit ihren US-Gegenparts in Washington zusammengetroffen. Datenschutz, der Kampf gegen Terrorismus und Cybercrime sowie die Internetsicherheit seien denn auch im Mittelpunkt der Verhandlungen, hieß es seitens der EU-Delegation dazu.

Zwangsläufig steht aber ab jetzt noch ein weiteres Thema zur Diskussion, denn das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP steht in direkter Wechselwirkung zu den europäischen Regelungen zum Datenschutz.

Auf der Agenda in Washington stand also auch ein internationaler Vertrag, der von der Papierform her eigentlich unter andere ministeriale Zuständigkeiten fällt. Am Freitag war die zweite Verhandlungsrunde für das geplante transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zu Ende gegangen. Wie schon bei ACTA herrscht hier strikte Geheimhaltung, Einblick in den Text haben auch diesmal nur die Verhandlungsteams - und die Lobbyisten.

Cecilia Malmström

EPA

Cecilia Malmström

"Nicht-tarifbezogene Handelshemmnisse"

Das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA war vom EU-Parlament im Juli 2012 mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden. Damit wurde der EU-Kommission die Quittung für die jahrelange Geheimhaltungspolitik rund um ACTA überreicht.

Dieses neue Abkommen soll "transatlantische Handels und Investmentbarrieren abbauen". Für die Wirtschaftsräume der EU wie der der USA soll das jeweils um die 100 Milliarden Mehreinnahmen bringen, der Rest der Welt sollte ebenfalls in etwa gleichem Umfang davon profitieren.

So heißt es jedenfalls einleitend zu einer Studie des Londoner Centre for Economic Policy Research. Eine Schlüsselrolle in der "transatlantischen Liberalisierung" nehmen dabei "nicht-tarifbezogene Handelshemmnisse" ein. Es geht also in erster Linie nicht um Einfuhrzölle, sondern "um den Abbau der durch Bürokratie und Regulation verursachten Barrieren", die laut dieser Studie 80 Prozent der zu erwartenden Mehreinnahmen bringen würden.

"Bürokratische Barrieren"

Unter einer "bürokratischen Barriere" aber ist einfach zu verstehen, was als solche verstanden wird. Justizkommissarin Viviane Reding hatte bereits wiederholt davor gewarnt, Datenschutz in dieses Handelsabkommen einzubringen: "Datenschutz ist weder ein Zolltarif noch eine rote Linie. Datenschutz ist ein Grundrecht und als solches nicht verhandelbar."

Viviabe Reding

APA/EPA

Viviane Reding

Die wiederholten Warnungen der EU-Justizkommissarin vor der Einbeziehung des Datenschutzes in die TTIP-Verhandlungsmasse

Ausklammern lässt sich das Thema freilich nicht, zumal das Abkommen ja dezidiert dafür geschlossen werden soll, Investitionen im jeweils anderen Rechtsraum zu erleichtern. Wo aber Geschäfte sind, fallen automatisch personenbezogene Daten an und für deren Verarbeitung braucht es einen Rechtsrahmen.

Die ACTA-Spielregeln

Unter der bestehenden Rechtslage der Union sind die Daten von US-Bürgern unter denselben Schutz gestellt wie jene von EU-Bürgern. Die ohnehin schwachen Datenschutzbestimmungen in den USA gelten ausschließlich für US-Staatsbürger, daran gibt es nichts zu auszulegen oder zu interpretieren.

Was da nun wirklich an bestehenden europäischen Regelungen unter "bürokratische Barrieren" fallen und deshalb eliminiert werden soll, ist völlig unbekannt. Seit dem Verhandlungsstart im Sommer ist klar, dass hier von demselben Hauptbeteiligten nach denselben Regeln gespielt wird wie schon im ACTA-Abkommen, das im vergangenen Jahr spektakulär gescheitert ist.

Die Studie des des Londoner Centre for Economic Policy Research wird sowohl seitens der EU von Handelskommissar Karel de Gucht wie auch vom Handelsministerium der USA ins Treffen geführt.

Karel de Gucht und der ACTA-Club

Außer den beiden Verhandlungsteams erhalten nur die Lobbyisten Zugang zum Abkommenstext. Wie schon bei ACTA wird es auch für die EU-Parlamentarier keinen Einblick in den Verhandlungsstand geben. Die Hauptakteure seitens der EU spielen wieder EU-Handelskommissar Karel de Gucht und der restliche "ACTA-Club" in der Kommission, auf der anderen Seite des Atlantik ist es das US-Handelsministerium.

Seit vergangener Woche preist man zusammen mit den US-Botschaftern in Europa das TTIP-Abkommen für die geplanten "hohen Standards" und die "Pionierarbeit beim Aufbau neuer Regeln für den globalen Handel". TTIP werde "mehr Handel, mehr Jobs und mehr Möglichkeiten auch für kleinere Unternehmen bieten", heißt es dazu im Blog des US-Handelsministeriums, das die eingangs zitierte Studie des Londoner Centre for Economic Policy Research denn auch als neutrale Informationsquelle preist.

Der hauptsächliche Proponent des "ACTA Clubs" in der EU-Kommission ist Handelskommissar Karel de Gucht. Anfang November war bekanntgeworden dass de Gucht, für den die Unschuldsvermutung gilt, vom belgischen Fiskus der Hinterziehung von Steuern in der Höhe von einer Million Euro beschuldigt wird.

Haushalte und Biogemüse

Dort aber werden die finanziellen Benefits von mehr als 100 Milliarden Euro jährlich für die EU direkt auf die Haushaltseinkommen umgelegt. Das frei verfügbare Einkommen eines europäischen Durchschnittshaushalts werde durch TTIP pro Jahr um 545 Euro steigen, wird prophezeit und obendrein seien keine Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß zu erwarten.

Seitens des US-Handelsministeriums wiederum wird betont, wie sehr ein anderes, kürzlich geschlossenes Abkommen bereits den transatlantischen Handel mit Biolebensmitteln erleichtert hätte.

Pazifische Parallelen

Parallel zu TTIP verhandeln die USA mit dem Trans Pacific Partnership (TTP) über ein zweites derartiges Abkommen, das bereits weiter fortgeschritten als jenes mit Euiropa ist. In der vergangenen Woche wurde die dort ebenfalls angesagte strikte Nicht-Öffentlichkeit erstmals unterlaufen. Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte den konsolidierten Verhandlungstext des TPP-Kapitels über "geistiges Eigentum".

Das Dokument bestätige die Befürchtungen, dass die Verhandlungspartner den Gültigkeitsbereich geistiger Eigentumsrechte ausdehnen und die Rechte der Konsumenten beschneiden werden, heißt es dazu in der Analyse von "Knowledge Ecology International".

Im Vergleich zu anderen multitlateralen Verträgen solle die Gültigkeitsdauer von Patenten und Copyrights ausgeweitet werden. Dazu würden neue geistige Eigentumsrechte auf Daten eingeführt und der Strafrahmen für Verstöße erweitert werden.

Was zur Disposition steht

Die Analyse des TPP-Kapitels über "Geistiges Eigentum" von "Knowledge Ecology International", einer NGO mit Schwerpunkt auf Informationsfreiheit sowie das zugehörige Dokument in der Sammlung von Wikileaks

Es ist also definitiv zu erwarten, dass sich dieselben Tendenzen auch im TIPP niederschlagen werden. Man darf also gespannt sein, welche der existierenden europäischen Regelungen da als "bürokratische Hemmnisse" bezeichnet werden.

Im Grunde stehen da nämlich zum Beispiel die europäischen Rechtvorschriften zum Umgang mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln, Konsumenten- und Datenschutz zur Disposition. Die nächste TTIP_Verhandlungsrunde ist für den 16. Dezember anberaumt.