Erstellt am: 18. 11. 2013 - 18:40 Uhr
Flimmern
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Der assoziative Wochenrückblick von Natalie Brunner
Detroit soll ein Wald werden. Diesen Sommer musste die einst fünftgrößte Stadt der USA Konkurs anmelden. Für 500.000 Dollar hat eine Firma 56 Hektar im Stadtgebiet gekauft und will dort Obstplantagen errichten. Einzelne bewohnte Häuser in diesem Gebiet bleiben bewohnt und bestehen.
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Henry Ford und Ford Motors machten Detroit groß. 1913 führte Ford die Fließbandproduktion ein und 2013, genau hundert Jahre später ist die Stadt bankrott. Durch die Einführung des Fließband hatten Menschen sich an den Rhythmus von Maschinen anzupassen, um den Gewinn zu maximieren.
Ford bezahlte seine Arbeiter besser, als damals üblich, aber nicht um ihre persönliche Situation zu verbessern, sondern um den Absatz seiner Autos an die eigene Belegschaft zu fördern. Ford war ein erklärter Gegner von Gewerkschaften und ließ die Organisation seiner Arbeiter_innen mit Gewalt verhindern. Henry Ford war ein Antisemit, Rassist und Unterstützer der Nazis, außerdem hasste er Ausländer und Schwule. Henry Ford war darüber hinaus auch der Herausgeber des vierbändigen Buches "Der internationale Jude - das dringlichste Problem der Welt", das Reichsminister Heinrich Himmler dazu bewog Henry Ford als gewichtigsten und geistreichsten Vorkämpfer der Nazis zu bezeichnen und ihn den Adler Orden anzuheften.
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Die Ford Motor Company war am Aufbau der deutschen Streitkräfte vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beteiligt. 1938 wurden die Ford-Werke in Berlin in Betrieb genommen wo bis Ende 1944 Zwangsarbeiter aus Konzentrationslagern versklavt wurden.
Detroit ist nicht die einzige urbane Tragödie die auf das Konto von Ford geht.
In den 1920er Jahren ließ Ford ein 10.000 Quadratkilometer großes Stück Urwald im Amazonas abholzen um eine amerikanische Kleinstadt, Fordlandia, mit Kraftwerk, Schwimmbad, Kino, Feuerwehr und einem Krankenhaus bauen, in der Indigenas von nun an wie Amerikaner leben sollten, um Kautschuk für Fords Autoreifen zu produzieren. Es herrschte Rauch und Alkoholverbot sowie die Pflicht, sichtbare Ausweiskarten zu tragen und sich an amerikanisches Essen zu gewöhnen.
1930 gab es in Fords Mini-Diktatur im Regenwald einen Aufstand, der sich gegen die vorgeschriebenen Lebens- und Ernährungsregeln wandte. Der Aufstand wurde von vom allzeit hilfsbereiten brasilianischem Militär niedergeschlagen.
Erst Henry Fords weltweite Verbreitung des Autos als leistbarem Konsumgut, machte das Umstürzen und Anzünden von Autos im zwanzigsten Jahrhundert zu der sichtbarsten Form von urbaner Unruhe und die Autobombe zum gefürchtetsten Inventar im Arsenal von Aufständischen.
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1967 brachen in Detroit Riots aus, die vom US-amerikanischen Militär niedergeschlagen wurden. Grund für das Aufbegehren war rassistische Polizeigewalt: Es gab 43 Tote, über Tausend verletzte und 7000 Verhaftungen. Der Auslöser war eine Polizeirazzia in einem Lokal gewesen, in dem illegalerweise Alkohol ausgeschenkt und getrunken wurde, geraucht wurde auch, aber das war damals noch nicht verboten. Als die Polizei versuchte, alle Anwesenden zu verhaften, wehrten sich die Bürger_innen.
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Am 19. Oktober schleppte die Polizei in Wien zwei Menschen aus einem Lokal und unterzog sie vor Smartphone-Kameras einer Behandlung, die der Anwalt der Opfer als an Folter grenzend bezeichnete. Es gibt Filmaufnahmen, wie Polizisten und Polizistinnen das mit Handschellen gefesselte Mädchen immer wieder mit Kopf und Oberkörper zwischen zwei Baumstämme drücken und man hört, wie sie geschlagen wird. Die weitere angeblich an Folter grenzende Behandlung am Kommissariat Deutschmeisterplatz gibt es hier nachzulesen. Der Grund für den Einsatz der Polizei: Es war zu laut. Aus der angeblich bei dem Einsatz gebrochenen Nase eines Polizeibeamten wurde inzwischen eine leichte Prellung.
Ruft man in Detroit die Polizei, ist die durchschnittliche Wartezeit 58 Minuten. Nur ein Drittel aller Krankenwagen der Stadt ist einsatzfähig und auch die Gerätschaften der Feuerwehr sind völlig veraltet. In der Stadt gibt es ungefähr 78000 verlassene Gebäude; Eminem's Elternhaus war eines davon. Eminem hat diese Monat die Marshall Mathers LP 2 veröffentlicht. Viele der großartigsten Musiker und Musikerinnen der letzten 35 Jahre
kommen aus Detroit. Am Cover des neuen Eminem Albums ist wieder sein Elternhaus zu sehen, so wie bei der Marshall Mathers LP. Das Haus mit der Nummer 19946 in der Dresden Street steht nicht mehr. Wie viele Häuser in Detroit hat es begonnen zu brennen und die Feuerwehr ist nicht gekommen. Bald werden dort Obstbäume blühen.