Erstellt am: 18. 11. 2013 - 17:42 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 18-11-13.
Seit der NR-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen. Und das immer mit Items aus diesen Themenfeldern.
Der Sportjournalist als Papagei, denkimmun und analysefrei
#fußball #medien
Nur wenige haben es; Seher und Visionäre, Wahrsager und Hellseher: das zweite Gesicht. In der Schweiz oder zumindest in der engeren Umgebung, in der Marcel Koller sprachlich sozialisiert wurde, bedeutet das zweite Gesicht scheinbar etwas anderes, etwas unendlich banaleres, nämlich einen Plan B zu haben.
Das ist verdammt schade, denn ich dachte, als dieser Tage das erste Mal vom zweiten Gesicht, über das das ÖFB-Team nach dem Trainingslager in Spanien jetzt verfüge, die Rede war, dass die Teamspieler ihre Antizipation ab sofort wegen ihrer neuen seherischen Fähigkeiten ins quasi Unendliche steigern können würden.
Und plötzlich war es überall, als wäre es von Frank Underwood persönlich angeordnet worden, auf allen Kanälen, in allen Medien, selbst auf Feindesboden: das zweite Gesicht. Dass hier ein völlig falscher und blödsinnig verwendeter Begriff die Runde machte, ist Berichterstattern wie Konsumenten (ich habe keinen einzigen Protesteinwurf erlebt) piepegal.
Einen schöneren Beleg für die dringende Notwendigkeit der Totalabschaffung der Sport-Berichterstattung durch Menschen, zumindest in Österreich, gibt es nicht. Diese Leistung, die 1:1-Wiedergabe dessen, was der eigentlich kritisch zu Hinterfragende aussendet, können nämlich auch Papageien erledigen.
ÖFB-Kader für den Test am 19.11. gegen die USA
Tor: Robert Almer (Cottbus/D), Heinz Lindner (Austria), Ramazan Özcan (Ingolstadt/D). Auf Abruf: Thomas Gebauer (Ried).
Abwehr: György Garics (Bologna/ITA), Florian Klein, Martin Hinteregger (Salzburg), Aleksandar Dragovic (Dyn.Kiew/UKR), Kevin Wimmer (Köln), Manuel Ortlechner, Markus Suttner (Austria), Christian Fuchs (Schalke/D). Auf Abruf: Thomas Hinum (Ried), Christopher Trimmel, Christopher Dibon (Rapid), Franz Schiemer, Andreas Ulmer (Salzburg)
Mittelfeld: David Alaba (Bayern/D), Veli Kavlak (Besiktas/TUR), Christoph Leitgeb (Salzburg), Andreas Ivanschitz (Levante/SPA), Guido Burgstaller (Rapid), Martin Harnik (Stuttgart/D), Marko Arnautovic (Stoke/ENG). Auf Abruf: Yasin Pehlivan (Bursaspor/TUR), Marco Meilinger (Salzburg), Jakob Jantscher (Nijmegen/NED), Daniel Royer (Austria).
Angriff: Marc Janko (Trabzonspor/TUR), Philipp Zulechner (Grödig), Lukas Hinterseer (Innsbruck). Auf Abruf: Philipp Hosiner (Austria), Robert Zulj (Ried).
Verletzt/nicht vollfit: Emanuel Pogatetz (Nürnberg/D), Sebastian Prödl (Bremen/D), Julian Baumgartlinger (Mainz/D), Zlatko Junuzovic (Bremen/ D), Marcel Sabitzer (Rapid), Andreas Weimann (Aston Villa/ ENG).
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U21-Kader fürs EM-Quali-Match gegen Ungarn heute abend
Tor: Samuel Radlinger (Rapid), Christoph Riegler (St. Pölten), Andreas Leitner (Admira)
Abwehr: Patrick Farkas (Mattersburg), Thomas Weber (Admira), Lukas Spendlhofer (Varese/ITA), Florian Neuhold (Altach), Matthias Maak (KSV), Christoph Martschinko (Wr.Neustadt).
Mittelfeld: Tobias Kainz, Daniel Offenbacher, David Schloffer (Sturm), Peter Tschernegg (Grödig), Louis Schaub (Rapid), Kevin Stöger (Lautern/D), Alessandro Schöpf (Bayern/D).
Angriff: Robert Zulj (Ried), Kevin Friesenbichler (Bayern/D), Michael Gregoritsch (St.Pauli/D), Dominik Starkl (Rapid).
Beim A-Team: Martin Hinteregger (Salzburg), Kevin Wimmer (Köln/D).
Verletzt: Richard Strebinger (Werder/D), Gerald Peinsipp (St.Pölten), Simon Piesinger (Innsbruck), Marcel Ziegl (Ried), Marcel Ritzmaier (Cambuur/NED), Marcel Sabitzer (Rapid), Marco Djuricin (Sturm).
Suspendiert: Raphael Holzhauser (Augsburg/D).
Nicht berücksichtigt: Cican Stankovic (Grödig); Lukas Rath (Mattersburg), Christian Schilling (Innsbruck), Bernhard Janeczek, Patrick Möschl (Ried), Stefan Nutz (Grödig), Sandro Djuric (Liefering), Christoph Knasmüllner (Ingolstadt/D), Florian Kainz (Sturm), Thomas Murg, Srdan Spiridonovic (Austria), Max Sax (Admira), Toni Vastic (Ried), Jannick Schibany (St.Pölten).
Ich verlange ja nicht einmal die im Fall der ganzen Zweiten-Gesicht-Lächerlichkeit auch dringend notwendige, widerständige Analyse, die die Überraschung darüber ausdrückt, dass der ÖFB-Teamchef mit dieser Aussage zugibt, bislang ausschließlich über einen einzigen Plan (eben den Plan A) verfügt zu haben, also in der gesamten WM-Quali ein im modernen Fußball total lächerlich ausrechenbares One Trick Pony gewesen zu sein. Weshalb dann auch jede Mannschaft mit strategischem Niveau (in unserer Gruppe waren das dann eben auch zwei; mehr als genug) ganz leicht etwas dagegen setzen konnte.
Zu einer solchen Denkleistung (die die Fähigkeit Rückschlüsse zu ziehen und ein kurzes Nachdenken über die vernommenen Worte der Mächtigen und Player vorraussetzt), ist der hiesige Fußball-Journalismus, das beweist er seit Jahrzehnten, in den seltensten Fällen fähig.
Ich verlange schon gar nicht, dass noch weiter gedacht wird, und die Phase vor Koller, also vor der erstmaligen Einführung eines Plan A (hoch stehen, offensiv pressen), untersucht wird. Man könnte draufkommen, dass es in den - mittlerweile historisch klar freigeschaufelten - Zeiten eines Constantini, Krankl oder auch Hickersberger nicht einmal einen Plan A gab, sondern das reine blanke pure Nichts existierte (das jeweils nach Gemütslage des Teamchefs trist, langsam oder dümmlich interpretiert wurde). Das wiederum würde bedeuten, die - auch von Teamchef Koller deutlich angesprochene grenzdebile Heldenverehrung von satten, lorbeerübersättigten Nichtskönnern hinterfragen zu müssen.
Und da der österreichische Sportjournalismus mit und von dieser Untugend lebt, wäre das noch ein Sargnagel zur Selbstaufgabe.
Die ohnehin unvermeidbar ist: der heimische Sportjournalismus rafft es nicht. Das 21. Jahrhundert überfordert ihn. Nachfragen, nachdenken, selbstständig einschätzen - brrrrrr...
Was er gerade noch, papageienmäßig, schafft, ist das, was Koller damit sagen will, nachzuplappern: dass man sich jetzt auch nach dem unerwarteten Ballverlust tiefer stehend staffelt und weniger hühnerstallmäßig aufführt.
Handfeste Beispiele, die diese abstrakte Taktik-Nummer erklären können - dass etwa das Rückspiel in Deutschland genau das brutal und offensiv ausgenutzt hatte, nachdem man die Hinspiel-Überraschung durch Kollers Plan A kurz analysiert hatte - das schaffen die Fußball-Medien selbstverständlich auch nicht.
Sind sie doch nie Wissenvermittler gewesen, sondern immer Abnicker, Mitspieler und nützliche Kumpane. Wasserträger, Putzerfische mit Papageien-Fähigkeiten, nicht mehr.
Kann man die verlogene Abrufliste nicht einfach abschaffen?
#fußball
Wenn so ein Kader für ein Länderspiel bekanntgegeben wird, dann enthält er meist 23 Akteure (die erlauben FIFA/UEFA auf der Bank). Dazu kommt, sofern es zwischen Nominierung und Match noch Ausfälle gibt (und die gibt es immer, je Freundschaftspiel, desto mehr) die sogenannte Abrufliste.
Manch einer, wie der schon eigene Herr Brückner, hatte keine, weil er - auf Nachfrage - eh 10, 20 Spieler im Kopf hatte, die er nachnominieren könnte. Mancher (Herr Constantini) war manchmal schlicht zu wenig arbeitsbesessen, um sich auch noch darum zu kümmern. Meistens aber wird sie mitgeliefert, die Abrufliste. Seit der ÖFB eine stark nach außen gehende Medien-Abteilung hat, sind A-Team und auch die U21 (nach Anlaufschwierigkeiten mit Herrn Gregoritsch, der auch problemlos 20 Steirer im Kopf hat, die er nachnominieren kann) da piccobello sortiert.
Die Ersatzabwehr der Team-Abrufliste kann ich auswendig: Trimmel, Hinum, Dibon, Hinteregger, Ulmer. Aktuell ist Hinteregger, der eigentlich die U21 in ihrem Qualifikationskampf verstärken sollte, hochgezogen, für ihn rückte der lange verletzte Schiemer nach auf die Abrufliste.
Hinteregger war für den kurzfristig ausgefallenen Pogatetz hochgerückt. Und als mit Prödl noch ein Innenverteidiger einsatzunsicher wurde, musste eben noch einer nachrücken. Das war dann Kevin Wimmer.
Wie, ihr findet den nicht auf der Abrufliste? Da würden Schiemer und Dibon stehen?
Ja Schnecken, wen schert das.
Die Abrufliste, die ist Folklore.
War sie bei den Vorgängern auch schon (da wurde irgendwas hingerotzt, oft nur um Bundesländer-Zeitungen, deren Local Heroes dann auch eine Erwähnung fanden, zufriedenzustellen), ist sie aber auch jetzt beim so akribischen Herrn Koller genauso nix wert.
Dass sich Dibon oder Schiemer jetzt verarscht vorkommen müssen, dass Kevin Wimmer neben Hinteregger jetzt der zweite Innenverteidiger ist, der der U21 (weil von dort hat ihn Koller kurzfristig ausgeliehen) im Quali-Match abgehen wird - wen interessiert's?
Und, was zeigt dieser (bei weitem nicht erste) Fall?
Dass Marcel Koller in die Suche der irgendwann notwendigen Kräfte hinter Dragovic/Pogatetz/Prödl nicht gerade viel Recherche-Arbeit gesteckt hat. Denn seine klassischen Kriterien (internationale Erfahrung und noch einmal internationale Erfahrung) erfüllen Hinteregger und Wimmer aktuell zwar noch besser als Dibon und Schiemer, gegen einen Markus Berger aber stinken sie alle ab. Nur: dazu müsste man einmal in die Ukraine fliegen und womöglich in Portugal nachfragen. Klingt anstrengend. Da doch lieber in den Selbstbedienungs-Laden U21 greifen.
Von mir aus soll das alles so laufen. Ich habe ja nichts gegen Hinteregger und Wimmer, ganz im Gegenteil, das sind gute Jungs, die man auf der Rechnung haben muss. Von mir aus soll Koller das so handhaben: was zählt ist, dass er seine Einheit, seit Team für den Plan B zusammenkriegt.
Aber: wenn es so offensichtlich so wurscht ist, lieber ÖFB, schaff doch die Abrufliste, dieses nur noch Hohn spottende Verarschungs-Tool ab. Oder installier eine, die diesen Namen auch verdient.