Erstellt am: 19. 11. 2013 - 15:20 Uhr
Kohle gegen Treibhausgase
Mitarbeit: Arthur Einöder
Die UNO-Klimakonferenz sollte eigentlich weltweite Standards für den CO2-Ausstoß festlegen, sprich die Nachfolge für das so genannte Kyoto-Protokoll regeln. Eigentlich. Denn die Gespräche gelten bereits als gescheitert, bevor die Konferenz zu Ende ist.
Kyoto-Protokoll? Das war die Vereinbarung, um wieviel die weltweiten Treibhausgase reduziert werden sollen.
Treibhausgase? Die werden für die Erderwärmung verantwortlich gemacht.
Und selbst den polnischen Gastgebern scheint die parallel stattfindende Konferenz für "saubere Kohle" wichtiger zu sein. Saubere Kohle? Das ist die aktuelle Erfindung der Kohlelobby, um mehr Fördergeld für Kohlekraftwerke klarzumachen. Kohlelobby - ja die gibt's wirklich. Hier ist ihre Website und das ist das so genannte Warsaw Communiqué.
Im Gegensatz zur UNO-Klimakonferenz hat die Kohlelobby ein fixfertiges Papier in der Tasche. Und die Schlussfolgerung "neue Kohlekraftwerke sind effizienter als alte Kohlekraftwerke" sieht auf den ersten Blick auch schlüssig aus.
APA
Johannes Wahlmüller, Klimaschützer von Global 2000, beobachtet das Treiben in Warschau. Wir haben mit ihm telefoniert.
Claudia Unterweger: Haben wir das richtig verstanden, kann Kohle tatsächlich zum Klimaschutz beitragen?
Johannes Wahlmüller: Nein. Kohle ist der CO2-intensivste Energieträger, verantwortlich für vierzig Prozent der Elektrizitätsversorgung weltweit und damit der größte Einzelfaktor für CO2-Emmissionen. Also Kohle ist hauptverantwortlich für Klimawandel, könnte man auch sagen. Wir wissen also, dass wir den größten Teil unserer Kohlereserven unter der Erde lassen müssen. Das gefällt der Kohleindustrie nicht und deshalb versucht sie, mit dieser Parallelveranstaltung Aufmerksamkeit zu gewinnen und davon abzulenken, dass man aus Kohle aussteigen muss.
Wie wahrscheinlich ist es denn, dass tatsächlich die Kohle-Lobby als große Gewinnerin aus Warschau nach Hause geht?
Nach dem gestrigen Tag würde ich die Wahrscheinlichkeit als sehr gering einschätzen. Es gab massive Proteste von Umweltschutzorganisationen. Die haben erreicht, dass eine große Medienaufmerksamkeit gegeben hat. Die Kohleindustrie hat ja hier ihre Forderungen präsentiert. Sie hat gesagt, wir wollen Kredite wir wollen mehr Geld, um Kohlekraftwerke zu bauen. Und man kann sagen, sie haben sich nicht wirklich durchgesetzt. Denn sowohl die USA als auch die Weltbank oder die europäische Investitionsbank, sie alle kündigen an, dass sie aus der Kohlefinanzierung aussteigen wollen. Das Blatt konnte die Kohleindustrie hier sicher nicht wenden.
Eigentlich sollte mit der Warschauer Klimakonferenz ja die Nachfolge für das so genannte Kyoto-Protokoll geregelt werden, das demnächst ausläuft. Da geht es darum, dass sich Staaten bereit erklären, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Über eine Woche wird schon verhandelt und diskutiert. Wie schaut es denn da aus in Warschau, mit welchen Ergebnis rechnen Sie?
Heute reisen die Minister an und werden über die Texte entscheiden, die jetzt vorliegen. Die Enttäuschung ist vor allem bei Umweltschutzorganisationen sehr groß. Was jetzt vorliegt, sind nicht viel mehr als ein paar Überschriften, wie bei einem Inhaltsverzeichnis in einem Vertrag. All die Inhalte, die in den letzten Jahren ausgearbeitet wurden, da gibt’s es noch überhaupt keine Einigung. Das steht alles nicht in den Texten. Und das ist eigentlich zu wenig.
dpa
Sind die Philippinen eigentlich Thema auf der Konferenz, also der Taifun und der Zusammenhang mit dem Klimawandel?
Ja, schon. Es wird die Frage diskutiert: Wie geht man damit um, dass große Schäden in vielen Ländern entstehen, die selbst wenig zu Klimawandel beigetragen haben? Gibt es da einen Mechanismus, wird es Kompensation oder Unterstützung geben, um mit den Schäden klarzukommen? Das ist hier ein großes Thema.
Aber erhöht die Taifunkatastrophe nicht auch das Bewusstsein unter den Verhandelnden, jetzt müssen wir wirklich was weiterbringen?
Die Taifunkatastrophe hat die Stimmung bei den Verhandlungen sicher beeinflusst. Man darf es aber auch nicht überbewerten, denn die Länder haben ihre Positionen deshalb nicht verändert. Beispielsweise hätte ja auch die EU mit einem höheren Angebot nach Polen reisen können. Die EU hat ihre Ziele bis 2020 ja schon in der Tasche. Man weiß also bereits heute, dass man das Reduktionsziel praktisch schon erreicht hat. Man hätte hier einen Schub nach vorne machen können, dass man schon bis 2020 die Ambitionen erhöht. In diesen Verhandlungssträngen ist sehr wenig weitergegangen.
Also gewissen Staaten unter anderem europäische, lehnen sich zurück, sagen „Wie waren eh schon fleißig“ und kleinen Inselstaaten, die tatsächlich bedroht sind, sie haben nicht wirklich einen Auftrag auf dieser Weltklimakonferenz?
Die kleinen Inselstaaten verhandeln hier sehr intensiv mit und zwar mit dem Mut der Verzweiflung, weil sie wissen, sie wird es vielleicht bald nicht mehr geben. Aber sie können sich oft mit ihren Positionen nicht durchsetzen. Dementsprechend enttäuschend ist es, wenn zu so wichtigen Themen wie: Tun wir bis 2020 schon mehr? Können wir die Ambitionen erhöhen? auf hochrangiger Ebene nicht gesprochen wird.