Erstellt am: 17. 11. 2013 - 15:27 Uhr
Kein Bum-Tschak
„Wir können nicht immer nur Bum-Tschak, Bum-Tschak und bitchen auf der Bühne, wir müssen uns auch einmal grounden.“
Da trifft „Gustav“ Jantschitsch einen Punkt. Aber hat sie vielleicht „pitchen“ gesagt? Beim Styrian Stylez Festival hat an drei Abenden ein Spektrum Musik Platz wie höchstens auf einem sommerlichen Open-Air. Und beim Styrian Stylez wird – nomen est omen – regionalen respektive heimischen MusikerInnen eine Präsentationsfläche geboten. Dieses Jahr wurden DJs so gut wie ausgeklammert im Programm und der Austragungsort auf das Grazer PPC beschränkt. Das Interesse des Publikums war heuer eindeutig größer. Schön ist es jedes Mal, wenn die Aufmerksamkeit von der privaten Plauderei zur Bühne wandert, bis nur noch Musik ans Ohr dringt.
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Gustav also beschloss Samstagabend vor Saedi und den Sofa Surfers und White Locusts das Styrian Stylez. Nach langer Abwesenheit in Graz sang und spielte Gustav auch Stücke, die sie für Theaterarbeiten geschrieben hat. „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ zitiert sie Theodor W. Adorno zu Discobeats. Bestimmt war der Track etwa für einen speziellen Abend in Salzburg zu Goethes „Faust“. „Wir bauen Apparate zu fantastischen Zwecken“ ebenso. Die kluge Stimme von Eva „Gustav“ Jantschitsch hat man vermisst, das wird einem bei diesem Konzert so richtig bewusst. Momentan arbeitet Jantschitsch an der Musik für „Bye-bye Österreich!“, einem weiteren politischen Puppenspiel von maschek, Premiere ist am 21. November. Von einem nächsten Album kann noch nicht die Rede sein.
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„Das ist aber kein Hiesiger?“, fragt jemand im Publikum. Klumzy Tung wechselt nach einem seiner ruhigeren Lieder mit Gitarre von seinem Debüt „Happy Accidents“ zu einem Freestyle mit The Roots’ „The Seed“ als Basismelodie. Es gibt wenige Menschen, die schneller singen können als Klumzy Tung und dabei noch einen Sinn in ihren Aussagen treffen können. Partymusik könnte nicht gelungener sein und mit der neuen Liveband The Fumbly Thumbs setzt Klumzy Tung konsequent fort, was vor fünf Jahren in der Butterbar seinen Ursprung nahm.
König Leopold lässt warten.
Die Audienz ist auf eine Dreiviertelstunde Spielzeit beschränkt. Das kränkt Anhänger, die bislang jedes Konzert in Graz besucht haben und das Duo in der Kunstwelt verorten wollen. Leo Riegler bedient sich seines Gesangs als Instrument, die geschnetzelte Sprache und das Schlagzeugspiel von Lukas König treiben einander an. Zum vierten Mal in der Stadt, hat König Leopold diesmal kleine Showelemente geplant. In einem Pikachu-Cosplay-Onesie kommt eine Frau auf die Bühne, und den Track „Holla Bitch“ möchte man gern als Persiflage auf Rapposen verstanden wissen. „Bitch, Bitch, Bitch“, siehe Gustavs Aussage.
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Im Publikum ruft einer konsequent „Langweilig“ in jede Applauspause hinein. Ein doch recht billiger Blasphemie-Versuch wird unternommen, wobei das eventuell zuviel der Aufmerksamkeit durch Interpretation sein könnte. MC Rhine, zuvor im Pikachu-Kostüm, wechselt ins Nonnen-Outfit, gibt Riegler aus einer Bierdose zu trinken, ehe König ihm als Henker mit Kapuze ein Schlagzeug-Becken vom Kopf stößt. Trio Cuvée mit steirischer Harmonika und Beats würdigen Königleopold tags darauf mit einem Remix.
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Ein Hoch dem Kürbis Label
Thalija betören. Nach wenigen Minuten wünschen sich ZuhörerInnen Liegestühle. Dann wäre der Blick frei auf den dritten Gitaristen und den Keyboarder im Raum, die auf der kleinen Bühne in der PPC-Bar keinen Platz mehr fanden. Zum Bass von Robert Laimer fügen sich fünf Musiker und Musikerin Eloui an der verstärkten Ukulele und am Bass. Geiger Kurt Bauer wurde kurzfristig nach dem Konzert mit Matthias Forenbacher hinzu kuratiert. Kontrabass, Geige, Mundharmonika sowie Gitarre und Forenbachers Stimme entführen nach Nordamerika. Genau genommen in Kanada hat Forenbacher eine Band, The Bisons, mit der er nach „Life Vest“ auch das kommende Album aufgenommen hat. Darauf wird sich Matthias Forenbacher verstärkt auf Europa beziehen. Sein Blick beschränkt sich nicht auf einzelne Länder. Griechenland und Spanien, alle KontinentsbewohnerInnen wie wir. Gegenwärtige Zustände versucht Forenbacher mit Collagen anzusprechen. Als sehr politisch in Texten kennt man Gustav, Forenbacher verschränkt Geschichten.
Wie Thalija gehört Matthias Forenbacher zu jenen, deren Alben auf Pumpkin Records erscheinen. Label-Betreiber Wolfgang Pollanz veröffentlicht mit der Edition Kürbis auch Literatur, anfangen mit Texten Barbara Frischmuths bis zu Anthologien heute junger AutorInnen. Bender ist der musikalische Neuzugang bei Pumpkin Records. Sängerin Rebecca Hofer hat nur eine gebrannte CD mit. Die Nachfrage wäre ungemein größer. Von Downtempo Triphop und einem barfüßigen Auftritt wird mir berichtet und geschwärmt.
Währendessen erinnerten Witchrider im großen Saal Freunde der heftigeren Gitarrenmusik an eigene Jugendtage, wo man auf Bandwettbewerben in dreißig Sekunden alle einem bekannten Gitarrenriffs spielte und schnellstens von der Bühne ging. Oder auch zu siebt und alle samt Gitarristen antrat. Gesang zu brüllen ist ohnehin eine eigene Kategorie. Das Styrian Stylez hat abermals gezeigt, wie viel Talent hierzulande vorhanden ist. Und wieviele ihre Instrumente mehr als beherrschen.