Erstellt am: 17. 11. 2013 - 18:10 Uhr
The daily Blumenau. Weekend Edition, 16/7-11-13.
Seit der NR-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen. Und das immer mit Items aus diesen Themenfeldern.
In der Wochenend-Gratissackerl-Zeitung meiner Wahl gab es diese Beilage, ein "Beste Seiten" betiteltes, kleinformatiges Extrablatt zur Montag beginnenden Buch Wien 13. Sie wird einer dieser Papierstöße sein, die dort gratis aufliegen, von allen mitgenommen und den wenigsten wirklich angeschaut; wie es halt bei Messen dieser Art so üblich ist.
Das interessante an dieser Beilage ist nicht so sehr die Tatsache, dass sie vom VÖZ, dem Verband österreichischer Zeitungen, herausgegeben wurde, sondern die Umstände, mit denen sich da die Printmedien mit dem Medium Buch gemein machen. Das findet nicht in den einzelnen Beiträgen statt, wo Zeitungs-Redakteure Bücher rezensieren oder Autoren-Interviews führen, sondern im Editorial. Dessen Schlusssatz lautet: "Vielleicht ist es uns auch gelungen, Sie nicht nur auf ein Buch aufmerksam zu machen, sondern Ihr Interesse für eine Zeitung oder ein Magazin zu wecken."
Abgesehen davon, dass meine persönliche Erweckung das reine Erstaunen über die schiere Masse an offenbar ganz bedeutenden Kirchen- und Diözesan-Blättern (der Martinus, die aus Eisenstadt, rezensiert sogar unseren Stermann, innerhalb des VÖZ ist, sagt diese nur oberflächlich logische Zusammenführung eine Menge über die Art, wie hierzulande der Abwehrkampf gegen die digitalen Medien geführt wird, aus.
Lassen wir beiseite, dass Herausgeber Claus Reitan in seinem Text "Die Zukunft der Medienwelt" den längst widerlegten Internet-macht-blöd-Paniker Manfred Spitzer zitiert: Nach ein paar Daten, die belegen, dass die U30 sich Unterhaltung aus dem Fernsehen, soziale Kommunikation und Info-Schlagzeilen aus dem Netz holt und zu drei Viertel der Menschen längere Texte (egal wo) gar nicht mehr lesen, kommt der (kompliziert über ein Kinder-Psychologie-Beispiel verschachtelte) Rettungs-Ansatz: das Buch.
Im Editorial ist der VÖZ-Vizepräsident deutlicher: Lese-Kompetenz gibt's durch regelmäßige Zeitungslektüre. Dem stellt Reitan auf der nächsten Seite wiederum eine Untersuchung entgegen, dass das Interesse an Politik, Wirtschaft, Lokalem und Kultur, also den zentralen Themen der Print-Medien, massiv nachgelassen hat. Widersprüche ohne Ende also.
Irgendwie will und muss man sich aber trotzdem dranhängen, an das Buch, das Medium, das sich (allen kindle-ebook-Hörbuch-Ansätzen zum Trotz) so bravourös zu halten scheint.
Stimmig ist das nicht.
Denn der Print-Markt hat sich ja eh schon angepasst: Längere Texte gibt's in der Tagespresse sowieso nur noch in minimalen Dosen am Wochenende. Bis auf den erwähnten Reitan-Text trifft das im übrigen auch auf die "Besten Seiten" zu.
Die Tagespresse-Texte sind kurz, zu oft gecopypasted und so vorhersehbar angelegt, dass es ohnehin reicht, stichprobenartig reinzustoßen. Da guter Journalismus, also einer, der Geschichten erzählt, die die Leserschaft reinzuziehen vermag, im Tagesgeschäft sowieso so gut wie nicht vorkommt, ist der dauernde implizite Vergleich mit dem Buch irgendwie fast schon obszön.
Zudem, und das zeigt auch die Hudriwusch-Auswahl in diesem Buch-Wien-13-Extrablatt, ist Buch ja auch nicht gleich Buch. Neue erfrischender Literatur und routiniert auf eine Erwartungshaltung hingeschriebene Schein-Sachbücher oder romanähnliche Glutamat-Serien haben miteinander so viel zu tun wie der Guardian mit Österreich.
Und das ist das eigentlich Nervige an Unterfangen wie diesen: dass auf die Art des Mediums gepocht wird, als würde es etwas bedeuten.
Tut es aber nicht. Jedes Medium ist einmal leer.
Eine Erscheinung in Zeitungs- oder Zeitschriftenform bedeutet genau nichts: Auch hinter der feingeistigsten Aufmachung können Bildzeitungs-Inhalte stehen.
Und genauso bedeutet "Buch" nicht automatisch erbauender Wissens- oder Emotions-Transfer - auch unter dem elegantesten Buchdeckel kann Mein Kampf lauern.
Denn die Verbrechen, Morde und auch Genozide, die innerhalb der Gutenberg-Klammer durch Bücher und Printmedien mitverschuldet oder auch alleinverantwortet wurden, all die Kampagnen, all die Hetze, all der Rassismus, all die gewinnsüchtige Niedertracht, die gehen auf keinerlei Kuhherden-Haut.
Deshalb sind die Schuldzuweisungen, mit denen das Ancien Régime die digitale Revolution überhäuft, auch so unfassbar lächerlich - man findet nur Pimperl-Argumente und die bleiben im Konservativ-Prognostischen hängen; angesichts der realen Gräuel, die man als Medium selber mitverschuldet hat, eine reichlich virtuelle (also im Selbstverständnis doch eigentlich bekämpfenswerte) Sache, alles ganz schön lächerlich.
Am Lächerlichsten natürlich dort, wo der Diskurs zum Thema fast völlig fehlt und dann nur billige Propaganda übrig bleiben kann: in Österreich und seinem vom Print-Sektor so unendlich plump geführten (und auch völlig sinnlosen) Abwehrkampf gegen das Unvermeidliche, nämlich den zunehmenden Einfluss von Netzangeboten.
Solange sich die Print-Lobby mit einer reinen Formal-Argumentation begnügt, also ein Medium, dessen Bedeutung zurecht schwindet (Zeitung) oder in der bildungsbürgerlichen Definition des 19. Jahrhunderts gefangen bleibt (das gute Buch) als das per se Gute-Wahre-Schöne darstellt, wird sie sinnlos Ressourcen verpulvern.
Nicht das Medium ist gut oder böse, es sind ausschließlich ethisch/moralisch einordenbare Inhalte. Printmedien, vor allem die Tagespresse, sind dafür aber längst kein role model mehr. Und auch der Buchmarkt, der sich letztlich bereits kampflos an das oberflächliche Sachbuch und die dumpfe Schund-Literatur verkauft hat und von Literatur und Bildung so weit entfernt ist wie die Erde vom Mond, hat keine diesbezüglichen Rechte mehr. Das wäre aber wieder eine andere Geschichte.