Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Goodbye Lou"

Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

15. 11. 2013 - 07:14

Goodbye Lou

New York hat sich mit einem Public Memorial von Lou Reed verabschiedet und Laurie Anderson hat Yoko Onos Rosen unter Fans und Freunden verteilt.

So steht der Rotbart mit einer Rose vor mir und ich frage ihn unschuldig, wo er sie denn her hat. "Von der alten Frau da drüben. Weißt du, wer sie ist?" "Das ist Laurie Anderson, seine Witwe". Der Rotbart weicht zurück, als hätte er Angst, ich würde ihm die nun als kostbar identifizierte Reliquie entwenden wollen. "Wow!", sagt er.

Yoko Ono hat die Rosen gestiftet, Laurie Anderson hat sie unter Fans und Freunden verteilt. Ich würde auch gern eine haben, aber ich muss ja unbedingt fotografieren. "Lou hätte sich schief gelacht", raunt mir eine Downtown-Veteranin, in der Hand eine alte Kamera, zu. "Hunderte New Yorker, die sich gegenseitig fotografieren." Stimmt. Sogar Laurie Anderson hat eine Spiegelreflex geschultert. Sie lächelt, wie man nur lächeln kann, wenn man gelernt hat, loszulassen. Sie lächelt wie eine Zen-Meisterin.

Lou Reed

Jean Baptiste Mondino

"Keine Reden, kein Konzert, bloß Lous Musik", stand in der Facebook-Ankündigung für diesen öffentlichen Gedenkdienst. Hunderte Fans und Freunde haben sich am Plaza des Lincoln Center versammelt. Nach dem Kälteeinbruch zu Wochenbeginn ist das Wetter gnädig. Die Herbstsonne spiegelt sich im großen Pool, der an die berühmte Metropolitan Opera grenzt. Das Lederjackenaufkommen ist standesgemäß. Der kleine Park inmitten der Hochkultur-Tempel ist von Verstärkertürmen umzingelt. "I won", um es mit Walter White zu sagen.

"But you keep me hanging on": Lou-Reed-Nachruf von Boris Jordan.

Los geht es mit dem Titelstück des 1982er Albums The Blue Mask. "Please don't set me free/death means a lot to me". Das sorgt bei den zufällig Anwesenden für etwas Irritierung. Das von Anderson und Freunden zusammengestellte Musikprogramm umfasst in Folge alle Karriere-Stationen: Pale Blue Eyes, Sister Ray, Set The Twilight Reeling, Dirty Blvd, Sweet Jane und natürlich Perfect Day und Walk On The Wild Side. Die Atmosphäre ist festlich, was nicht wenig mit der herzlichen Energie zu tun haben dürfte, die Laurie Anderson ausstrahlt.

Laurie Anderson

Christian Lehner

Die Menschen sind Mensch. Sie plaudern, lachen, tanzen, hocken in Trauben am Boden, sitzen einzeln da, sinnieren über, träumen von, tauschen Erinnerungen aus und gehen wieder ihres Weges. Unter den Versammelten befinden sich viele Downtown-Cats und ehemalige Wegbegleiter. Ich erkenne Bob Gruen und Joseph Arthur.

"Natürlich wird er der Stadt fehlen", sagt eine ehemalige Mitarbeiterin. "Man hat ihn und Laurie Anderson überall getroffen. Hey, was ist los? Where's the show? So etwas gibt es heute nicht mehr. Er war ein Visionär, der andere Visonäre gefördert hat und das bis zur letzten Minute. Von wegen grumpy old man!" Am Ende faucht die Metal Machine Music aus den Boxen. Da grinsen nicht wenige. "I won" indeed.