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Roland Gratzer

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14. 11. 2013 - 16:02

Assassins of the Caribbean

Kein Blockbuster-Spiel lehnt sich politisch weiter raus als Assassin's Creed. Im neuesten Teil namens "Black Flag" morden und brandschatzen wir durch das goldene Zeitalter der Piraterie.

Die Voraussetzungen waren schlecht. Gerade einmal ein Jahr ist erst vergangen, seit der dritte Teil der Serie erschienen ist. Naja. Eigentlich war es der fünfte. Aber der dritte offizielle. Wobei die anderen zwei Zusatz-Spiele ja eh... Egal. Bei der Assassin's Creed Reihe ist es wie bei A Song of Ice and Fire und der Wahrheit über das Budget: Zahlen sind immer eine Tochter der Zeit. Was bei Teil 3 aber wirklich allen getaugt hat, ist nun von der Sättigungsbeilage zum Filetstück geworden: Das Schifferlfahren.

FM4

User Beatmaster hat es schon vor einem Jahr festgestellt. Das Beste an Assassin's Creed 3 waren die Piraten-Missionen, die mit dem eigentlichen Handlungsstrang rund um den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gar nix zu tun haben. Aus dieser Neben-Mission ist mit "Assassins Creed IV: Black Flag" nun das beste Piratenspiel seit "Sid Meier's Pirates" geworden.

Assassins Creed 4

Ubisoft

Leicht erlernbares Segeln trifft auf wunderschön gezeichneten Wellengang, begleitet von dreckigen Seemansliedern.

Worum geht's generell?

Etwas spät sind nun auch die Leute bei Ubisoft auf einen seit Jahren anhaltenden Trendzug aufgesprungen: Die Verklärung des sogenannten "Goldenen Zeitalters" der Piraterie von 1690 bis 1730, mit einer Kür zwischen 1714 und 1722. Piraten gab es zwar immer schon, dieser Ausreißer der anarchistischen Seeräuberei in der Karibik hatte aber mehrere Gründe: Die führenden Seefahr-Nationen England, Frankreich, Spanien und ein wenig Holland waren ständig im Krieg miteinander. Weil der Schauplatz aber weit weg und Schiffe immer schon teuer waren, wurde der Krieg an Privatunternehmer ausgelagert. Die durften rauben und töten, wen sie wollen, solange das Opfer unter verfeindeter Flagge segelte. Ein gutes Geschäft.

Gleichzeitig hatten große Teile des maritimen Proletariats genug von offiziellen Marinen, schlechter Verpflegung, niemals bezahltem Sold und Sklavenarbeit auf Handelsschiffen. Sie nutzten die quasi nicht existente Staatsgewalt und schlossen sich zu Piratengruppen zusammen, die teilweise einem völlig egalitären Gesellschaftsprinzip entsprachen. Es gab eine Art Krankenversicherung, demokratische Entscheidungsprozesse und viel Rum. Dennoch: Letztlich ging es um Mord, Raub und Vergewaltigungen.

AC4 Plakat

Roland Gratzer

Wie auch die Piraterie verlässt sich das Marketing für AC4 auf eine Mischung aus anarchistischer Phrasendrescherei und Marktwirtschaft. Funktioniert irgendwie.

Zwei Absätze historischer Exkurs sind etwas viel für einen Bericht über ein Computerspiel? Sicher nicht. Immerhin handelt es sich hier um Assassin's Creed. Die Reihe ist seit Teil 1 eine interaktive Reise durch die Geschichte unserer Zivilisation. Kreuzzüge, die italienische Renaissance, der Fall von Konstantinopel, der Kampf der amerikanischen Kolonien gegen England und jetzt eben ein sozialromantisch verklärtes Kapitel des internationalen Seehandels. Eingebunden in den ewigen Kampf zwischen Assassinen (gut) und Tempelrittern (böse) brettern wir wie ein TGV durch wunderschön animierte Wikipedia-Artikel und treffen auf historisch verbriefte Persönlichkeiten. Wir haben schon Päpste im Petersdom attackiert, Kirchen ausgeraubt und eine Blutfehde gegen die Borgias gestartet. Obrigkeit und Ordnung gilt es seit Teil 1 zu bekämpfen. Wobei: Eigentlich laufen wir über Dächer, töten Menschen und stehlen Schiffsladungen. Aber es ist trotzdem lehrreicher als "Hitlers Versteher" Guido Knopp.

Ubisoft

Worum geht's konkret?

Wir spielen mit Edward Kenway. Der ist der Großvater von AC3-Protagonist Connor Kenway und verfolgt nur ein Ziel: reich werden. Dafür dient er zuerst mal den Templern und dann den Assassinen. Er hält vergleichsweise wenig aus und stolpert aus Naivität und Draufgängertum von einer heiklen Situation in die nächste. Abgesehen vom Segeln durch die wettermäßig sehr unstabile Karibik konzentriert sich die Landratten-Handlung auf die Städte Havanna, Kingston und Nassau sowie mehrere kleine Dörfer und Inseln. So wie der Kontext ist auch das Handling weit anarchistischer als früher. Die Staatsgewalt ist nicht mehr so nervig und solange mich keiner beim Morden sieht, muss ich mich auch nicht minutenlang im Heuhaufen verstecken. Wobei: In Teil 4 sind es Palmwedeln. Dafür sind die Kämpfe nicht mehr ganz so leicht und die künstliche Intelligenz der Gegner nicht mehr ganz so klassisches österreichisches Pisa-Ergebnis.

Ubisoft

Die Tierschutzorganisation PETA kritisierte die Walfang-Missionen im Spiel. Ubisoft konterte geschickt und erklärte, dass das Spiel ja auch die gezeigten Verbrechen und Saufgelage als nachahmenswert darstellen würde.

Und sonst?

Obwohl sich Teil 4 auch nach ein paar Stunden immer noch eher wie ein Add-on als ein eigentständiger Teil anfühlt: Trotz kurzer Vorbereitungszeit ist "Black Flag" dank zahlreicher Änderungen (kein Desmond Miles mehr!), einem fantastischen Soundtrack (Piratenlieder immer und überall!) und sympathischer Selbstironie (Abstergo Entertainment) der unterhaltsamste Geschichtsunterricht seit "Es war einmal der Mensch". Wobei: Solange ich über Dächer rennen und Feinde im Luftangriff zur Strecke bringen kann, sind Jahrhundert, Uniform der Feinde und die Rahmenhandlung egal. Da halt ich's mit dem Credo der Assassinen: Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt. Selbst das:

AC4

Ubisoft, NFL