Erstellt am: 14. 11. 2013 - 11:29 Uhr
Männer brauchen viel Zärtlichkeit
Schwierig. Junot Diaz bemüht in seinem aktuellen, vor kurzem auf Deutsch erschienenen Kurzgeschichtenband "Und So Verlierst Du Sie“ wieder einmal – fast durchgehend - einen bis zum Anschlag überspannten männlichen Blick; dermaßen aufdringlich, so dass auch der letzte Idiot hoffentlich kein großes Mitleid mehr mit den Protagonisten des Buches haben wird, wenn sie am Ende alleine dastehen.
"Du hast meinen Namen geflüstert, wir sind umschlungen eingeschlafen, und ich weiß noch wie du am nächsten Morgen verschwunden warst, vollkommen verschwunden, und nichts in meinem Bett oder dem Haus hätte das Gegenteil beweisen können."
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Das große Thema von Junot Diaz ist, wie so oft, die Liebe bzw. die Unfähigkeit zur Liebe. Oder auch das Verwechseln von Liebe mit Sex. Teils mit voller Absicht. Ehebruch, Ficken, kurze Abenteuer ohne Hoffnungsschimmer auf eine bessere Zukunft. Der 1986 in Santo Domingo, Hauptstadt der Dominikanischen Republik, geborene Diaz hat das schon in vielen seiner Texte verhandelt, auch in dem 2007 erschienenen Roman "Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao", der ihm den Pulitzer-Preis eingebracht hat. Seither ist Diaz literarischer Shootingstar, füllt die Hörsäle und reißt die Menschen mit seiner rohen, körperlichen Prosa, die sicherlich auch vom Frühwerk Philip Roths beeinflusst sein dürfte, von den Stühlen.
EPA/Alejandro Garcia
Fast alle Kurzgeschichten in "Und So Verlierst Du Sie" handeln von Yunior, dem Alter Ego von Diaz. Genauso wie Diaz ist Yunior als Kind aus der Dominikanischen Republik nach New Jersey gekommen. Die Geschichten erzählen von Yunior als Teenager, als jungem Mann, später als Dozenten an der Universität. In einem ostentativ knappen und flapsigen Ton erfahren wir von Yuniors amourösen Abenteuern in denen er so gut wie immer als Betrüger, Fremdgeher und grundsätzliches Arschloch gezeichnet wird.
Diese Stories über junge Männer zwischen maßloser Selbstüberschätzung und unendlichem Selbstmitleid koppelt Diaz mit einem Sozialrealismus von altem Graubrot. "Und so verlierst du sie" berichtet ebenso wie von den Verwirrungen in Herz und Unterleib von großer Armut und den Problemen dominikanischer Einwanderer in den USA. Von Rassismus, Religion und dem Leben am untersten Ende der Fahnenstange.
"Du warst früher schon ein paarmal dort, verdammt, deine Familie hat sich aus so einem Loch herausgearbeitet. Slums, in denen es keine Straßen gibt, kein elektrisches Licht, kein fließendes Wasser, kein Stromnetz, gar nichts, hingerotzte Häuser, eines über dem anderen, überall Matsch und Baracken und Mopeds und Plackerei und dürre, lächelnde Idioten ohne Ende, als wären sie vom Rand der Zivilisation gefallen."
In einer der besten Geschichten des Buches schlüpft Diaz in die Rolle einer Frau. Eine junge Wäscherin, die in den USA unter widrigsten Umständen nach einem halbwegs ertragbaren Leben sucht und – selbst wenn auch sie vor den Fallstricken einer falschen Liebe nicht gefeit ist – die stärkste, vernünftigste und einnehmendste Figur in „Und So Verlierst Du Sie“ ist.
„Ana Iris hat mich einmal gefragt, ob ich ihn liebe, und ich habe ihr von den Lampen in meinem alten Zuhause in der Hauptstadt erzählt, die ständig flackerten und man wusste nie, ob sie ausgehen oder nicht. Man hat weggelegt, was man in der Hand hatte, und gewartet, weil man nichts machen konnte, bis sich die Lampen entschieden hatten. So, habe ich gesagt, fühle ich mich auch.“
S.Fischer
Man muss sich beim Lesen von "Und So Verlierst Du Sie" nun aber eben immer auch ein bisschen bemühen, zu bemerken, dass die Figur Yunior freilich nicht tatsächlich 1:1 dem Autor Diaz entspricht. Das Buch protzt nur so von Machismo, dass einem übel werden kann. Frauen tauchen fast nur als Geliebte, Mütter, Keifende, Heulende und Verlassene auf. Das alles ist über weite Strecken sehr unsympathisch - und genau so soll es wohl sein. Am Ende stehen dann natürlich die Typen als Versager da. Es kommt auch zu leisen Erkenntnissen im Gewissen der Hauptfigur. Keine brennend neue Einsicht, Diaz vermittelt sie aber mit einer im besten Sinne merkwürdigen Mischung aus vulgärem Witz und emotionaler Kälte.
"Statt den Kopf einzuziehen und es einzustecken wie ein Mann, hebst du das Tagebuch auf, wie jemand eine vollgekackte Windel aufheben würde, wie jemand mit spitzen Fingern ein gerade abgestreiftes Kondom anfassen würde. Du wirfst einen Blick auf die anstößigen Stellen. Dann siehst du sie an mit einem Lächeln, das dein Heuchlergesicht nie vergessen wird, solange du lebst. Süße, sagst du, Süße, das gehört zu meinem Roman. Und so verlierst du sie."
Junot Diaz zeigt ein fast schon archaisches Weltbild, Rollenklischees und Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Das ist tiefdeprimierend und in Hinblick auf das fehlgeleitete Verhalten der Männer oft unangenehm komisch. So genau wollte man das vielleicht gar nicht mehr wissen. „Und So Verlierst Du Sie“ sagt, dass es so wie es ist, oft wirklich alles andere als gut ist. Und hinterlässt ein mulmiges Gefühl.