Erstellt am: 13. 11. 2013 - 20:51 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 13-11-13.
Seit der NR-Wahl online: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen. Und das immer mit Items aus diesen Themenfeldern.
Wer's noch nicht gesehen hat: der Offene Brief des österreichischen Fußball-Nationalteams an die Tageszeitung Österreich war mir kurz nach seiner Aussendung um 12.30 Uhr eine Extra-Ausgabe wert - nicht nur wegen des Tabu-Bruchs, den Medien-Boulevard einmal mit dem Dreck, den er fabriziert, öffentlich zu konfrontieren; sondern natürlich auch, weil die hochproblematischen Beziehungen zwischen der Sport-Branche und den Medien seit Jahren ein zentrales Thema meiner Veröffentlichungen sind.
Dazu passt das nächste Thema da auch ganz gut.
Boulevard machen ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht
#medien
Zuerst wurde es Anfang des Jahres als Testlauf avisiert, von der Konkurrenz, deren vordringliche Aufgabe es ist Unruhe zu schüren. Dann war es Anfang September, ganz unauffällig wieder da: das Projekt Standard Kompakt, die kleinformatige Mini-Ausgabe der großformatigen Qualitäts-Zeitung, die gratis in der Wiener U-Bahn verteilt wurde, wohl auch um zu probieren, was bei einem an "Heute" geschultem Publikum so geht.
Gestern ist mir ein solcher Standard-Kompakt erstmals auch in der Trafik begegnet. 1 Euro 10 kostet er. Und es dürfte sich um einen weiteren Test an ausgesuchten Standorten handeln.
Das ist natürlich ein wildes, aber hochinteressantes Experiment - ein Kleinformat mit Niveau. Ich weiß wovon ich spreche, ich war Teil eines (letztlich gescheiterten) Experiments, das genau diese Marktlücke ge/versucht hat: Kleinformat mit gesellschaftspolitischem Anspruch, aber eben auch optischem Witz und durchaus boulevardeskem Pep: die der SPÖ entrissene AZ unter Robert Hochner (und Nachfolgern) zwischen 1989 und -91.
Mit leichten Wonneschauern erinnere ich mich an Schlagzeilen wie "Der Bruder hing am Heizungsrohr" (zu Zeiten der rumänischen Revolution, Ceaușescus Bruder war gemeint), mit Freude erinnere ich mich an die intellektuelle Auseinandersetzung im und um das Blatt, mit teilweisem Entsetzen an die Auseinandersetzungen zwischen Old-School-Hardlinern und den jungen Wilden, und mit Vergnügen an die Möglichkeiten, kultur- und gesellschaftspolitisch Diskurse zu eröffnen.
Diese kurzzeitige AZ hatte durch ihre Hybrid-Form Möglichkeiten, über die in ihrer Erstarrung gefangene Qualitätspresse ebensowenig verfügte wie der in anderer Art zwischen Anspruch und Boulevard gefangene Kurier. Wie dieses Experiment dann durch Druck dieser Konkurrenz und vor allem mittels Inseraten-Politik (quasi dem Gegenteil der Aufpäpplung, die Österreich/Heute/Krone widerfahren ist) bewusst abmontiert wurde, ist eine andere Geschichte.
Hier die etwas höflichere, aber inhaltlich genauso scharfe Kritik eines mir unbekannten Bloggers.
Der Standard-Kompakt belegt nun, über zwanzig Jahre später, dass man im Print-Betrieb locker auf der Stelle treten kann, ohne sonderlich aufzufallen. Ein über 30-seitiges Kleinformat-Ding so altbacken, graphisch potthässlich, inhaltlich unstrukturiert und in einem großformatigen Abspruchdenken gefangen hinzustellen, ist auch wieder eine Kunst.
Und das hat wenig mit Verklärung zu tun: Ich habe unlängst - entrümpelungsmäßig - die alten AZ-Ausgaben in der Hand gehabt und mir ist dabei das passiert, was sonst nur bei der taz funktioniert: dass ich anhand einer Titelseite die Zeit eingefangen finde, einen ironisch-politischen Twist mitbekomme und auch noch was zu Grinsen habe.
Wie der Standard-Kompakt mit Raum, Bildern, Überschriften, Inseratenverteilung, Gewichtung und Zeitungs-Ästhetik umgeht, spottet zumindest meiner Beschreibung eines sowohl formschönen als auch inhaltlich interessanten Print-Mediums. Die gegen alle Regeln der Graphik und Gestaltungskunde produzierte Kronen-Zeitung hat mehr optische Seele.
Es genügt eben nicht, ganz viel Chronik und noch eine Innen-Doppelseite zum Taifun zu machen, wenn man die Blatt-interne Hackordnung in der Reihung in aller Muffigkeit riechen kann.
Sich mit einem solchen hässlichen Produkt gegen den U-Bahn-Kaiser Heute durchsetzen zu wollen, ist illusorisch. Und, als Standard-Abonnent darf ich das sagen: lieber Otto Leserbeauftragter, sowas will ich auch nicht anstelle des Berliner Formats im Postfach/auf der Türmatte liegen haben.
Boulevard-Machen, und sei es nur Format-technisch, ist eben auch eine Kunst, an der sich nicht ein jeder versuchen sollte. Vor allem nicht mit der Arroganz, was besseres zu sein.
Standort- und Machtfragen und das Wissen um "richtig"
#museen #machtpolitik
Weil ich vorhin aus dem eigenen Erfahrungsschatz zitieren durfte: Wenn Fragen des Standorts zur Causa Prima werden, ist mittlerweile jeder ORF-Mitarbeiter auch Experte. Die Debatte kocht seit Jahren hoch. Ob jetzt, wie gehabt verstreut (mit gerettetem Funkhaus), konzentriert in einem Neubau in einem der Gemeinde Wien genehmen Gebiet, oder doch alles am allzu denkmalgeschützten Küniglberg - darüber lässt sich stundenlang fachgerecht streiten, ohne eine Lösung finden zu müssen.
Standort-Fragen sind eben komplexe Angelegenheiten.
Das hat auch die Gemeinde Wien festgestellt, die rund um das Wien-Museum am Karlsplatz seit Jahren eine solche Debatte führt. Seit gestern ist die Entscheidung da: Man wird nicht in eines der neuen Gewerbegebiete (in diesem Fall beim neuen Zentralbahnhof) ziehen, sondern am Karlsplatz bleiben und sich dort ausbreiten - mit neuen Anbauten und besserer Synergie vorhandener Einrichtungen.
Diese Entscheidung ist im Sinn des Direktors: Wolfgang Kos hat diese Lösung gefordert, um eines der besten Stadtmuseen Europas hinzukriegen.
Diese Entscheidung widerspricht dem Ansinnen des Kulturstadtrats: Andreas Mailath-Pokorny hatte sich das anders vorgestellt.
Abgesehen davon, dass ich ein wenig überrascht bin, dass diese Frage nicht im Sinne des Auftraggebers behandelt wurde (was einem den Glauben an ein Gesamtkonzept von Stadtplanung zurückgibt), gilt es festzuhalten, dass trotz durchaus freudiger Begrüßung dieser Entscheidung es nur Verlierer gibt. Der durchaus allmächtige Stadtrat, der Personal- und Subventions-Entscheidungen in Wien mehr oder weniger alleine trifft, also k.u.k.-ähnliche Gewalt hat, was Kulturpolitik betrifft, hat eine Delle abbekommen. Und der Direktor wird die Neugestaltung nicht mehr miterleben. Nach zwei Fünf-Jahres-Verträgen seit 2003 wurde er zuletzt noch für zwei Jahre (also quasi übergangsmäßig) bestellt; vom Stadtrat, dessen Position er offen und öffentlich bekämpft hatte.
Ich bin in dieser Angelegenheit durchaus parteiisch, Wolfgang Kos war mein Lehrer bei der Ö3-Musicbox, seine journalistischen Zugänge, seine unzähmbare Neugier, sein sprudelnder Ideenreichtum poppen bei jeder Herausforderung vorbildhaft vor meinem geistigen Auge auf. Und Kos kann und will nicht anders als sich für die (richtige) Sache einsetzen, auch wenn es politisch unklug ist.
So ist es auch hier geschehen und prompt wird die Museums-Leitung noch heuer ausgeschrieben, 2015 soll die Übergabe stattfinden. Weil Kos für die falsche Lösung war, die jetzt absurderweise doch die richtige ist, ganz offiziell.
Er verliert, der Stadtrat hat verloren, aber vor allem: wir werden verlieren. Denn die eigenwillige, anfangs oft verdreht wirkende Herangehensweise, mit der sich Kos seinen Themen nähert, ist letztlich fast immer die richtige; wie auch in der Standortfrage. Und praktisch jede Ausstellung, die Kos im Wien-Museum verantwortet hatte, war richtig; ein Puzzleteil der Alltagsgeschichte dieser Stadt, egal ob es tief in die Historie oder nur zurück in die 1950er ging, egal ob man viel Material oder nur einiges an kluger Textur hatte. 90% der Austellungen waren nicht nur stimmig, sondern auch, ja, mir fällt kein besseres Wort ein, richtig; genau passend.
Genau das ist Kos' große Stärke. Das hat der Stadtrat wohl nicht richtig eingeschätzt. Sonst hätte er sich in der Standortfrage nicht so entzweit, sonst hätte er gewusst, dass Kos einfach nicht ganz falsch liegen kann. Klar, er konnte es nicht wissen, weil Kos nicht sein Lehrer war und weil er allzu viele, viel zu viele Entscheidungen treffen muss, wer übernimmt das Volkstheater und andere schreckliche Dinge, da möchte man nicht tauschen, aber letztlich hätte er es ahnen können, ahnen müssen, das mit dem richtig. Jetzt ist das Porzellan zerbrochen, schade.