Erstellt am: 12. 11. 2013 - 10:48 Uhr
Tod einer Band
Es grenzt an ein publizistisches Wunder, dass die New York Post, Rupert Murdochs darniedergehende Boulevard-Gazette mit aggressiv reaktionärer Blattlinie, in den Berichten zu der Bluttat rund um die Band The Yellow Dogs bisher noch keinen Verdacht in Richtung Terrorismus oder Spionage geäußert hat. Immerhin sind der Täter und die Opfer nicht nur durch die gemeinsame Passion des Indie-Rockens miteinander verbunden, sie waren auch iranische Staatsbürger.
Das reicht üblicherweise für Spekulationen aus Tausendundeiner Nacht. Dass die Welt des Rock'n'Roll aber gar keine Scharfmacher aus sensationslüsternen Schreibstuben benötigt, zeigen viele der Comments in Userforen oder der Social-Media-Sphäre. Die Kombination "Brooklyn", "Indie Rock" und Hipsters“ scheint mittlerweile ein Garant für faule Witzchen und hämische Kommentare. Der Tod von vier jungen Musikern macht da keinen Unterschied, auch wenn es sich bei den Involvierten nicht gerade um die übliche Klientel mit dem verbrämten H-Wort handelt.
Dave Sanders
Tathergang
Die Morde passierten in der Nacht von Sonntag auf Montag im Stadteil East Williamsburg/Bushwick. Der 29-jährige Bassist Raefe Ahkbar von der Band Free Keys verschaffte sich über das Dach eines benachbarten Gebäudes Zugang zum Haus 318 Maujer Street, wo die Yellow Dogs lebten und sich als Anlaufstelle für iranische Künstler anboten. Er war mit einem halbautomatischen Sturmgewehr bewaffnet, das er in einem Gitarrenkoffer versteckte.
Bevor Ahkbar in das Haus einstieg, erschoss er durch ein Fenster im zweiten Stock den Graffiti-Künstler und Sänger Ali Eskandarian, der gelegentlich mit den Yellow Dogs tourte. Seine nächsten Opfer waren die Brüder Soroush und Arash Farazmand, die zum fixen Line-Up der Yellow Dogs zählten. Ahkbar überraschte Arash im Schlaf. Dann ging er hinunter in den ersten Stock und erschoss Soroush, der an seinem Laptop arbeitete.
Anschließend feuerte der Täter in das Zimmer des 22-jährigen Sasan Sadeghpourosko und verletzte den Straßenkünstler an einem Arm und einer Schulter. Kurz darauf ballerte er erneut durch eine Tür. Das fremde Paar, das sich für den Veterans-Feiertag im Haus eingemietet hatte, kam mit dem Schrecken davon. Anschließend stürmte Ahkbar in das Zimmer seines vormaligen Bandkumpels Pooya Hosseini von den Free Keys. Es kam zu einem kurzen Handgemenge, ehe Ahkbar zurück aufs Dach lief und schließlich mit der letzten Patrone im Magazin die Waffe gegen sich selbst richtete. The Yellow Dogs' Hauptstimme, Siavash "Obash" Karampour, und Bassist Koory Mirz befanden sich zum Zeitpunkt der Bluttat nicht im Haus.
Als Motiv führt die Polizei einen Streit um Geld und gestohlenes Equipment an. Die Auseinandersetzung wäre an sich eine Kleinigkeit gewesen, die bereits über ein Jahr zurückliege, so der Manager der Yellow Dogs gegenüber Pitchfork.com. Seit damals hätte es kaum Kontakt zwischen dem Täter und der Band gegeben und auch von Drohungen sei nie die Rede gewesen. Entgegen erster Meldungen war Raefe Ahkbar kein Mitglied der Yellow Dogs.
Von Teheran nach Brooklyn
Die Indie-Band formierte sich in Teheran, nachdem die Jungs im europäischen Musikfernsehen ein Video der Strokes gesehen hatten. Um der Verfolgung durch das iranische Regime zu entgehen, probten sie in einem schalldichten Verschlag über den Dächern ihrer Heimatstadt. Rockmusik ist im Iran zwar nicht per Gesetz verboten, wird aber von den Religionsführern geächtet und streng reglementiert. Wer zum Beispiel beim Singen von englischsprachigen Texten erwischt wird, muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen.
Bekannt wurden die Yellow Dogs durch den 2009 in Cannes prämierten Film: No One Knows About Persian Cats, der die kleine, aber äußerst aktive Underground-Musikszene Teherans portraitierte. Bis dahin wussten nicht einmal die Eltern der Yellow Dogs vom lauten Werken ihrer Söhne im Stillen. Nach Anlauf des Films verließ die Band den Iran und suchte in den USA um Asyl an. Der Antrag wurde bewilligt. Ab diesem Zeitpunkt gab es für die jungen Musiker keinen Weg zurück. Dieser Umstand könnte zur Verzweiflung Akhabars beigetragen haben. Während der Auseinandersetzung mit Hosseini hatte er darüber geklagt, zuerst aus dem Iran hergelockt und anschließend aus der Band Free Keys geworfen worden zu sein. Von der iranischen Künstler-Community in Brooklyn geächtet, sah der Bassist wohl keine Zukunft mehr. Weder im Iran noch in den USA.
Wie so viele hoffnungsfrohe Indie-Rocker aus so vielen verschiedenen Ländern zog es auch The Yellow Dogs nach Brooklyn. Im vermeintlichen Indie-Paradies machten sie sich mit ihrem zackigen Post- und Dance-Punk schnell einen Namen. Auf den großen Durchbruch warteten sie freilich vergebens. Die Geschichte vom politisch Verfolgten, der in den USA einen neuen Anfang schaffen kann, schränkte trotz neu gewonnener Freiheiten ein. Einerseits wurde der Band immer wieder Aufmerksamkeit von überregionalen Medien zuteil. Andererseits drängte der Fokus auf die Biografie die Musik stets in den Hintergrund . Dennoch konnte sich The Yellow Dogs innerhalb der Indie-Koordianten East Village, Williamsburg und Bushwick etablieren. Die Band trat regelmäßig in Venues wie der Music Hall Of Williamsburg, der Glasslands Gallery, Brooklyn Bowl oder Live at Shea Stadium auf. Freunde und Förderer wie die Black Lips oder !!! luden die Iraner als Vorgruppe ein. Nachbarn beschrieben die Bandmitglieder als lässig-freundliche Kerle, die stets mit einem Skateboard oder Gitarrenkoffer anzutreffen waren.
Ich habe – wie vermutlich viele von Euch auch – den Namen der Band erstmals im Zuammenhang mit den Morden gelesen (Kollege Christian Pausch kennt sie vom Film "No One Knows About Persian Cats", hier seine Review) und ich müsste lügen, wenn ich jetzt behaupte, dass mich die Songs der ersten und einzigen EP "Upper Class Complexity" (eMusic) besonders vom Hocker reißen, aber Geschichten von jungen Menschen, die so brutal aus ihren Träumen und Leben gerissen werden, sind immer sehr traurig. Bei anderen kann zumindest das musikalische Erbe mit dem Tod versöhnen. Was in 318 Maujer Street passiert ist, ist schlicht eine menschliche Katastrophe. Es bleibt das Leid der Überlebenden, der Familie und der Freunde.
Aus dem Archiv: Reality Check Spezial, 1.10.2011
Nina Hochrainer hat vor zwei Jahren ein Reality Check Spezial zu iranischer Rock Musik gestaltet, für das auch Mitglieder von Yellow Dogs interviewt wurden.
For most rock bands in the western world, the difficulties amount to: how to get some gear, where to practice and will venues invite them to play. If you are Iranian the obstacles are much greater. First of all, even listening to western rock music in Iran could get you a jail sentence. So many aspiring musicians travel west in search of the freedom to play and perform. For Reality Check Nina Hochrainer met up with Ali Salehezadeh, Ali organizes shows and tours across the US for young Iranian rock musicians. And he helps them to obtain artist visas and even political asylum. Ali tells us about how the bands he supports get on in the west, what extra challenges do they encounter and what kind of reception does their music get from audiences here.
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