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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 11. 2013 - 18:49

The daily Blumenau. Weekend Edition, 9/10-11-13.

Das ging schnell: Transparenz ist kein aufklärerischer Wert mehr, sondern eine Art jakobinischer Tugend-Terrorist. Das und zwei weirde Folge-Ideen.

Jetzt schon über ein Monat alt: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so eine ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen. Und das immer mit Items aus diesen Themenfeldern.

Scobel läuft jeden Donnerstag um 21 Uhr auf 3sat; und für alle die da keine Zeit haben, oder noch immer nicht wissen wozu Festplatten da sind, gibts das ganze natürlich auch zum Nachschauen im Netz, samt Weiterführungen.

Und natürlich führt die Assoziationskette zwischen Aufklärung und Terror automatisch in die große politische Keimzelle der französischen Revolution: Robespierre lässt da grüßen.

Die Transparenz-Forderung zwischen Aufklärung und Terror

So viele Pflicht-Fernseh-Wochenstunden, die dem Kopf originären Input und echtes Denkfutter mitgeben, existieren ja nicht. Die letzte Scobel-Sendung auf 3sat hatte die NSA-Überwachungs-Affäre als Ausgangspunkt (deshalb auch der Titel Überwachte Welt - über die Preisgabe der Privatheit) stellte aber wie immer nicht nur technologische, sondern ethische Fragen - vor allem in Richtung Transparenz.

Denn dieser Begriff hat sich in den letzen paar Jahren, vielleicht sogar Monaten, vom Heilsbringer hin zum Terroristen gedreht - auch durch die großteils instrumentalisierte politische Inbeschlagnahme, die allzu oft als Camouflage fürs simple stasimäßige Ausspähen angewandt wurde.

Nicht nur der Talk-Gast Manfred Schneider (dessen Buch Transparenztraum eine Art Kulturgeschichte zeichnet), sondern auch der für einen Zuspieler interviewte Philosoph Byung-Chul Han sprechen in der Scobel-Sendung ausführlich von der massiven Zunahme eines Transparenz-Terror: Wer sich nicht offen, durchsichtig, gläsern, transparent gibt, ist nicht nur automatisch verdächtig, sondern kann nicht mit in den neuen Mainstream.
Die Forderung nach Transparenz bedeutet letztlich die Suche nach Kontrolle, was in einer neoliberalen Gesellschaft, die auf Selbstausbeutung basiert, auch gar nicht so schwer durch/umzusetzen ist. Kein Zufall, dass vor allem die beiden neuen Parlamentsparteien den Begriff auch hierzulande ordentlich mit zu Tode geritten haben.

Weil die Scobel-Sendungen nicht nur fettes Info-Futter bieten, sondern auch ein fast schon aphrodisiakanischer Anreger fürs Selber-Weiterdenken sind, hier die zwei Punkte, die seit Donnerstag abend aufgepoppt sind.

Künftig wird die doppelte Transparenz-Buchführung Pflicht

Wenn jemand wie Frank Stronach, der sich im Konkreten und Speziellen (ich denke da nur an den Ankauf des Veldener Schlosshotels) nie auch nur einem Millimeter echter Transparenz unterwerfen würde, diesen "Wert" als Lippenbekenntnis-Mantra mitführt, wird es - konsequent zu Ende gedacht - irgendwann dazu führen müssen, dass sich eine Art doppelte Transparenz-Buchführung entwickelt.

In Österreich wird das länger dauern, auch weil sich hier jedes Pimperl-Magistrat befähigt fühlt, der Öffentlichkeit Informationen vorzuenthalten (ich beziehe mich da wieder auf Österreichs letzten Platz in der Global Right to Information Rating-Liste) - aber trotzdem: Über kurz oder lang wird der aktuelle und nicht zu bremsende Transparenz-Terror dazu führen, dass sich öffentliche Personen eine künstliche Transparency-Haut zulegen werden müssen, keine gefälschten, aber gut frisierte Profile, die unter Zuhilfenahme von ausgefeilten Netz-Radierern, nur das offen und öffentlich stehen lassen, was genehm ist. Denn natürlich wird weiter Vieles (Verbotenes, Amoralisches, Peinliches, allzu Persönliches) im Verborgenen bleiben und somit gut kaschiert werden müssen.

Ich sehe da die nächste völlig künstlich entstehende Industrie der Wahn-Folgen im digitalen Zeitalter - nach dem Post-9/11-Security-Schwachsinn kommt eine private Bilanzfälscher-Industrie

Endet die Postmoderne durch die neue Weltwissens-Instanz?

Gedanke Nummer 2 ist nicht mir, sondern meiner Frau gekommen. Ob nämlich die neue Alleswisser-Instanz der transparenzfordernden globalen Datensammler (ob jetzt Google, Facebook, die NSA oder eine vielleicht schon längst existierende Maschinerie dahinter) nicht automatisch auch so etwas wie das Ende der Postmoderne bedeuten müsste.

Das dort postulierte glaubensgrundsatzlose Anything Goes, hinter dem der Abfall vom Glauben an die Meta-Erzählungen (wie die der Aufklärung) steckt, müsste durch eine neue datengestützte Weltwissens-Instanz zumindest erschüttert werden. Thesen, Gedankengebäude und auch Menschheitserkenntnisse der letzten 500 Jahre kann man wegblocken - beim Gesamtüberblick über quasi alles sollte man sich schwerer tun.

Denn damit fällt das zentrale Dogma, dass es so etwas wie eine allgemeinverbindliche Wahrheit nicht gibt, weg. Diese Wahrheit gibt es dann nämlich wieder, nur ein paar Handgriffe versteckt hinter all den offenliegenden Daten.

Das nur mal so als Möglichkeit.