Erstellt am: 10. 11. 2013 - 16:45 Uhr
Egal, aber
Erfreulich sind Lovesongs, die nicht Tag ein, Tag aus davon künden, wie wunderbar das gegenwärtige, das herbeigesehnte oder das einstige Gegenüber doch ist, sondern das Gegenteil tun. Also Hass-Songs sind. Oder den Themen Liebe und Begehren immerhin mit Arroganz oder schick in Szene gesetzter Gleichgültigkeit begegnen. Dem Ranschmeißertum, den angeblich authentisch groß vorgelebten großen Gefühlsregungen, dem Wunsch nach Seelen-Connections im Pop sollte öfter mit Egalheit und kalter Schulter entgegengetreten werden. Whatever. Schlicht und ausdrucksstark nennt sich die neue Single von Blood Orange "You’re Not Good Enough". Muss ja vielleicht auch einmal gesagt werden: Ich bin nicht arrogant, ich weiß bloß, dass ich besser bin als die anderen.
Blood Orange
Der Multiinstrumentalist und Producer Dev Hynes weiß mit seinem Projekt Blood Orange die schwierigen emotionalen Turbulenzen und die allergrößte Hipness in unaufdringliche kleine, wie beiläufig aus dem Hemdsärmel geflutschte musikalische Skizzen zu kleiden. Neben dem kalifornischen Indie-Superproducer Ariel Rechtshaid ist Hynes aktuell einer der wichtigsten Player im Dienste der Verwischung zwischen Mainstream und Indie.
Alter Hut? Nicht im Sinne einer schon hundertmal bemühten Auflösung der Kategorien "Mainstream" und "Indie" als Institutionen oder im Hinblick auf Märkte und Finanzen, sondern dergestalt, dass hier eine Popmusik entwickelt wird, die – freilich ist sie dabei selten tatsächlich "neu" - überall zuhause ist. Zwischen Instagram-Ästhetik, American-Apparel-Werbung, Tumblr-Pop und Mumblecore wird hier ein Chic der Langeweile zelebriert, der für jungen Menschen vieler Lager ansprechend sein dürfte. Wenn wir uns alle gegenseitig egal sind, wer ist dann wem egal?
In Wirklichkeit entsteht in den Händen von Rechtshaid und Hynes Musik, die zwischen R’n’B und Indie, zwischen HipHop, Softrock, Chillwave, Dub und Bubblegum-Pop wieder einmal alles mit allem möglichen versöhnen sollte. Für alle möglichen Leute. Rechtshaid hat beispielsweise seine Finger für Haim, Vampire Weekend, Usher oder Charli XCX an den Reglern gehabt, Dev Hynes hat nach seinen eigenen Projekten Test Icicles (die Erfinder von Nu Rave) und Lightspeed Champion unter anderem Solange Knowles, Florence and the Machine und Britney Spears musikalisch unter die Arme gegriffen.
Des Öfteren kreuzen sich die Wege von Hynes und Rechtshaid, bislang ist ihre Zusammenarbeit "Everything Is Embarassing" für das problemgeschüttelte Postergirl des neuen Post-Lana-Del-Rey-Pop, Sky Ferreira, ihr Meisterstück. "Everything Is Embarrassing" – man muss gar nicht lange in den Intentionen dieses wunderbaren Stücks Popmusik nachstöbern, um hier auf sich gestellt einen besonders prächtigen Slogan matt funkeln zu sehen.
Im Song "You’re Not Good Enough" umsingen sich Dev Hynes und seine Duett-Partnerin Samantha Urbani von der Brooklyner Hipster-Kapelle Friends (die in ihrer Musik übrigens Dub, No Wave, Postpunk und lustige Kuhglocken-Disco auch schon jeglicher Bedeutung beraubt haben und bloß noch als tausendfach re-postete Zeichen verstehen können) in einem einzigen Hauchen. Keiner der beiden ist jetzt also gut genug für den jeweils anderen gewesen und man merkt natürlich ganz schnell, dass in der ständigen Wiederholung der Selbstvergewisserung Selbstbetrug und die wahre Sehnsucht schlummern. Ausgebreitet wird das Ganze auf einem spärlichen Schlafzimmer-Funk, so lasziv, man kann sich die beiden schon beim Post Break-Up Sex ausmalen. Nachher muss man sich wieder ärgern!
Gegen Ende gibt es ein müdes Keyboard-Solo, das gut eine halbe Minute dauert, dabei aber kaum mehr ist als ein atmosphärisches Wabern, ein langgezogenes elektronisches Gähnen. Es ist wie ein trotziges Abwinken in Richtung der verflossenen Person. Mit großer Mühe werden hier keine Anstrengungen unternommen.