Erstellt am: 7. 11. 2013 - 16:34 Uhr
Neue Funkspionagesysteme für US-Botschaften
Während die Funkspionage in den Botschaften der USA und Großbritanniens laufend für neue diplomatische Verwerfungen sorgt, arbeitet die NSA-Forschungsabteilung IARPA bereits an neuen, effizienteren Technologien. Dabei geht es um gezieltes Abhören von hochrangigen Zielpersonen, also Spionage im herkömmlichen Sinn.
Seit Anfang 2013 läuft in der IARPA eine Ausschreibung für ein Projekt, das genau auf das Portfolio des Special Collection Service (SCS) der NSA zugeschnitten ist. Diese Spezialisten betreiben die getarnten Überwachungsanlagen in den oberen Etagen von weltweit etwa 80 US-Botschaften.
Dort werden die eingehenden Daten von verdeckten Antennen, die sich hinter falschen Fassaden oder auf den Dächern unter Sichthüllen befinden, eingesammelt. Dann werden diese Daten sortiert und teilweise auch gleich ausgewertet. Die hier eintreffenden Daten stammen nicht von angezapften Glasfasern, sondern gehen auf "klassische" (nämlich gezielte) Spionagetätigkeit zurück.
Das "Büro für schlaue Sammlung"
Die ausschreibende Dienststelle der IARPA heißt denn auch "Office of Smart Collection", das Forschungsprogramm soll die Qualität der abgefangenen Daten insgesamt "dramatisch verbessern". Diese Form der Spionage folgt nämlich einem völlig anderen Prinzip als dіe Überwachung in den Glasfasernetzen.
Es werden ausgewählte, hochkarätige Ziele angegriffen, wie etwa das Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dazu kommen Regierungsstellen oder ausländische Delegationen auf internationalen Konferenzen. In den meisten Fällen werden diese speziellen Daten nicht direkt von den Anlagen in der Botschaft, sondern anderswo in der Stadt abgegriffen und von diesen "Sammelpunkten" über Funkstrecken zur Auswertung in die oberen Etagen der Botschaften transportiert.
Im Februar hat das IARPA "Büro für einschneidende Analysen" die Nachfolge des mächtigen, nunmehr aber betagten NSA-Systems XKeyscore ausgeschrieben. Auf die mit klassischen Methoden abgefangenen Gespräche und Telefonate wichtiger Zielpersonen kann über dieses Analysetool offenbar ebenfalls zugegriffen werden. Sie machen nur einen winzigen Bruchteil der gesamten Datenmenge aus.
Miniaturisierte Antennen
Hier gibt es offenbar noch einiges an Verbesserungspotenzial, denn die IARPA nennt "sichere Kommunikation zu den Sammelpunkten" als eine der Prioritäten des Programms. Dazu braucht es natürlich entsprechende Sende- und Empfangsanlagen, im speziellen Fall werden "electrically small antennas" gesucht.
Diesen Antennentyp gibt es in unzähligen Ausführungen, die alle eins gemeinsam haben: Die Antenne ist stets deutlich kleiner dimensioniert, als sie - analog zu ihrem Frequenzbereich - eigentlich sein müsste. Und: Manche davon sehen nicht wie Antennen aus.
Was Radome nicht tarnen können
Die NSA sucht also unauffälligere Antennen als die jetzt im Einsatz befindlichen, mit "sicherer Kommunikation" ist hier nämlich "nicht entdeckbar" gemeint. Die jüngste diplomatische Verwerfung betrifft eben diese Auffälligkeit der derzeitigen Anlagen. Der britische Botschafter wurde deshalb am Dienstag ins deutsche Außenministerium zitiert, weil das Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar vom GCHQ und nicht von der NSA abgehört wurde.
Auf dem Dach der britischen Botschaft in Berlin befindet sich eine zwar durch ein Radom getarnte, aber durch ihre schiere Größe auffällige Antennenanlage. Das ist nämlich das Hauptproblem für diese Art der Spionage: Ohne leistungsfähige Antennen funktioniert sie nicht, und die haben nun einmal bestimmte Größen.
Wanzen und klassische Methoden
Ebenso verbessert werden sollen die Sensoren und zwar bezüglich "Größe, Stromverbrauch, Reichweite und Empfindlichkeit". Unter "Sensoren" sind schlichtweg "Wanzen" im weitesten Sinne zu verstehen.
Das können verdeckte Funkmikrofone in einem Konferenzsaal sein, wie miniaturisierte Videokameras, aber auch Richtmikrofone, die Konversationen in einem Raum über die Schwingungen außen am Fensterglas abgreifen. Dieses spezielle Programm soll also die "klassischen" Geheimdienstmethoden auf eine neue Stufe heben, und das betrifft nun einmal in erster Linie den Transport der Daten.
Ein Beispiel aus Wien
Das Einsatzszenario eines solchen Spionageangriffs sieht - auf das Beispiel Wien umgelegt - folgendermaßen aus. Einer speziellen, operativen Einheit der US-Dienste sei es gelungen, Sensoren an mehreren, hochsensiblen Orten anzubringen, um eine Delegation bei der UNO, der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) oder der Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) abzuhören. Wie kommen die von diesen Sensoren aufgenommenen Sprach- oder Videodaten nun dorthin, wo sie ausgewertet werden?
Dazu braucht es die von der IARPA erwähnten Sammelpunkte direkt an Ort und Stelle. Das sind miniaturisierte Funkanlagen, die alle Daten der Sensoren sammeln und über Mikrowellenrichtfunk gebündelt weitersenden. Die entsprechenden Antennen dürfen eben nicht wie Antennen aussehen, womit man wieder bei "electrically small antennas" ist.
Spiralen unter kleinen Kuppeln
Am Sammelpunkt kann das eine unauffällige Halbkugel aus Plastik mit weniger als 30 Zentimetern Durchmesser sein, die an einer Gebäudefront angebracht ist. Unter dieser kleinen Kuppel befindet sich die eigentliche Antenne, in diesem Fall als eine Art Spindel oder Spirale gewickelt, um den Gesamtumfang klein zu halten. Ebenso lässt sich derselbe Antennentyp auf einer kaum größeren flachen Platte unterbringen, in die der Antennendraht in Rechteckform eingelassen ist.
Dieses Diagramm stammt aus einem Programm zur Antennensimulation unter Einbeziehung der topografischen Gegebenheiten. Der Standort ist die "NSA-Villa" in Wien, Pötzleinsdorfer Straße 126,der grüne Bereich zeigt an, welche Bereiche Wiens von den Antennen dort abgedeckt werden können.
Radio FM4
Im Falle Wiens zeigen diese Richtfunkantennen im "Stealth"-Design mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Objekt im 18. Bezirk. Die sogenannte NSA-Villa in der Pötzleinsdorfer Straße 126 überblickt nämlich ganz Wien. Bei Mikrowellenfunk ist eine theoretische Sichtverbindung unerlässlich, "theoretisch" deshalb, weil die Antenne weiter als das Auge reicht.
Relaisstation "NSA-Villa"
Von Pötzleinsdorf aus ist diese Grundbedingung in alle wichtigen Richtungen erfüllt, sowohl die UNO-City, das OPEC-Gebäude im zweiten Wiener Bezirk, Parlament, Ministerien, Parteizentralen usw. liegen hier wie auf dem Präsentierteller unter der Villa. Natürlich ist von dort auch direkte Sichtverbindung zur amerikanischen Botschaft im neunten Bezirk gegeben.
Diese Bildergalerie der auf Antennentarnung spezialisierten US-Firma Stealth Concealment zeigt, wie man auch große Mobilfunkanlagen durch falsche Fassaden so tarnen kann, dass sie von der Öffentlichkeit kaum zu bemerken sind.
Die Pötzleinsdorfer Villa ist also keineswegs die vielfach kolportierte Überwachungszentrale der NSA für Wien. Es handelt sich dabei in erster Linie um eine Relaisstation zur Übertragung abgefangener Kommunikationen, die von hochrangigen Zielen woanders im Stadtgebiet stammen.
Audio in schlechter Qualität
Dass es hier in erster Linie um Spionagetätigkeit im herkömmlichen Sinne geht, zeigt auch ein anderes Forschungsprogramm der IARPA. Das "Büro für einschneidende Analysen" beschäftigt neben der Verarbeitung der massenhaft vorhandenen Daten aus den Glasfasernetzen auch ein Problem, das eindeutig den klassischen Spionageformen zuzuschreiben ist.
Neben diesen beiden Ausschreibungen der IARPA-Büros "für schlaue Sammlung" bzw. "einschneidende Analysen" ist seit Anfang des Jahres noch eine Reihe weiterer Forschungsprogramme für die Geheimdienste ausgeschrieben.
Man sucht nämlich "multidisziplinäre Ansätze zur Verarbeitung von Sprache und Audio in schlechter Tonqualität". Damit sind nicht die abgefangenen GSM-Telefonate der deutschen Bundeskanzlerin gemeint, sondern eine Wanze in einem Büro oder Konferenzsaal, die eine Unzahl von Nebengeräuschen mitüberträgt.
Deswegen sucht das "Smart Collection Office" der IARPA auch nach "agilen, intelligenten Architekturen, die nützliche Informationen am Sammelpunkt aussortieren". Will heißen: Bereits am Ort des Abgriffs soll möglichst viel von den Störungen weggefiltert werden, um die Tonqualität so zu verbessern, dass diese Audiodateien automatisch verarbeitet werden können.
Technischer Epilog
Für das obige Diagramm wurde eine Standorthöhe von 20 Metern über der Pötzleinsdorfer Straße angenommen, als Antennentyp wurde ein Rundstrahler gewählt, nur um zu sehen, in welche Richtungen gut empfangen und/oder gesendet werden kann.
Als Frequenz wurde ein eher hoher Bereich von 2,4 GHz (WLAN) gewählt, auf niedrigeren Frequenzen ist die Reichweite weitaus größer. Setzt man außerdem Richtfunkantennen ein, dann sind Verbindungen in bester Qualität mit dem Flughafen in Schwechat überhaupt kein Problem. Derartige Antennen vom Typ "Yagi" befinden sich derzeit auf dem Dach der "NSA-Villa", Antennen für Analog-TV sehen ganz ähnlich aus.