Erstellt am: 7. 11. 2013 - 15:13 Uhr
The daily Blumenau. Wednes/Thursday Edition, 6/7-11-13.
Jetzt schon über ein Monat alt: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so eine ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen.
Immer mit Items aus diesen Themenfeldern. Gestern hab ichs nicht mehr geschafft - deshalb heute eine etwas dickere Ausgabe.
Wer hierzulande kannte bis vor kurzem Herrn de Blasio?
#politics #media
Was lerne ich aus der Wahl von Bill de Blasio zum New Yorker Bürgermeister? Dass das ewige Gezeter der Europäer, ihrer bürgerlichen Stammtische und ihrer Medien am Desinteresse der Amerikaner und ihrer Medien an Weltpolitik (die sie wiederum als Europa-Politik definieren) eh nur bigott ist. Denn umgekehrt ist das Interesse der Europäer und ihrer Medien an US-Politik zumindest genauso gering.
Best practice: der neue Mann auf dem Renommier-Posten, der in den nächsten Jahren medial öfter auftauchen wird als sagen wir die Real-Entsprechung von Frank Underwood.
Vor diesem Sommer taucht sein Name nur vereinzelt in Einspaltern von ein paar deutschen Qualitäts-Medien auf - erst als sich große Wahlchancen mit dem Entdecken des optisch verwertbaren Multikulti-Background des Kandidaten paaren, mehren sich die Berichte der Fachredaktionen. Mainstream Media kennt de Blasio seit maximal zwei Wochen.
Das ist insofern absurd, weil wir - auch in seriösen Auslandsjournalen - ja über Monate mit der Kandidatur des Anthony Weiner gequält wurden, der ebenjenen deutlich zu oft fotografiert und in social networks jungen Damen vorgeführt hat. Was zu Lucas/Walliamsmäßigen Szenen des zerknirschten Politikers samt inhaltlich zwar verzeihender, aber körperlich angeekelter Gattin führte. Dreckige Fußnoten, aber lange der einzige Beitrag europäischer Medien zur NY-Wahl.
Und auch zu de Blasio kommt eher Klatsch über die Frisur seiner Kinder als Info über die politische Ausrichtung.
Und überhaupt, wenn ich mir die Struktur amerikanischer Medien anschaue: dort existieren Asia, Afrika und The Americas als eingeführte Kategorien. Hierzulande darf diese Weltteile der Praktikant über die APA abdecken.
Nix kann man mehr wie früher machen, Herr Cap ...
#nr-wahl #politik #moral
Früher wär das kein Problem gewesen. Man verliert einen Ideal-Job, und weil es nicht deshalb passiert, weil man schlecht drin war, sondern rein optisch-politisch halt was Neues sein muss, kriegt man ein Zuckerl als Ersatz.
Legitim irgendwie. Früher wäre das kaum kommentiert worden (weil sich Österreichs politische Kultur und die sogenannten kritischen Medien, also die ganz braven Mitspieler, auf Stillschweigen zum Thema Versorgungs-Jobs geeinigt haben) und schon gar nicht hätte irgendjemand nach der Größe des Zuckerls, der Höhe des Gehalts geforscht.
Heute ist das anders: überall diese Medien, die sich nicht an die Regeln halten und dann noch diese Transparenz-Freaks, die alles leaken.
Josef Cap ist so gesehen noch sehr alte Schule. Er ist so gewohnt, dass niemand sich irgendwas in dieser Richtung trauen wird, er ist so sehr Machtmensch, er ist sich seiner Bannstrahl-Qualitäten so sicher, dass er gar nicht auf die Idee kommen kann, wie übel die Optik dieses Vorgangs ist. Josef Cap ist, im abgehobenstem Sinn, über derlei Kleinkram erhaben.
Früher hat es auch unangenehme SJler gegeben, die Kumulatoren unangenehme Fragen gestellt haben - auf denen sie dann teilweise eine Karriere aufbauen konnten.
Heute ist das (die Karriere) zwar nicht mehr möglich, aber dass SJ-Chef Moitzi bei diesem Thema und bei dieser Optik gar nicht anders kann als hier den Suppenspucker zu machen, hat Josef Cap nicht bedacht.
Es wird wurscht sein. Cap wird den Renner-Institut-Job, der genau die Differenz vom Abgeordneten-Gehalt zum Klubchef-gehalt einbringt, machen - vielleicht auch mit Eifer und gut. Das ist eine SP-interne Entscheidung, die keinen was angeht. Und wenn der Vorgänger, der kasachische Kümmerer Gusenbauer, da zu wenig geleistet hat, kann es auch mit der bisherigen Undotiertheit dieses Postens zusammenhängen.
Nur sind diese politischen Akademien indirekt so stark von der öffentlichen Hand, aus Steuergeldern gefördert, dass sich hier ein Gefühl, ein Geschmäckle einstellt.
Früher konnte man derlei problemloser unter der Tuchent abwickeln. Heute, wo Leaker, Transparenzler und andere Nerds Druck machen, auch auf die Medien, geht's nimmer so glatt. Und so alt ist der Josef Cap gefühlt zumindest noch nicht, dass er sich mit den neuen Gegebenheiten gar nicht mehr arrangieren muss und den Rest seiner Karriere irgendwie kerymäßig aussitzt. Ein mitten im politischen Leben stehendes Schlitzohr nämlich, ein echtes, kann sich diese neuen Verhältnisse so zurechtdrehen, dass es möglich ist als der Herr Gut auszusteigen. Dazu bedarf es aber eines Willens zur Transparenz und einer Politik, die auf der Basis von Kommunikation und nicht auf der von bannstrahldrohenden Befehlen funktioniert. Das wäre dann die neue Schule.
So kornblumenblau wie die illegalen NSDAPler
#nr-wahl #nazi-symbolik #fpoe
Ich hatte es glatt vergessen. Und insofern bin ich ganz dankbar, dass es der Grüne Harald Walser in seinem heutigen Standard-Gastkommentar noch einmal aufgreift. Wie bei jeder konstituierenden Sitzung des Nationalrats greifen die Parteien ja auf diverse Symbole zurück, etwa den der Blume im Knopfloch.
Mir war heuer nur die Info aufgefallen, dass sich weder Neos noch Stronachianer dazu etwas überlegt hatten und blumenschmucklos einzogen. Gut, das Lachnummern-Team des verwirrten Opas hat andere Sorgen - aber dass sich die streng durchdesignten Neos diese Chance entgehen ließen, das ist echt peinlich. Die pinke Gerbera etwa wäre aufg'legt gewesen.
Die SPÖ hat ihre rote Nelke ja feigerweise aufgegeben und durch die deutlich beliebigere rote Rose ersetzt. Die ÖVP versucht mit der weißen Rose (Unschuld, Tod, versteckte Gefühle ...) null Angriffspunkte zu erzeugen. Die Grünen hatten immerhin keine Topfpflanzen, sondern Kräutersträuße. Und die FPÖ kam wieder mit der blauen Kornblume.
Das war 2006 erstmals der Fall, wurde 2008 dann per Aussendung als Symbol der Freiheitsbewegung von 1848 definiert, wo sie als "blaue Blume" der Romantik Verherrlichung fand, ganz ohne den starken deutschnationalen Kontext, Schönerers Symbol der deutschen Treue.
Vor allem aber wurde eines bestritten: dass die blaue Kornblume das Erkennungszeichen der illegalen Nazis in Österreich war, also jener NSDAP-Mitglieder, die zwischen 33 und 38 ihre Gesinnung nicht offen zeigen konnten.
Die FPÖ bestreitet das, durch die Kornblume gesagt. Der Verfassungsgerichtshof bestätigt diesen Fakt aber. Eine interessante Situation: eine demokratische Partei tut so, als wäre ein Symbol einer totalitäteren Bewegung inexistent. Was erzählt uns das über diese Partei und ihre Sensibilität gegenüber einer Dikatutur auf österreichischen Boden?
Mich erinnert das an die Rapid-Ultras, die lange behaupteten, ihr Gründungsjahr (1988) wäre der Grund dafür, dass sie ganz viele 88-Fahnen und -Transparente schwenken wollten. Dass 88 im Neonazi-Code für HH bzw Heil Hitler steht, konnten und wollten sie lange einfach nicht zur Kenntnis nehmen.
Mittlerweile haben die Ultras den 88er als Symbol massiv zurückgeschraubt und die Neonazis aus den eigenen Reihen gesäubert - die stecken jetzt im Pelz der über die letzten Jahre nicht sehr sauber agierenden Austria Wien.
Ob die FPÖ die Größe der Entwicklung der Rapid-Ultras nachempfinden und nachmachen können - das steht noch aus. An der Symbolik der blaue Kornblume, dem 88 der FPÖ, wird man das ermessen können.
Nenad Bjelica bettelt weiter um seine Erlösung
#fußball
Er hat es schon wieder gemacht. Nenad Bjelica, Austria Wien-Coach, der vor einer Woche schon deutlich gesagt hatte, wie genug er von seinem Job habe, hat schon wieder die Selbstaufgabe demonstriert.
Bjelica hat tatsächlich, nach einem gegen den Nachzügler SC Wiener Neustadt (einem Club, der sich nicht in Deutschlands 2. Liga, vielleicht gerade noch in Liga 3 halten könnte) erfolgreich bestrittenem Match, die nächste Partie gegen Atletico de Madrid (aktuell zweiter in der Primera Division, vor Stadtrivalem Real) bewusst mit derselber Aufstellung und derselben Strategie bestritten. Weils offenbar wurscht ist, wer der Gegner ist. So gewinnt man heute nicht einmal in der Hans-Krankl-Hobby-Liga gegen das Heini-Strasser-Team.
Natürlich ging dieser "Schachzug" brutal schief. Atletico schaltete nach einer Drei-Tore-Führung zurück und brachte ein paar Junioren ins Spiel - so entging die Austria einer 6/7-zu-Null-Hinrichtung.
Aber: die Ernsthaftigkeit mit der Bjelica das "Konzept" gegen Neustadt (eh nur ein paar Personalwechsel und eine hatscherte Variante des von Stöger ererbten, aber nie echt kapierten Systems) auch gegen Atletico auf den Platz bringen wollte, lässt große Zweifel an seinem sportlichen Überlebenswillen laut werden. So eine Vorgangsweise ist nahe am Suizidären.
Bjelicas Problem: er hat eine sportliche Führung über sich, die noch nicht im 20. Jahrhundert angekommen ist. Thomas Parits, 67, hat etwa nie den Unterschied der Philosophien von Vastic, Daxbacher oder Stöger begriffen, und auch bei der Bestellung von Bjelica wurde klar, dass die Austria keine halbwegs zeitgemäße sportliche Vision über modernes Trainertum hat, sondern noch in 70er-Jahren-Dimensionen denkt. Irgendjemand wird da also, in vielerlei Hinsicht, Übersetzungsarbeit leisten müssen.