Erstellt am: 7. 11. 2013 - 15:03 Uhr
Everybody was Kung Fu Fighting
Die Nachtleiste der eben gelaufenen Viennale hat es gezeigt: Kampfkunstfilme gehören immer noch zu den verlässlichen Exportartikeln des asiatischen Kinos. Während heute Filme mit herumsausenden CGI-Waffen und irrwitziger Akrobatik mit Festplatten-Unterstützung aber im Westen nur einen kleinen Fankreis ansprechen, war das früher mit der analogen Variante mal ganz anders.
In einer Zeit, als die Filmmetropole Hongkong noch als britische Kronkolonie verwaltet wurde, da regierten die Kung-Fu-Virtuosen für einen Moment lang die Leinwände der ganzen Welt.
Shaw Brothers
Hauptverantwortlich für den Martial-Arts-Boom der siebziger Jahre war eine legendäre Filmproduktionsfirma. Die Shaw Brothers Company, gegründet 1925, dominierte von Hongkong aus den fernöstlichen Markt. Jahrzehnte lang produzierte man erfolgreiche Beiträge zu den verschiedensten Genres, von schwülstigen Melodramen bis zu romantischen Komödien.
Gegen Ende der Sechziger übernahmen in den Studios des geschäftstüchtigen Brüderpaars Run Me und Run Run Shaw allerdings die Schwertkämpfer die Überhand. Das Cinemascope-Format, leuchtende Farben, fliegende Körper, endlose Blutfontänen, schwindelerregende Zooms mit der Kamera, all das gehörte fortan zu den erfolgreichen Markenzeichen dieser goldenen Ära der Shaw Brothers.
Shaw Brothers
Nach den Schwertkampf-Epen wird dann in unzähligen Filmen mit Fäusten und Füßen gekämpft. Filme wie "King Boxer" (Zhao – der Unbesiegbare) oder "The New-One-Armed-Swordsman" (Das Schwert des gelben Tigers) sind plötzlich in aller Munde, die Kung-Fu-Welle erreicht Kinos in Bangkok genauso wie in Berlin Kreuzberg, schwappte in Wiener Vorstädte oder die steirische Provinz.
Wie so oft in der B-Movie-Geschichte setzen sich einzelne Regisseure über die Grenzen des Billigsdorferkinos hinweg. Bei den Shaw Brothers sind es Visionäre wie King Hu und vor allem Chang Che, auch der chinesische Sergio Leone genannt, die mit grellen Gemetzeln und heroischen Geschichten faszinieren.
Shaw Brothers
In den Hauptrollen agieren Stars wie David Chiang, Ti Lung, Wang Yu oder Alexander Fu-Sheng, deren Namen heute nur noch Insider kennen, deren Gesichter aber damals etliche Bubenzimmer-Wände schmückten. Nur der große Bruce Lee wollte bei den finanziell kleinkarierten Shaw Brüdern nie unterschreiben.
Die schnell gedrehten Fließbandstreifen flimmern natürlich auch über amerikanische Grindhouse-Leinwände. Vor allem die afroamerikanische Crowd identifiziert sich mit den Kung-Fu-Filmen und den darin vorherrschenden Themen. Sind es doch fast immer Outsider und Rebellenfiguren, die letztlich gegen eine vorherrschende Übermacht antreten. David Chiang oder Bruce Lee mutieren auch als Darsteller für das schwarze Publikum zu Ikonen, die gegen das weiße Hollywood und den Status Quo antreten.
Shaw Brothers
Einer, der zu den ganz glühenden Shaw-Brothers-Fans innerhalb der Black Community in Brooklyn damals gehört, ist der junge Robert Diggs. Viel später wird er sich RZA nennen und für seine den Hip Hop von Grund auf verändernde Gruppe den Hongkong-Filmklassiker "Shaolin & Wu Tang" als Inspiration angeben.
Noch viel später, im Jahr 2012, veröffentlicht RZA seine ganz eigene Hommage an die Kung-Fu-Epen aus Hongkong. Produziert von seinem Kumpel Quentin Tarantino erweist sich "The Man With The Iron Fists" als eine etwas tollpatschige, verworrene, unendlich postmoderne, aber doch irgendwie charmante Verbeugung vor dem Kino der rasenden Körper und knochenzerfetzenden Stunts.
Miramax
Ach ja, die Kung Fu-Welle verebbte allmählich nach dem Tod des "Kleinen Drachen" Bruce Lee, die Shaw Brothers schlossen Mitte der 80er die Studiotüren und widmeten sich lukrativeren Einnahmequellen wie Nachtclubs und Spielhöllen.
Ein großer Teil der über 1000 Filme wurde im Jahr 2000 an das Malaysische Unternehmen Celestial Pictures verkauft, das sie seitdem auf DVD herausgibt, mal in richtig schönen, dann wieder in vernachlässigbaren Editionen.
Der Shaw-Style, dieses von der Schwerkraft und Logik befreite Kino der lodernden Gefühlswallungen und der entfesselten Gewaltballette, das ganze Pathos und der überbordende Edelmut, all das lebt aber weiter: In den Werken etlicher extrem geprägter Regisseure, im Spirit des Wu-Tang-Clan, in den Köpfen der Generation Kung-Fu.
Shaw Brothers