Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die Volkshochschule für die Netz-Generation"

Anna Masoner

Anna Masoner

Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

5. 11. 2013 - 15:05

Die Volkshochschule für die Netz-Generation

Mehr als 1.000 Vorträge von Wissenschaftlern, Kreativen und Visionären bietet die Online-Ideenbörse TED. Aufgezeichnet werden die Videos bei Konferenzen rund um den Globus. Inspirierend finden TED viele. Manche auch elitär und sektenhaft.

TED - steht für Technik, Entertainment und Design und die drei Buchstaben haben sich durch das Internet zu einem globalen Trend - um nicht zu sagen: zu einem Kult entwickelt. Ein- oder mehrtägige TED-Konferenzen gibt es mittlerweile in 120 Ländern, von Berlin über Bagdad bis Tokyo. Seit 2010 findet sich auch in Wien eine Dependance mit alljährlichen Konferenzen für die Fans.

TEDxVienna

Anna Masoner

Dieses Jahr luden die Veranstalter ins Wiener Volkstheater, das vermutlich noch nie so viele Besucher unter 30 Jahren gesehen hat, Kindervorstellungen ausgenommen. Samstag Vormittag bilden sich lange Schlangen auf dem Gehsteig und im Foyer. Zehn Stunden Frontalunterricht stehen bevor und die Null-Bock-Generation ist freiwillig da und zahlt sogar noch Eintritt dafür. Fast zwanzig Vortragende wechseln sich alle 18 Minuten auf der Bühne ab. Nicht trockene Uni-Atmosphäre verbreitet die Veranstaltung, man fühlt sich eher wie auf einem Pop-Konzert. Beifallstürme gibt es schon vor der ersten Rede.

Durchinszenierte Rede

Wie man den Alterungsprozess stoppen und künstliches Fleisch erzeugen kann oder Kleider zum Aufsprayen entwickelt, sind einige der Themen. Die Redner sind illuster und bunt gemischt. Der Antibabypille-Erfinder Carl Djerassi spricht über Sex und Auma Obama, die Schwester des amerikanischen Präsidenten, über Armut. Dabei liegt der eigentliche Wert der Veranstaltung im Networking zwischen und nach den Vorträgen, sagen viele der Besucher.

TED x Vienna

CC TED X Vienna

Dem Auftritt als Ted-Redner geht ein hartes Training für die 18 Minuten im Rampenlicht voraus. Die Organisatoren schicken den auserwählten Rednern Handbücher zu mit Anleitungen für einen gelungenen Auftritt, auch Trockenübungen per Telefon und auf der Bühne werden ihnen ans Herz gelegt. Kein Platz bleibt da für Spontanität oder Fragen aus dem Publikum für Zwischendurch.

Anfänge als Dinnerparty

Die Idee für TED-Vorträge ist übrigens bereits 1984 entstanden. "Die spannendste Dinner-Party, auf der du je warst", so beschreibt der Gründer der Veranstaltung, der Architekt Richard Saul Wurman, seine ursprüngliche Idee. Seit Beginn der 1980er Jahre veranstaltete er alljährlich ein Event im kalifornischen Monterey. Im Jahr 2001 verkaufte Wurman die Konferenz für rund 14 Millionen Dollar an einen amerikanischen Unternehmer. Heute sind TED-Events durchinszeniert wie eine Oscar-Verleihung und vergleichbar elitär. Bei der Haupt-TED im kalifornischen Long Beach, zahlen die rund 1.800 Gäste pro Kopf knackige 7.500 Dollar Eintritt. Die unverhohlene Selbstbeweihräucherung der Spitzen der Wissensgesellschaft erzeugt einen wertvollen Heiligenschein für Gäste und Sponsoren.

Jene, die sich der Gute-Laune-Konvention nicht beugen wollen, werden sanktioniert. Als die Komikerin Sarah Silverman 2010 ihre Rede nutzte, um die Veranstaltung anzugreifen, wurde sie kollektiv geschnitten. Als der Risikoinvestor und Multimillionär Nick Hanauer im März dieses Jahres die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich in den USA anprangerte und erklärte: "Reiche Geschäftsleute wie ich schaffen keine Jobs", sie seien stattdessen die Nutznießer eines ungerechten Systems, entschieden die Veranstalter, diesen Ted Talk nicht ins Netz zu stellen, da er "zu politisch" sei.

Ebenfalls nicht auf der TED-Seite findet man den Vortrag des Komikers Sam Hyde. Mit einer fiktiven Biographie hatte er sich auf einer TED-Veranstaltung an einer US-amerikanischen Universität eingeschlichen. In einer Mischung aus Gladiatorenkostüm und Pyjama parodierte er mit seiner haarsträubenden Rede die Veranstaltung. Der Riesenmaschine TED kann die Parodie kaum etwas anhaben. Aber es lässt sich kein Video mehr konsumieren, ohne dass man nicht zumindest lächeln muss: über den mitunter naiven Fortschrittsgeist, den TED feiert.