Erstellt am: 5. 11. 2013 - 11:27 Uhr
Es wird weiter schwieriger
361.056 Menschen waren laut aktuellen Zahlen im Oktober arbeitslos gemeldet. Kein bleibender Wert, wie sich auf den Monitoren in der Chefetage des Arbeitsmarktservice erkennen lässt. Auf den Bildschirmen ist die AMS-Aktivität in Echtzeit zu beobachten, wieviele Menschen sich an einem Tag arbeitslos melden, wieviele weitervermittelt werden, in Schulungen sind, wieviele sich krank melden. Neben den ständig wechselnden Zahlen flimmern auch Stellenanzeigen.
Monika Saulich / AMS
Johannes Kopf stellt seit 2006 gemeinsam mit Herbert Buchinger den AMS-Vorstand. Davor war der studierte Jurist u.a. für die Industriellen-vereinigung tätig und im Kabinett des ÖVP-Wirtschaftsministers Martin Bartenstein.
Mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit rechnet AMS-Chef Johannes Kopf in den nächsten zwei Jahren nicht, im Gegenteil. Es werde schwieriger und das, obwohl für kommendes Jahr eine Erholung der Wirtschaft prognostiziert wird. Doch geht's der Wirtschaft etwas besser, dann spiegelt sich das nicht unmittelbar in sinkenden Arbeitslosenzahlen.
Zwar rechnet man beim AMS mit einem Anstieg der Beschäftigten, Johannes Kopf spricht sogar von einem Beschäftigungsboom, die Jobs werden allerdings nicht reichen, damit alle, die in Österreich arbeiten wollen auch eine Stelle finden. Das liegt am hohen Arbeitskräftepotential, durch Zuwanderung aus den neueren EU-Ländern und Deutschland sowie durch Änderungen im Pensionsrecht, wodurch Ältere länger am Arbeitsmarkt bleiben.
Niedrigere Steigerungsraten bei den Jungen
Während die allgemeine Arbeitslosigkeit Ende Oktober im Jahresvergleich um 12% steigt, steigt sie im Bereich der jungen Menschen um 4,5%. Johannes Kopf unterscheidet bei den Jugendlichen nochmal nach Altersgruppen: "Im Bereich der 15- bis 18-jährigen, der gemeinhin lehrstellensuchenden Jugendlichen, haben wir sogar rückläufige Arbeitslosenzahlen. Das hat demographische Gründe. Wir haben tatsächlich schon weniger Personen in dieser Altersgruppe, in dem Sinn ist auch die Arbeitslosigkeit entlastet. Aber auch bei der Gruppe der 19- bis 24-jährigen steigt die Arbeitslosigkeit zwar, aber sie steigt unterdurchschnittlich. Hier dürften doch sehr stark die arbeitsmarktpolitischen Programme des AMS greifen. In dem Sinn ist die Situation hier günstiger - aber auch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um viereinhalb Prozent ist keine erfreuliche Situation, sondern eine sich verschlechternde Situation."
"Wer gar nicht zu uns kommt, den kennen wir gar nicht"
An die 10.000 Jugendliche pro Jahrgang tauchen aus der Sicht des AMS unter. Das Arbeitsmarktservice kommt nicht an sie heran, sie werden mit dem Fachterminus „NEET“ bezeichnet, das steht für „Not in employment, education or training“. Diese Jugendlichen haben die Pflichtschule absolviert und sind seither aus arbeitsmarktpolitischer Sicht nicht auffindbar - sei es, weil sie zuhause mithelfen oder auch einfach "nichts tun". Sie machen jedenfalls keine Ausbildung, gehen keiner geregelten Arbeit nach. "Das ist eine Personengruppe, die ganz Europa Sorgen macht. Auch wenn Österreich einen besonders niedrigen Anteil hat, haben wir trotzdem einen zu hohen, wir können uns nicht leisten, 10.000 Jugendliche zu verlieren."
Diese Jugendlichen sollen durch ein relativ neues Programm, das Jobcoaching, erreicht werden - gegen Ende der Pflichtschulzeit versucht man vom AMS, an diese Jugendlichen ranzukommen, auch über das Klassenzimmer hinaus. "Hier versuchen die Jugendcoaches mit den Eltern Kontakt aufzunehmen, mit der Schule, mit den Lehrern und auch mit den Jugendlichen - immer mit dem Ziel: meldet euch beim AMS. Weil dann hab ich das ganze Instrumentarium, das über viele Problemlagen hilft, selbst Maßnahmen für Jugendliche, die erste Drogenerfahrungen gemacht haben, wobei alles ganz niederschwellig ansetzt."
Auch am anderen Ende der Bildungsskala gibt es Menschen, zu denen das AMS keinen Kontakt hat. Johannes Kopf: "Wir unterschätzen die AkademikerInnenarbeitslosigkeit im Bereich der Studienabsolventen. Die haben meistens keinen Arbeitslosengeldanspruch und in dem Sinn melden sie sich vielfach bei uns nicht, obwohl wir ihnen bei der Vermittlung helfen würden. Aber viele melden sich nicht, weil sie kein Arbeitlosengeld erwartet."
Nach einem Studium aus dem Bereich Naturwissenschaften, Technik, Wirtschaft oder Jus sind die Jobaussichten nach wie vor gut. Schwieriger ist es, so Johannes Kopf, bei Geisteswissenschaften. Der AMS-Chef nennt Philosophie, Psychologie, Sprachen, die nicht auf Dolmetsch oder Lehramt studiert wurden und Journalismus.
Insgesamt gelten Uni-AbsolventInnen beim Arbeitsmarktservice aber ohnehin nicht als Risikogruppe. Die Arbeitslosenquote unter AkademikerInnen bleibt seit Jahren gleich. Wenngleich die absoluten Zahlen steigen, weil mehr Menschen studieren. Allein in der Dekade zwischen den Unijahren 2000/01 bis 2011/12 hat sich die Zahl der Studienabschlüsse verdoppelt.
Der arbeitlose Akademiker, der im Kurs für´s Bewerbungsschreiben sitzt, dieses Beispiel eines missmatch schafft es seit Jahren locker in die Top-3 der AMS-Kritik. Darauf angesprochen hat Johannes Kopf zwei Antworten.
Geht es um BerufseinsteigerInnen, die von der Uni kommen, ist dann Berufstraining notwendig, wenn sie zuwenig Eigeninitaitive zeigen. Oder aber, wenn die Suche nach einer adäquaten Beschäftigung zulange dauert.
Sich für die Jobsuche Zeit zu lassen, macht zwar Sinn, so der AMS-Chef, aber: "Trotzdem kommt eine Zeit, bei längerer Arbeitslosigkeit, wo es besser ist, einen weniger gut passenden Job zu nehmen, als länger zu suchen."
Arbeitgeber nehmen Personen, die schon länger auf Arbeitssuche sind, ungern, so Kopf. Sie sind skeptisch, ob der langen Arbeitslosigkeit, außerdem veraltet die Qualifikation und auch das Selbstvertrauen schrumpft. "Und das alles führt dazu, dass wir Kundinnen und Kunden, die schon länger als 6 Monaten arbeitslos sind - und das wird oftmals auch kritisiert - gewissermaßen auch drängen Jobs zu suchen und Jobs anzunehmen. Das passiert vielfach auch bei Bewerbungstrainings... weil es besser ist, sie haben eine nicht so adäquate Beschäftigung im Bezug auf Interessen, als sie haben gar keine. Eine noch längere Jobsuche macht dann wirklich einen Schaden."
Anders sieht es bei AkademikerInnen aus, die bereits gearbeitet haben: "Tatsächlich ist es so, dass wir für AkademikerInnen mit Berufserfahrung wenig Unterstützung bei der Jobvermittlung bieten. Das liegt daran, dass diese Personen eigentlich sehr leicht einen Job selbst finden. Die kennen ihren Markt, die kennen ihre Chancen, die haben auch die Qualifikationen die eine Jobsuche braucht. In dem Sinn können wir schlecht rechtfertigen, dass wir viele Ressourcen in diese Personengruppe investieren, wenn gleichzeitig die Arbeitslosenquote bei Personen mit Pflichtschule neun mal so hoch ist und das einfach Personen sind, die ohne Hilfe kaum einen Job finden."