Erstellt am: 3. 11. 2013 - 17:22 Uhr
Enge Bundesheerkooperation mit der NSA
Aus den in der vergangenen Woche veröffentlichten NSA-Dokumenten geht hervor, dass die Zusammenarbeit der österreichischen Militärgeheimdienste mit der NSA weit umfangreicher sein muss, als bisher bekannt war.
In einer Liste von Staaten, die mit der NSA am engsten zusammenarbeiten, findet sich das neutrale Österreich in einer überraschend prominenten Position. Als "Tier B"-Partner steht Österreich da in einer Reihe mit Deutschland und 14 weiteren NATO-Staaten, die "fokussierte Kooperation" mit der NSA betreiben. Dabei handelt es sich um "Kooperation bei Operationen in Computernetzen" und deren Auswertung ("Exploitation").
"Die Frage, wie und warum die Republik Österreich in internen Papieren der NSA erwähnt wird, kann nur durch die NSA beantwortet werden", hieß es dazu aus dem Verteidigungsministerium auf Anfrage von ORF.at. Warum Österreich als Partner im Ranking der NSA höher als Frankreich und die Hälfte der NATO-Staaten eingestuft wurde, wurde damit nicht beantwortet.
Das von der spanischen Tageszeitung "El Mundo" zusammen mit einem Artikel von Glenn Greenwald veröffentlichte Dokument trägt den Titel Sharing computer network operations cryptologic information with foreign partners.
"Punktuelle Kooperationen"
Seitens des Bundesheeres wurde betont, dass es sich jeweils nur um "punktuelle Kooperationen" handle. Zumindest das deckt sich mit dem betreffenden NSA-Dokument, in dem "Tier B"-Staaten generell als solche mit "focused cooperation" charakterisiert werden.
In Deutschland bedeutet derselbe Status als "Tier B" allerdings, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst mit teilweise von der NSA gestelltem Equipment ganz offiziell bis zu 20 Prozent des Datenverkehrs auf deutschen Glasfasernetzen überwacht. Seitens des Bundesheers habe man "keinen Zugang zu Glasfaserknoten oder Servern von Providern", hieß es dazu aus dem Verteidigungsministerium in Wien.
"In Not geratene Österreicher"
Auf die Frage, was unter einer solchen "punktuellen Zusammenarbeit" mit der NSA denn sonst zu verstehen sei, gab es folgende Auskunft. Diese Zusammenarbeit würde sich ausschließlich auf die "Einsatzräume des Bundesheeres und die Sicherheit der dort eingesetzten Soldaten" beziehen bzw. dazu dienen, "im Ausland in Not geratene Österreicher wieder sicher nach Hause zu holen".

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Dass man sich von der NSA bei der Verfolgung der eigenen Interessen unterstützen lässt, stellt allerdings noch keine Kooperation dar, die den Status als "Tier-B" rechtfertigen würde.
Die "im Ausland in Not geratenen Österreicher" erinnern sehr an die "verirrten Wanderer und Tourengeher" des ebenfalls in einer Überraschungsaktion erweiterten österreichischen Polizeibefugnisgesetzes von 2007.
Schweiz, Schweden und Österreich
Das Verteidigungsministerium verwies allerdings darauf, dass mit der Schweiz und Schweden auch zwei weitere neutrale Staaten auf dieser "Tier B"-Liste der NSA stünden.
Im Fall von Schweden ist das wenig überraschend, denn seit 2008 ist dort ein Gesetz in Kraft, das den schwedischen Militärgeheimdienst FRA ermächtigt, den gesamten ein- und ausgehenden Datenverkehr an den Glasfaserkabeln zu überwachen. Ebenso bekannt ist, dass Schweden seit der Zeit das Kalten Krieges in puncto Spionage mit den USA intensiv zusammenarbeitet.
In der Schweiz ist bereits seit dem Jahr 2000 ein aus drei Stationen bestehendes System zur Satellitenüberwachung in Betrieb. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es neben eigenem Erkenntnisgewinn dazu dient, auch über Daten zu verfügen, die für Dritte von Interesse sind. Nur damit kommt ein Land wie die Schweiz an relevante Informationen, die anderswo auf der Welt "gewonnen wurden", wie das Abzapfen gerne umschrieben wird.
Wie aus einem aktuellen Bericht des US-Rechnungshofs hervorgeht, spielt das US-Ministerium für Heimatschutz in den Botschaften der USA eine wichtige Rolle. Der "Kampf gegen den Terror" wird dazu benutzt, die Kommunikationsnetze weltweit zu infiltrieren.
Genf, Wien und die UNO
Die Schweiz und Österreich aber stehen aus einem anderen, gemeinsamen Grund unter den NSA-Kooperationspartnern so weit vorne. Genf ist mit 9.500 Angestellten noch vor New York der weltweit größte UNO-Sitz, in Wien sind es etwa 4.000 UNO-Beschäftigte.
Dazu kommen hier noch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), die Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC), die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und andere UNO-Teilorganisationen. Genf wie Wien haben also für die NSA mithin die höchste Dichte an solchen "hochrangigen Zielen" ("high profile targets") in Europa aufzuweisen.
Nur dehalb war man seitens der USA an einer solch hochrangigen Kooperation mit diesen beiden neutralen Staaten überhaupt interessiert. Dazu passen die neuesten Enthüllungen des "Guardian" vom Samstag über die Bespitzelung von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Das betreffende Dokument datiert vom April 2013. Ende Februar 2013 war der UNO-Generalsekretär mehrere Tage lang in Wien.
Datenökonomie der Dienste
Klar ist, dass die NSA nicht starr der Hierarchie militärischer oder wirtschaftlicher Bündnisse folgt, sondern dass sich die Kooperationen auch an der Wertigkeit der jeweiligen Ziele orientiert - und an der Willigkeit des Kooperationspartners. Die Frage ist nur, was die NSA im Gegenzug dafür bekommt, wenn sie dabei behilflich ist, "in Not geratene Österreicher" heimzuholen. Die Gesetze der militärischen Datenökonomie sind nämlich nicht anders als die im Wirtschaftsleben, alles folgt dem "Quid pro quo".
Militärbefugnisgesetz, Februar 2013
In diesem Sinne erscheint ein Gesetzesentwurf aus dem Frühjahr 2013 in völlig neuem Licht. In der Novelle zum Verwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz war unter einem Wust von kleinen Änderungen einzelner Paragrafen auch eine Änderung zum "Wehrrecht-Begleitgesetz" versteckt. Die sollte den Paragrafen 22, Absatz 2a des Militärbefugnisgesetzes adaptieren. Jeder einzelne Absatz wurde ausgeweitet, präzise Definitionen wurden grundsätzlich durch Verweise auf andere Gesetzespassagen und/oder durch Allgemeinplätze ersetzt.
Dieser Bericht über den Zugriff der Heeresdienste hatte den Rückzieher ausgelöst. Die Basisrecherche dafür stammte von Unwatched.org.
Die geplanten neuen "Auskunftspflichten" waren so schwammig formuliert, dass eine umfassende Mitwirkung bei den Datendeals mit den USA nach dem Muster Schwedens gesetzlich gedeckt worden wäre. Die das Militärbefugnisgesetz betreffende Passage wurde vom Verteidigungsministerium nach ihrem Bekanntwerden jedoch blitzartig zurückgezogen.
Im Licht der neuesten Entwicklungen stellt sich nun die Frage, ob diese juristische Übernachtaktion im Februar dazu gedacht war, zukünftig über mehr Handelsware im Datenaustausch mit "befreundeten" Diensten zu verfügen - oder ob damit, was weit wahrscheinlicher ist, ein Status quo juristisch untermauert werden sollte.