Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "There is a king in town"

Clemens Fantur

The street is the mother of all media.

4. 11. 2013 - 11:20

There is a king in town

Koenigleopold sind mit ihrem Debütalbum "Eure Armut kotzt mich an" unser FM4 Artist Of The Week.

"Alle Ähnlichkeit mit lebenden Personen und realen Zitaten sind rein zufällig und nicht absichtlich". So zu finden ist dieser Disclaimer im Booklet zum Debütalbum von Koenigleopold. Wer die Geschichte von Keonigleopold und ihrem mittlerweile gut bekannten Youtube-Hit "Kohlhauser" kennt, kann sich vorstellen, warum dieser kleine Satz den Weg ins Booklet gefunden hat. Der Song "Kohlhauser" selbst hat es im Übrigen nicht, denn dieser war bereits auf der im Frühjahr erschienenen EP "Aalfang" zu finden.

FM4 Artist of the Week

Alle zum Nachlesen auf fm4.orf.at/artistoftheweek

Koenigleopold

Nicht nur der Song, sondern auch ein gewisser Herr Kohlhauser selbst hat dem Koenigleopold nämlich damals zu Aufmerksamkeit verholfen. Kohlhauser hat sich durch den Liedtext diskreditiert gefühlt und eine Löschung des Songs plus Schadensersatz gefordert. Man stelle sich vor, was passiert wäre, wenn dieser Präzedenzfall ausjudiziert worden wäre... Youtube könnte heute noch zusperren. In einem Telefonat mit dem Fleischermeister himself versicherten Koenigleopold, niemanden jemals persönlich verletzt haben zu wollen. Aber all das ist nun Geschichte und um den Herrn Kohlhauser soll es an dieser Stelle auch nicht mehr gehen, auch wenn Song, Video und die irritierten Reaktionen darauf doch sehr ansehnlich zu vermitteln wissen, um was und wen es sich bei Koeniglepold handelt.

A new King in town

Soweit es uns die Geschichtsschreibung richtig vermittelt, wurde Koenigleopold erstmals 2004 urkundlich erwähnt, als sich Leo Riegler und Lukas König im Dunstkreis der Jazzwerkstatt Wien kennenlernten und namentlich fusionierten. So richtig laut wurde es um den King allerdings erst 2012, als erste Konzerte ankündigten, dass hier etwas Großes auf uns zukommen könnte. Mit der EP "Aalfang" und dem "Kohlhauser" wurde dann die Rampe für und auf die großen Bühnen gelegt.

Weiterlesen

  • Carbon Hauser Kontroverse: Zur Zeit des großen Kohlhauser-Aufruhrs waren Koenigleopold zu Gast bei Kristian Davidek
  • Des Königs neuer Remix: Auf FM4 hatten wir im Februar einen Koenigleopold-Remixcontest, wobei Lukas und Leo höchstselbst als Juroren fungiert haben: gibt's hier!

Big Dada

Nun also "Eure Armut kotzt mich an". Schon gleich zu beginnt zeigt einem dieses Album, in welch normierter und schmaldimensionalen Welt Journalisten und Musikmedien leben und denken, als der Schreiber dieser Zeilen aufgefordert wurde, bitte eine Genre für die neue Koenigleopold anzugeben. Wie bitte!? Schon mal reingehört? Geht nicht. Diese Schubladisierungswut ist auch eine Form von Armut, die einen ankotzen könnte. Ist aber die Regel. Kann aber Koenigleopold scheißegal sein, denn Regeln gibt es bei Koenigleopold scheinbar keine. Scheinbar nur deshalb, weil der in Wort und Musik geballte Wahnsinn, der sich da über Album und Liveauftritte erstreckt, auf einem Fundament gebaut ist, das genau dieses Ausufern doch überhaupt erst zulässt. Bei Koenigleopold wird weit weniger improvisiert als man vermuten mag, denn ihr Fundament besteht zu gleichen Teilen aus einer tighten und schlüssigen Komposition, die gepaart mit musikalischer Präzision, Souveränität und Eingespieltheit jene Spielwiese auslegt , auf der man sich dann austoben kann. Oder anders gesagt: Leo Riegler und Lukas König sind zwei fucking gute Musiker, die genau wissen, was sie da tun.

Diese Skills gepaart mit dem Mut zur großen Geste, dem Mut zum Experiment, dem Mut zur Improvisation und schließlich und endlich auch mit dem Mut zum Scheitern und Untergehen, kann den Nährboden dafür bieten, Neues entstehen zu lassen oder wenigstens auszuloten. Jazz könnte man das nennen – wenn ihr schon ein Genre braucht.

  • Die Ursprungsversion von Heat the Water, die als Version 2.0 den Weg aufs Album gefunden hat.

Auf all diesem Jazz breitet sich „Eure Armut kotzt mich an“ aus, experimentiert und flirtet mit scheinbar allen Musikstilen, die einem beim Durchforsten der terrestrischen UKW-Frequenzen zwischen 87,5 und 108 Mhz so unterkommen könnten.

Für ihr neues Video zu "Südsee von Palermo", das sich mit dem Thema Rassismus beschäftigen wird, suchen Koenigleopold noch Mitwirkende. Hier kann man sich melden.

Während ein Titel wie „Südsee von Palermo“ schon vermuten lässt, dass es sich hier um einen Schlager handeln könnte ("hätte"), oder Songs wie „Jay-Rap“ oder „Holla Bitch feat MC Rhine“ eindeutig beweisen, dass der König auch ein Pimp ist und auf einen HipHop-Background zurückgreifen kann, beweisen Stücke wie das Recording-Experiment „Arco“ oder „Schlatzjacken“ die musikalische Bandbreite des Kings. Selbst eine Johann Sebastian Bach Coverversion ist dabei. Kein Scherz. Zappa trifft auf Biggie Smalls, Battlerap auf den Bachmann-Preis. Eine wilde Achterbahnfahrt zwischen Moshpit, Cypher, Jazzwerkstatt und Staatsoper. Schweißgebadet haltet man danach die Goschen.

Eines steht fest, wer tatsächlich geglaubt hat, besser als mit dem Kohlhauser kann es nicht mehr kommen, der hat sich ganz grob geschnitten und die Rechnung ohne den König gemacht.

Du: Anwärter auf „Album of the year“?
Ich: Unbedingt.

Du: Aber in welchem Genre?
Ich: Halt die Goschn.