Erstellt am: 2. 11. 2013 - 09:52 Uhr
Fantasiereiche und Fantasywelten
Tragische Liebesgeschichten gehören zum Grundstoff der Literatur. Und erst recht des Kinos. Boris Vians Roman „Der Schaum der Tage“ ist aber dann doch ein wenig anders. Die Begegnung des jungen Bohemiens Colin mit der charmanten Chloé spielt sich in einem surrealen Paris ab, in dem die Gegenstände ein Eigenleben führen und die konventionelle Welt wortwörtlich Kopf steht.
In dem Buch, dass in Frankreich kultische Verehrung genießt, wimmelt es vor sprechenden Mäusen, sabbernden Teppichen, nachwachsenden Schuhsohlen und Pianos, die Cocktails mixen können. In diesem Universum verwundert es auch nicht, dass Chloé plötzlich an einer ausgesucht seltsamen Krankheit leidet. Eine Seerose wächst in ihrer Lunge und bedroht ihr Leben. Colin, der reiche Dandy, ist bestürzt und verbraucht sein ganzes Vermögen für Blumen, die seiner Geliebten kurzfristige Linderung versprechen.
Schon dieser kurze Versuch einer Inhaltsangabe macht klar, dass „L'Ecume des jours“, wie der Roman im Original heißt, sich eigentlich einer Verfilmung entzieht. Für Regisseur Michel Gondry, der den Schriftsteller, Jazztrompeter, Chansonnier, Schauspieler und Übersetzer Boris Vian schon ewig bewundert, liegt eben darin der Reiz.
Studio Canal
Zwanghaft bezaubernd
Jahrelang hat der Pariser Filmemacher, dessen Hollywood-Abstecher „The Green Hornet“ ziemlich floppte, an der Leinwand-Transformation seines Lieblingsbuchs gearbeitet. Weil Gondry als Spezialist für verhuschte Traumszenarien gilt - wir erinnern uns an Filme wie "Science Of Sleep", "Be Kind Rewind" und natürlich das Meisterwerk "Eternal Sunshine Of The Spotless Mind" - vertrauten ihm diesbezüglich auch die Produzenten.
Die Stars Roman Duris, Audrey Tautou und Omar Sy dürfen in knallbunte Exzentriker-Klamotten schlüpfen, die abstrakten Sätze werden dank eines fetten Budgets zu Bildern. Leider ist das genau der falsche Weg. Gondry versucht sämtliche verschwurbelten Metaphern der Vorlage mittels Spezialeffekten lebendig werden zu lassen, bringt dabei aber die Magie von Boris Vian zum Verschwinden. Da helfen auch die betont auf analogen Charme setzenden Tricks wenig.
Bei aller Sympathie für Michel Gondry und sein bisheriges Schaffen: Der Film wirkt wie Existentialismus in der Cupcake-Version: Noch mehr als in den bisherigen Arbeiten des Franzosen regiert eine zwanghaft bezaubernde, bewusst pittoreske und ausgesprochen niedliche Stimmung. Trotz einiger berührender Momente gegen Ende ist „Der Schaum der Tage“ bestenfalls ein verkitschtes Dating-Movie für putzige Indie-Pärchen geworden.
Studio Canal
Mehr von allem
Vom versponnenen Fantasiekino zu einem waschechten Fantasyfilm, der ebenfalls gerade bei uns gestartet ist. Wobei letzteres nicht ganz stimmt, denn der neueste Marvel-Blockbuster entpuppt sich als wilderes Genre-Crossover als erwartet.
In „Thor: The Dark World“, den die deutschen Titelmacher aus unerfindlichen Gründen in „Thor: The Dark Kingdom“ umtauften, schlüpft nicht nur Chris Hemsworth nochmals in die Rüstung des nordischen Donnergotts. Auch Natalie Portman, Tom Hiddleston, Anthony Hopkins und Idris Elba sind wieder an seiner Seite zu sehen. Der erneute Ausflug ins Götterreich Asgard knüpft dabei direkt ans Ende des immens erfolgreichen „Avengers“-Films an.
Dreckiger, roher, emotional aufwühlender: Die Produzenten hatten im Vorfeld einen Streifen beschworen, der etwas mehr Wagnisse eingehen würde als der unterhaltsame, aber doch sehr glatte erste Teil der „Thor“-Reihe. Tatsächlich löst Regisseur Alan Taylor diese Versprechungen ein. Gleichzeitig versucht der Film aber auch, komödiantischer als das Original zu sein. Und auch epischer und actiongeladener. „Thor: The Dark World“ folgt ganz klar dem Mehr-ist-mehr-Prinzip.
Disney
Rauheres und dunkleres Asgard
Es ist Alan Taylor und den Marvel-Strategen zu verdanken, dass sich das Endresultat nicht komplett überladen und aufgebläht anfühlt. Der Regisseur, der neben etlichen Folgen der zurecht gefeierten TV-Saga „Game of Thrones“ auch für Schlüsselepisoden von Überserien wie „Mad Men“, „The Sopranos“ oder „Bored To Death“ verantwortlich zeichnet, verknüpft die unzähligen Ansätze und stilistischen Fäden ziemlich souverän.
Taylor präsentiert ein tatsächlich rauheres und dunkleres Asgard als sein Vorgänger Kenneth Brannagh, der sich in den bunten CGI-Bombast zu sehr verliebte. Während die nordische Götterwelt im ersten Teil auch noch als digitaler Intrigantenstadl gezeigt wurde, geht es diesmal wirklich um's Ganze. Leben stehen auf dem Spiel, auch im Reich der vermeintlich Unsterblichen und erst recht auf der Erde.
Der gewisse Superhelden-Schmäh, seit Anbeginn der Comics ein Marvel-Markenzeichen und spätestens seit Joss Whedons „Avengers“ untrennbar mit den Leinwand-Adaptionen verbunden, durchzieht dennoch den Film. Der großartige Chris O’ Dowd stiehlt diesbezüglich in einigen Kurzauftritten den großen Stars die Szenen.
Disney
Leichtfüßiger Superhelden-Cocktail
Ach ja, die Story: Es reicht zu erwähnen, dass ein neuer Bösewicht auftaucht, der sämtliche neun Reiche bedroht, ein diabolischer Elfenkönig (Christopher Ecclestone), der für absolute Finsternis steht und sogar den verschlagenen Loki verblassen lässt. Der hitzköpfige Thor muss sich sogar mit seinem inhaftierten Halbbruder zusammentun, um das Universum zu retten.
Für uns Zuseher ergibt das eine weitere Gelegenheit, den (un-)heimlichen Star des Franchise, den wunderbaren Tom Hiddleston, in seinem Element zu erleben. Allerdings ist auch Chris Hemsworth inzwischen überzeugender in seine muskelbepackte Rolle hineingewachsen, inklusive zusätzlichem Sympathiebonus, den er durch Filme wie „The Cabin In The Woods“ und vor allem „Rush“ genießt.
„Thor: The Dark World“ erfindet das Marvel-Comickino in keinem Moment neu. Aber ein leichtfüßiger Superhelden-Cocktail aus „Game of Thrones“, „Lord of the Rings“, „Star Trek“ und „Star Wars“ mit einem Haucherl von Judd Apatow, dass ist zumindest mal mehr als erwartet.