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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

1. 11. 2013 - 14:31

So Sad About The Boy

Beim Ahoi! Pop Festival im Posthof in Linz: Scott Matthew, Ghostpoet, und die tragische Selbstdemontage des Badly Drawn Boy.

Es war einmal ein sympathisch-kauziger junger Brite mit einer dicken Wollmütze auf dem Kopf und wunderschönen Songs, die leuchteten wie kleine Sterne hinter zarten Wölkchen. Ich werde gerne poetisch, wenn es um die Lieder von Badly Drawn Boy geht. Damon Gough, wie der "schlechtgezeichnete Junge" aus Manchester eigentlich heißt, gelang vor dreizehn Jahren mit seinem Debutalbum "The Hour Of Bewilderbeast" ein seltenes Pop-Juwel. Irgendwann aber schon machte sich ein Bild des Künstlers breit, das ihn zuallererst als den "komischen Typen mit der Wollhaube" darstellte. Mercury-Prize und "About A Boy"-Soundtrack hin oder her, there was something about the Boy, das seine Dämonen immer mehr zum Vorschein brachte und seine herzzerreißenden Songs zu überdecken begann.

Und wieder war da zuletzt eine Badly-Drawn-Boy-Geschichte mit einer Publikumsbeschimpfung, irgendwo in England letztes Jahr, und zuletzt bei einem von Damon Gough organisierten Tribute-Konzert für den verstorbenen US-Musiker Elliott Smith. Ihm widmet Badly Drawn Boy in Linz dann auch einen Song, eines seiner bekanntesten Stücke: "Once Around The Block" aus dem "Bewilderbeast"-Album, mit der Songzeile "you quiver like a candle in the wind". Was für ein Stück das einmal war. Man kann es nur noch erahnen.

Badly Drawn Boy

Christoph Thorwartl/subtext.at

Badly Drawn Boy ist, sagen wir es mal gelinde, planlos auf der Posthof-Bühne. Im Interview, das Damon Gough schließlich am späten Abend vor dem Konzert dann doch noch geben möchte, sagt er, "Ich komme oft nicht zurecht mit der Live-Situation." Auf der Bühne meint er dann, nicht ohne Selbstverachtung, er sei jener Typ, der live immer alles versemmelt. "Steht eh alles im Internet", sagt er und fügt hinzu: "Ich bin kein aggressiver Typ, ich werde missverstanden."

Lou Reed widmet Badly Drawn Boy den Song "Journey From A To B" von seinem 2006 erschienen Album "Born In The UK", das in Anlehnung an Bruce Springsteens großes 1980er-Jahre-Album "Born In The USA" so heißt, war Damon Gough doch immer ein größerer Bewunderer von nordamerikanischer Musik als von britischer: Pavement etwa, Sebadoh oder Beck.

Badly Drawn Boy

Christoph Thorwartl/subtext.at

Der Badly Drawn Boy hat inzwischen beim Linz-Konzert zur akustischen Gitarre gewechselt. Seine Finger. Was ist mit seinen Fingern? Die wollen nicht. Und die Songtexte wollen auch nicht. Am Piano - einem Bösendorfer Flügel - war ich ja noch voller Hoffnung, dass der Badly Drawn Boy es heute definitiv gut schaffen könnte, trotz, ah, gewisser vorangegangener Exzesse. Er war kurz vor dem Konzert schließlich gut gelaunt, wenn auch immer wieder verzweifelt ob kleinerer Stresssituationen: Er wolle sich endlich niedersetzen, meinte er etwa panisch, als die Backstagetür nicht gleich gefunden war, und er habe einfach zu viel zu tun, sagte er, als er sich erst nicht entscheiden konnte, ob er mit mir sprechen will oder das Konzert von Scott Matthew von der Seite der Bühne aus ansehen möchte. Müssen wir uns Sorgen machen um Damon Gough? Ja. Insgesamt bei diesem Auftritt, und wenn er da etwa sagt, dass er vielleicht nicht mehr lange leben könnte.

In kleinen Momenten kommt der große Zauber des Badly Drawn Boy etwas durch, etwa bei "Magic In The Air" vom "Bewilderbeast"-Album, das Badly Drawn Boy am Flügel sitzend spielt. Er singt: "You will track me down again, before the summer ends". Was für ein Song, welche Stimme; sie ist noch immer da. Aber sonst? So sad to see the Boy like this. Was tun?

Die Finger wollen nicht mehr, sagt er, bedankt sich beim Publikum - das zu einem beträchtlichen Teil inzwischen längst das Weite gesucht hat, auch der bereits späten Stunde wegen, aber zuallererst doch des Badly Drawn Boys wegen und seiner, wie man in Großbritannien sagen würde, "shambolic performance" wegen. Nein, die Finger wollen absolut nicht mehr. Spricht's, drischt die Gitarre nach hinten und geht von der Bühne. Es sind die Finger, sagt Damon Gough nach dem Konzert, diese Finger, die wund sind. "Wenn ich wieder regelmäßig spiele, wird das wieder", sagt er. Ja? Wirklich? Eine gewisse Fassungslosigkeit im nun leeren Saal, kleine Grüppchen stehen konsterniert zusammen. Lange Gesichter.

Scott Matthew

Fotos von Christoph Thorwartl/subtext.at

Scott Matthew

Boy Completely Lost

"Get your shit together!". Das will man diesem Mann zornig sagen, oder ihn flehentlich bitten: "Don't throw it all away." Bei einem Konzert in der Szene Wien, als sein erstes Album erschienen war, hatte Damon Gough noch Fotos von seinem damals neugeborenen Kind durch's Publikum gereicht, und dabei hatte er das süßeste Grinsen der Welt im Gesicht. Gestern meinte er in Richtung seiner beiden Backing Sängerinnen - in Kostümchen, die Helloween-gemäß ein wenig an den Film "The Shining" erinnern sollten, laut Damon Gough - welche er als erste gern "shaggen" würde. Das Wort "to shag" verwenden Briten umgangssprachlich gern für f*. Eine der beiden ist seine Freundin. Ein völlig anderer Badly Drawn Boy als damals, eine komplett andere Situation. Ich bin nach diesem Konzert schlicht und einfach traurig.

Scott Matthew - mit entzückenden "pig tails" im Haar - hat "abgeliefert", im besten Sinne. Es läuft gut für den Australier in New York, und das merkt man. Alle lieben Scotty, und Scotty schenkt viel Liebe zurück. Charmbolzen Scott Matthew spielte einige Songs aus seinem aktuellen Covers-Album, etwa John Denvers "Annie's Song": Großartig.

Ghostpoet

Christoph Thorwartl/subtext.at

Ghostpoet (Alle Fotos von Christoph Thorwartl/subtext.at)

Vor Scott Matthew spielte Ghostpoet aus London, der insgesamt ein ziemlich guter Typ ist - smart und arty, mit toller Substanz in seinem ambitionierten Schaffen. HipHop, Elektronik, Groove - it's all in a day's work, wie man in England sagen würde, für Ghostpoet. Passte gut in das Lineup des Abends, trotz eigentlichem Nicht-Dazupassen.

Auch die erste Band des Abends - Mighty Oaks, ein Berliner Indie-Folk-Trio bestehend aus einem Briten, einem Italiener und einem US-Amerikaner - konnte sich gut vorstellen, samt ein, zwei Post-Rock-Gewittern im Repertoire.