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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

30. 10. 2013 - 21:58

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 30-10-13.

Sport, Medien, Macht-Politik und viele "echte Österreicher". #KollerbleibtTeamchef. #Noch100TagebisSochi.

Jetzt schon ein Monat alt: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen um so (zumindest fast) Täglichkeit hinzukriegen. Heute mit zwei Items aus diesen Themenfeldern.

Koller bewahrt uns vor zwei Jahren Boulevard-Kloaken-Gestank

#fußball #medien

Höchst erleichtertes Ausatmen nach langem Luftanhalt-Modus #Koller @oefb1904 sagt der Tweet, der mir heute um 13:12 aus dem Herzen gerutscht ist. Ich habe lange und oft genug dargelegt, warum die beiden bisherigen Koller-Jahre die einzige Chance auf so etwas wie eine zumindest mittelfristige Gesundung des gesamten heimischen Kicks sind. Und natürlich war klar, wie hart der Backlash sein würde, den der österreichische Boulevard, seine Interessenssteuerer und die Haberer-Partien aus dem Bereich der pfründegeilen Ex-Teamspieler nach einem eventuellen Abgang Kollers veranstalten würde.
Und der war realistisch.
Schon Nürnberg hätte man verstehen müssen, aber dann noch das Angebot, im Herbst 2014 die Schweiz zu übernehmen – das ist ein fast übermächtiger Verhandlungs-Gegner.

Koller kann einzig (denn die Finanzen sind es nicht) der sportliche Wert gereizt haben: die erste EM-Qualifikation für Österreich aus eigener Kraft, Euro in Frankreich 2016! Es kann aber auch ein Zuwachs an Macht sein, den er mit seiner Unterschrift rausgepresst hat – das werden wir in den nächsten Monaten erkennen. Das könnte einen weiteren Modernisierungs-Schritt des Dinosauriers ÖFB auf allen möglichen Ebenen bedeuten. Unabdingbar, um die nächsten Monate (noch) besser bestreiten zu können als die letzten (eh schon guten) Jahre.

In der Hoffung auf eine solche Lösung habe ich es unterlassen, dieses Themas bisher zu beackern – trotz vieler Aufforderung, in Österreich, wo Kaffeesud-Leserei und Nullwerts-Ministeriums-Aufsager als Journalismus gelten, ist das Publikum schon versaut, eh klar. Ich konnte dem nur einmal, als ich am Freitag während des abendlichen U17-WM-Spiels Österreich – Iran einem wüsten Wachtraum, der mir einen Teil des großen manisch-depressiven Dilemmas des österreichischen Fußballs erläuterte, nicht entgehen, und Andreas Herzog war da eine negative Zentral-Figur. Jener Andreas Herzog, der bei einer Koller-Absage Teamchef geworden wäre.

Die am Wochenende befürchteten Formulierungen wurden schon ein paar Stunden später Wirklichkeit. Der Boulevard, nein, die Kloake des Boulevards, hatte – in der Fehlannahme einer sicheren Absage von Koller – eine Hetz-Kampagne begonnen, auf die Herbert Kickl stolz wäre. Die Kollegen von 90minuten.at haben diesen stinkigen Latrinen-Mix dankenswerterweise dokumentiert (ich hab's on paper gesaved und nächtens im FM4-Radio Wort für Wort vorgelesen): nicht der geldgierige Schweizer, sondern der engagierte Österreicher Herzog sei ein "echter Nationaltrainer".

Koller sei nichts als ein Verräter. Diese Worte kommen nicht von irgendeinem Sport-Schmierfingerchen oder einem derangiert wirkenden Ex-Kicker, sondern vom Chefredakteur des Blattes, "Österreich" heißt es.

Wolfgang Fellner ist ein Mann, der nichts ohne Grund tut: wie sich das Blatt über politisch motivierte Anzeigenvergabe durchs Haifisch-Geschäft laviert, ist geschickt, dabei gibt es dann aber eben keinen Journalismus, sondern gezielte Interessenspolitik. Gelobt wird, wer nützlich ist, angesudelt wird, wer weg soll. Fellners wichtiger Mitarbeiter Wolfgang Ruiner ist auch über die Bayern-Zeiten hinweg, wo er für die Bild Schlagzeilen dichete, gut mit Andreas Herzog vernetzt. Wenn der Haberer den Job kriegt, dann hat das Österreich jeden Furz, jedes Detail als erstes Medium. Und der liebe Andi ein großspuriges Blatt, das jenseits jeder Wirklichkeit alles, aber auch alles zu trotzdem super, Andi! umschreiben wird. Denn um genau diese gruselige Sitte, die unseren Fußball so stelletreterisch macht, ging's da in meinem Wachtraum.

Dass auch Peter Linden, der Fußball-Machthaber der Kronen-Zeitung, den Intimus des ÖFB-CEO Alfred Ludwig, – verbal dezenter – längst öffentlich für Andreas Herzog und gegen den Landesverräter wütete, vervollständigt das Bild.

Da dieses Klüngel natürlich auch noch in den nächsten Jahren an der Medien-Macht sein wird (ihr wählt sie ja nicht ab), werden wir also immer wieder xenophobe Schmutzkübel erleben; mit einer Kampagne, die dann wiederum bei der NR-Wahl 2018 Nachwirkungen haben könnte. Ja, geil, diese "echten nationalbewussten Österreicher"... vor allem, die, die außer Österreicher-Sein halt nicht viel können.

Sochi, oder: der ÖSV versteht da einen wirtschaftlichen Zusammenhang irgendwie nicht

#fußball #medien

Noch 100 Tage bis Sochi. Ich schreib' den Ort jetzt einmal (deshalb) so, vielleicht fällt einem echten Österreicher ja noch ein Eindeutschungs-Name ein.

Ein gruseliges Thema: politische Repressionen, Homosexualitäts-Verbot, wie in jeder nicht-wirklich-Demokratie rücksichtslose Bau- und Umweltsünden. Und mittendrin tänzeln der überaus geschäftstüchtige ÖSV-Direktor und ein sehr altes Ski-Idol namens Karl Schranz und sind auf ganz vielen Aufnahmen Putins beste Freunde.

Da will man gar nicht an Sport denken. Schade, denn die österreichischen Eishackler haben sich qualifiziert unter die besten zwölf der Welt, das gelingt sonst echt kaum. Und die Iraschko könnte, wenn sie aufs Podium kommt, irgendwen wild küssen, nur so.

Der ÖSV hat quasi ein Heimspiel: die russische Skiindustrie hat große Teile ihres Know Hows aus Österreich. Wie ja Östereich überhaupt gern und viel exportiert: in exotische Länder, gern die Golf- oder zentralasiatische Staaten, die alle mit wenig bis gar keiner Demokratie auskommen. Das ist, siehe Russland, die beste Geschäftsgrundlage.

Nun zieht diese Vermehrung der Märkte, diese Vergrößerung der sportlichen Landkarte eines nach sich: diese Nationen wollen auch zu Olympia (die reichsten davon kaufen sich das oder eine Fußball-WM schlichterhand).

Diesen Zusammenhang zu verstehen, damit hat wiederum der ÖSV ein Problem. Davon war vor ein paar Wochen hier zumindest für mich auffällig, erstmals die Rede.

Über die Quote, vor allem im alpinen Skisport, seiert der ÖSV schon, seit ich denken kann. Wenn nun sieben Österreicher unter den ersten sechs sind, dann lass halt alle starten! 22 waren es zuletzt, Männer und Frauen zusammen, in zwölf Bewerben. Da die meisten ÖSV-Ladies fast alles können, gab's da nie ein Problem; die Sache mit den zu vielen Herren-Spezialisten aber führte dann gern dazu, dass ein paar Bären mitfuhren, die dann gar nicht eingesetzt wurden, während anderswo Löcher klafften – die Quote diente der Befriedigung von Funktionärs-Eitelkeiten und ist auch das einzige Zuchtmittel, das so ein Schröcksnadel gegen so einen Hermann Maier hat; nein, den nicht, der darf alles, der hat ja auch noch die Raika, komplett sakrosankt. Aber für die zweite Reihe reicht es.

Nur waren diese 22 laut Panik-Stand vor einem Monat auf 15 gesunken. Unter anderem auch deshalb, weil es neue Regeln gab, die man nur lesen und einhalten hätte müssen, was der ÖSV natürlich bis dorthin nicht getan hatte. Weil man sich mit den Niederungen des Regelwerks für die Bloßfüßigen nicht so sehr interessiert.

Erst jetzt, im schon laufenden Quali-Prozess (und dabei geht es um den geschickten Streueinsatz zu FIS-Rennen oder Kontinental-Serien) passiert was. Und schau, dieser Tage ist man schon auf 19 heroben. Hoppauf, das wird!

Ist nur ein Detail, ich weiß, aber ein doppelt verräterisches: zum einen versteht man die allgemeine große Unbeliebtheit des als arrogant geltenden ÖSV in der Ski-Welt; zum anderen ist man immer dabei, wenn's um Business und Verkaufen geht, die Konsequenzen hat niemand im Auge. Nicht in der Pimperl-Quote-Sache, die man sich durch seine Business-Politik ja ausschließlich selbst eingebrockt hat, und schon gar nicht in Fragen von ökonomischer Ausbeutung, Umweltverbrechen und Menschenrechtsbeschneidungen der üblen Sorte.

Das ist (ich bin sicher, Präsident Schröcksnadel, ein rechtschaffener Österreicher, würde es so erklären) allen vom Herren von oben als Binkerl in die Welt gegeben worden und sicher nicht die Schuld derer, die die Infrastruktur mithinstellen, mit der sich ein Despot abfeiern lassen kann. Wie es ja auch nie Schuld der Waffenhändler ist, wenn in einem Krieg jemand stirbt.