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Christian Stiegler

Doktor für grenzwertiges Wissen, Freak-Shows und Musik, die farblich zu Herbstlaub passt.

30. 10. 2013 - 18:00

In einer Bar unter dem Meer

Ein Erzählband von Christoph W. Bauer, geschmeidig und verträumt wie ein Song von Simon and Garfunkel.

Die Meidlinger ist ihm wahrlich verhasst. Seit sie in der Firma arbeitet und sich mit Raimund ein Büro teilt, kann er sie nicht ausstehen. Es gab auch positive Lichtblicke, aber großteils stellt es ihm bei den schrillen Farben, die sie sich ins Gesicht schmiert, ihrer schrecklichen Kleidung und dem ewigen Zuspätkommen, die Haare auf. Vor allem aber: Sie raucht. Insgesamt verraucht sie zwei ganze Tage im Monat, hat sich Raimund errechnet. Seinem Chef braucht er sein Leid nicht zu klagen, der hat nur Augen für die Meidlinger. Seine Frau bekommt all den Kummer ab: Ständig wird gestänkert, die Meidlinger beim Essen beschimpft und geklagt.

Raimunds Gattin wiederum steht ein wenig zwischen den Fronten. Sie kennt die Meidlinger nicht, hält aber verständlicherweise zu ihrem Mann. Würde sie der Meidlinger einmal rein zufällig in einer dunklen Gasse begegnen, nun, aber diese Gedanken verscheucht sie wieder ganz rasch.

You know the nearer the destination ...

"In einer Bar unter dem Meer" cover

Haymon

Christoph W. Bauer: "In einer Bar unter dem Meer" ist 2013 im Haymon Verlag erschienen.

Zumindest bis das im Hass vereinte Ehepaar der Meidlinger zufällig in einem Restaurant begegnet. Gleichzeitig auch die erste Gelegenheit für Raimunds Ehefrau dem Dorn im Auge ihres Mannes gegenüberzusitzen. Oder zumindest zwischen der Speisekarte hervor zu blinzeln, um das verruchte Weib zu erblicken. Und ja, Raimund hatte Recht: Sie ist wirklich unsäglich schlecht geschminkt.

Spätestens hier stellt sich die Frage, wie weit die Liebe zum Partner gehen darf. Ist die Meidlinger ein Problem, das beseitigt werden muss? Raimunds Ehefrau bejaht innerlich und lauert ihr bei nächster Gelegenheit auf.

Ein paar Häuser weiter sitzt der Professor am Boden vor seinem Bett. Neben ihm ein pissgelbes Fahrrad, das nicht ihm gehört. Aber noch schlimmer: Das Gesicht, das er im Spiegel betrachtet, ist ebenfalls nicht seins. Kurz davor verrückt zu werden, kann er auch in seinen Vorlesungen seinen Wahn nicht mehr verstecken. Der gute Mann nennt sich vor seinen Studierenden einen “Trottel”, bezichtigt sich selbst der Lüge und des Unverständnis seines eigenen Selbst. Klingt unglaublich transzendental, aber Bauers Figuren sind eben nicht leicht zu durchschauen.

... the more you're slip slidin' away

Weitere Leseempfehlungen:

Ob der verrückt gewordene Professor wirklich in einer psychiatrischen Anstalt landet, oder die Meidlinger ermordet wurde, oder was mit den anderen rund 15 Charakteren geschieht: das verrät uns Christoph W. Bauer in seinem Erzählband “In einer Bar unter dem Meer”. Der Kärntner ist ein Meister der unterschiedlichsten Gattungen: Prosa, Lyrik, und nun auch die Königsklasse der Punktlandungen, der Erzählung. Die Figuren in Bauers Erzählungen wirken auf den ersten Blick verschroben, aber mit ihren verpassten Träumen, unglücklich in ihren Berufen und Partnerschaften, in einem Moment kühl, dann wieder schmachtend, sind sie stets seltsam vertraut.

Christoph W. Bauer liest bei der Buch Wien 13 auf der FM4 Bühne am Freitag, 22.11. um 15:30 Uhr

Die Geschichten haben unterschiedliche Tonarten und sprechen auch große Themen an: Einsamkeit, Sehnsucht, Verlust, Liebe. Oft fühlt man sich in eine alte Nummer von Simon and Garfunkel zurückkatapultiert - verschroben, aber lieblich und gleichzeitig verträumt und in Trance. Mit den Instrumenten der Fantasie erschafft Bauer vor allem eins: ein tragikomisches Lesevergnügen, cool und lakonisch zugleich.