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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

29. 10. 2013 - 11:03

US-Heimatschutz als Türöffner für die NSA

Ein aktueller Bericht des US-Rechnungshofs zeigt auf, wie der "Kampf gegen den Terror" benutzt wird, um die Kommunikationsnetze weltweit zu infiltrieren.

Während in Deutschland die Wogen hochgehen, weil ein Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel seit zehn Jahren als Angriffsziel der NSA definiert war, hat der US-Rechnungshof (GAO) am vergangenen Freitag einen diesbezüglich aufschlussreichen Bericht veröffentlicht.

Dieser mit 25. September datierte, aber erst jetzt veröffentlichte Bericht untersucht die Effizienz der 451 Millionen Dollar teuren Auslandsaktivitäten des Ministeriums für Heimatschutz (DHS). Aus dem Bericht geht allerdings auch hervor, dass die in den Botschaften der USA weltweit stationierten DHS-Attaches als Türöffner für die NSA-Aktivitäten fungieren. Der Schlüssel ist dabei der "Kampf gegen den Terror", denn dafür wurde das DHS nach 2001 gegründet.

Über den Dächern von Berlin

US Secret Service

Secret Service

Ein Teil der 1.800 weltweit in 80 diplomatischen Vertretungen tätigen US-Heimatschutzbeamten gehört dem US Secret Service (USSS) an, einer ursprünglich vor allem für Personenschutz zuständigen, bewaffneten Truppe mit Polizeiaufgaben, die dem DHS untersteht. Angehörige des USSS sind auch in der Berliner US-Botschaft stationiert, von wo aus offensichtlich Ziele in der deutschen Hauptstadt ausspioniert werden.

Aktuell dazu in ORF.at

US-Präsident Barack Obama hat sich gestern im NSA-Abhörskandal zu Wort gemeldet. Die Tätigkeiten der US-Geheimdienste sollten „neu bewertet“ werden, so Obama in einem Radiointerview. Die Geheimdienste sollten nicht alles tun, was technisch möglich ist.

Die räumliche Nähe der US-Botschaft zum deutschen Bundestag sowie zum Kanzleramt und die verdeckten Antennenanlagen auf dem Dach dieser diplomatischen Niederlassung legen natürlich nahe, dass man dabei politische Ziele im Visier hat. Der Blick geht über ganz Berlin.

Ob Merkels Handy nun tatsächlich von dort aus überwacht wurde oder doch auf Netzwerkebene (siehe unten), ganz allgemein lässt sich jedenfalls sagen, dass diese Antennen deshalb hinter Blenden versteckt wurden, um die Geolokation ihrer Ziele bzw. der Gegenstellen mit denen kommuniziert wird, nicht zu verraten.

Der US Secret Service

Die Befugnisse des auch in Österreich tätigen USSS wurden nach dem 11. September 2001 stark ausgeweitet, wie auch das übergeordnete Ministerium für Heimatschutz von Beginn an als geheimdienstliche Organisation geführt wird.

"Investigative Techniken"

Im Jahr 2012 habe sich der Secret Service auf "investigative Techniken" zum Kampf gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und die "Durchführung von Cyber-Investigationen" konzentriert, heißt es dazu im Rechnungshof-Bericht. Eine dafür zuständige "Special Operations Division" des USSS unterscheidet sich von den Personenschützern und Beamten mit Polizeiaufgaben durch einen hohen Anteil an Technikern.

Während die Programme, Methoden und Technologien der NSA zur weltweiten Überwachung aus den vergangenen zehn Jahren nun nacheinander auffliegen, hat die Arbeit an den Nachfolgesystemen längst begonnen. Die Ausschreibung der Forschungsabteilung IARPA für die Nachfolge des mächtigen, nunmehr aber betagten NSA-Systems XKeyscore läuft bereits seit Februar 2013.

Wenn in einem solchen Zusammenhang das Wort "Cyber" fällt, ist generell die Überwachung von Informationsnetzen im weitesten Sinne gemeint. In der Regel ist man dabei auf die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten des Gastlandes angewiesen und bietet im Gegenzug technische Hilfestellung an.

"Klima der Kollaboration"

Von den 47 vom Rechnungshof befragten Heimatschutz-Attaches gaben denn auch die weitaus meisten an, dass ein "Klima der Kollaboration" sowie eine "Kultur der Kooperation und des informellen Informationsaustauschs" im Gastland der wichtigste Faktor im Kampf gegen Terrorismus sei.

Drei der vier Punkte im "strategischen Rahmen zur Terrorbekämpfung" durch im Ausland stationierte Heimatschützer betreffen eine solche Kollaborationskultur. So sollen "ausländische Beamte dabei unterstützt werden, die eigenen Sicherheitslücken zu beseitigen und die Infrastrukturen abzusichern", heißt es auf Seite sechs des Berichts.

Dazu kommen Maßnahmen "zum Schutz der Sicherheitsinfrastruktur anderer Nationen durch Training und Beratung, Sicherheitsüberprüfungen oder Lieferung von Equipment". Hierzu gibt es eine sehr aufschlussreiche Fußnote (9): Da Training und technische Assistenzleistungen im Ausland nicht als Aufgaben des DHS definiert seien, gingen solche Assistenzleistungen im Ausland typischerweise auf eine Anforderung des Verteidigungs- oder Außenministeriums der USA zurück.

Der am Freitag im Volltext veröffentlichte Bericht des US-Rechnungshofs trägt den Titel: Combating Terrorism: DHS Should Take Action to Better Ensure Resources Abroad Align with Priorities

"Attaches mit zwei Hüten"

Im GAO-Bericht heißt es dazu, die Heimatschutz-Attaches in den US-Botschaften seien die zentralen Anlaufstellen für die entsprechenden Behörden auf nationaler Ebene im Gastland. Da sіe auch andere - nicht nähere spezifizierte - Heimatschutzagenden zu erfüllen hätten, würden diese DHS-Diplomaten informell als "Attaches mit zwei Hüten" bezeichnet.

An erster Stelle der Aufgaben des USSS nennt der Rechnungshof dann ausgerechnet "Trainings und technische Assistenz für ausländische Partner zum Schutz ihrer politischen Führungskräfte" (S. 15). Im obersten Stockwerk der US-Botschaft in Berlin erbringt der USSS in diesem Sinne technische Assistenzleistungen für den Schutz der politischen Führung Deutschlands durch NSA und CIA.

GSM, Merkels SMS

GSM-Mobiltelefone wie jenes der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sind zwar funktechnisch vergleichsweise einfach angreifbar. Da die Verschlüsselung von GSM-Telefonie bereits seit Jahren gebrochen іst, können Telefonate und SMS von GSM-Handys durch Einsatz rein passiver Methoden abgehört bzw. mitgelesen werden. Eine solche Methode funktioniert jedoch jeweils nur in unmittelbarer Nähe, denn der Angreifer muss im Einzugsbereich derselben Funkzelle wie das Handy der Zielperson sein.

Dasselbe lässt sich mit einem sogenannten IMSI-Catcher bewerkstelligen, der technisch von einer regulären GSM-Basisstation kaum zu unterscheiden und durch den Netzbetreiber selbst nicht einfach zu entdecken ist. Das vor allem von Polizeibehörden verwendete Gerät gibt sich als GSM-Station aus und zieht die Anrufe in der näheren Umgebung auf sich, solange es mit höherer Sendeleistung am entsprechenden Handy ankommt, als die echte Basisstation.

IMSI-Catcher wurden hierzulande einer breiteren Öffentlichkeit im Zug einer Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes 2007 bekannt. Als Grund wurde nicht etwa Überwachung genannt, sondern die "Ortung verirrter Wanderer und Tourengeher".

Für die ist sie nicht sichtbar, denn der IMSI-Catcher tarnt sich in beide Richtungen. Beim dauerhaften Einsatz solcher Geräte in derselben Funkzelle steigt allerdings die Häufigkeit von Gesprächsabbrüchen und anderen Störungen.

Zapfen an der Faser

Bei der Überwachung auf Netzwerkebene, also an den zentralen Glasfaserstrecken des Mobilfunkunternehmens sind hingegen keine Auffälligkeiten zu befürchten, zudem funktioniert das tendenziell flächendeckend. Egal, wo Angela Merkel gerade ist, ihre SMS gehen über die Glasfaserknoten in die Zentrale ihres Mobilfunkers.

Für einen Job beim USSS sind die US-Staatsbürgerschaft und eine "Top Secret"-Berechtigung Voraussetzung, Tätowierungen sind wie Alkoholgenuss während der letzten zehn Stunden vor Dienstantritt verboten. Das Motto des USSS ist Worthy of Trust and Confidence.

Wie viele dieser Strecken vom deutschen Bundesnachrichtendienst insgesamt angezapft sind, ist nicht bekannt, wohl aber, dass der BND zusammen mit der NSA in Griesheim bei Darmstadt die Glasfaserstrecken entlang der Autobahn anzapft. Der größte Netzknoten Deutschlands, die Frankfurter Internet Exchange DeCIX ist gerade einmal 40 Kilometer von dieser Zapfstelle entfernt.

"Ökonomie und Werte"

Als Basis der Zusammenarbeit des DHS mit ausländischen Partnern zitiert der Rechnungshof-Bericht die "nationale Sicherheitsstrategie" von 2010 sowie die daraus abgeleitete "nationale Strategie zur Terrorbekämpfung" (2011). Letztere bezіeht sich speziell auf Finanz- und Kommunikationsnetze von Terroristen. Die übergeordnete "nationale Sicherheitsstrategie" aber dient dazu, die "nationalen Interessen der USA zu fördern", besonders was die "Sicherheit, Ökonomie sowie die Werte" der USA betrifft.