Erstellt am: 27. 10. 2013 - 20:54 Uhr
The daily Blumenau. Weekend Edition, 25/26/27-10-13.
Noch immer recht neu; der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen. Mit Items aus diesen Themenfeldern, diesmal einem Fußball-Eintrag, in einer extra Fr/Sa/So-Ausgabe wegen Krankenstand, dessen Überwindung und München-Reise.
Der Text enthält am Ende eine dringende Warnung!
Es gibt ein Muster. Beim ÖFB, im österreichischen Fußball. Mir ist es am Freitag ins Gesicht gesprungen, dann hab' ich nachgedacht und bin draufgekommen, dass es seit den 90ern existiert. Brave Stars werden von Medien und Öffentlichkeit, aber auch von der hiesigen Trainerschaft so verzärtelt, dass sie in entscheidenden Momenten nicht immer voll am Platz sind.
Es war beim freitäglichen Entscheidungsspiel bei der Gruppenphase der U17-WM. Für das Erreichen des Achtelfinales war ein Sieg gegen den Iran nötig. Hätte man den gegen Kanada im ersten Spiel klargemacht (und verdient wäre der gewesen), wäre alles anders gekommen, aber auch so: der Iran-U17-Jahrgang ist natürlich auf Augenhöhe.
Die ÖFB-Junioren waren genau in diesem Spiel dem Anforderungsdruck eines Turniers am wenigsten gewachsen. Sie konnten nicht ihre Qualitäten, sondern nur ihre Fehler und Manki optimieren (im konkreten Fall wurde die Passungenauigkeit zur Qual)
Der Iran (zuvor mit einem Remis gegen Argentinien, dass die ÖFB-Jungs durchaus auch hätten erreichen können, auch verdient gehabt hätten, aber nicht rüberbrachten, und einem gegen Kanada) war ballsicherer, technisch besser und psychologisch ausgefuchster.
Wenn man den aktuellen Jahrgang dieser 96er länger verfolgt hat, dann weiß man um die Typologie dieser Mannschaft: vor einem guten Tormann technisch beschlagene Innenverteidiger, angriffige Außenverteidiger, ein Mittelfeld mit einem Sechser und zwei mit Freiheiten versehenen Achtern und ein Dreier-Angriff der Risiko-Burschen, aus denen vor allem Adrian Grbic hervorsticht, ein linker Flügel mit Arnautovic-Ansätzen.
Auffällig war es schon in den Spielen davor, besonders auffällig wurde es aber erst am Freitag abend: dass es nämlich von der Tagesverfassung der beiden fädenziehenden Achter abhängig war, wie viel sich nach vorne entwickelte. Gegen Kanada waren noch die Flügel, der recht vor allem, imstande etwas zu inszenieren und somit die mittelmäßige Leistung von Sascha Horvath und Tino Lazaro (der dann auch noch konditionsmäßig gewechselt werden musste) zu stützen. Gegen Argentinien waren die beiden mit dem bereits deutlich höchsten Marktweit dann auch zeitweise imstande, sich mit dem Gegner zu steigern, die Impulse blieben aber einige Strecken überschaubar.
Im dritten Spiel nun die schwächste Leistung: ideenarm, zur Verzweiflung der angewiesenen Mitspieler höchst passungenau, bröselig; irgendwie so wie ich mich die letzten Tage (grippebedingt) fühle. Getauscht und somit schuldhaft gemacht wurden andere, der komplette Dreiersturm nämlich, der schlussendlich auf ein Quartett erweitert aber trotzdem in der Luft hing.
In der externen und internen Nachbetrachtung wird hängenbleiben, dass Grbic (der immerhin die Latte traf) und die Kollegen vorne die Anforderungen nur teilweise erfüllt hatten, auch der lange verletzte Abwehrchef und der linke Verteidiger, der irgendwie immer schuld ist, gehen sicher gesenkteren Hauptes durch die nächsten Wochen als Horvath und Lazaro. Die werden auch künftig in jeder U-Mannschaft die Stars sein, weil sie vorzeigbar und im Normalfall auch supergut sind, und dafür bezärtelt und überstreichelt werden. Lazaro ist z.B. Coverboy des neuen Projekt 12-Teams.
Mir ist dann eingefallen, dass ich so eine Situation kenne - von den Großen, damals Ende der 80er war Jugendfußball nur ein Haufen Alibi und Einzelengagement - und zwar mit den Fädenziehern Herzog und Stöger. Da täuscht die Erinnerung ja gerne, im Rückspiegel waren die immer super: das Gegenteil war oft der Fall. Jedes zweite Pflicht-Länderspiel in ihrer Ära waren beide oder zumindest einer enttäuschend, selbst die glorreiche Quali für die WM '90 gegen Schweden: in einem der beiden Matches gegen die Gelb-Blauen traf es etwa Herzog, der als Halbtotal-Ausfall übers Feld trottete.
Die Ordnung des ÖFB-Spiels durch die Fädenzieher, die früher als Sechser noch Schlächter waren, weiter vorne, heute weiter hinten agieren, unterlag also massiven Schwankungen, was unter anderem mitverantwortlich für den manisch-depressiven Grundzustand des österreichischen Fußballs ist. Es gab keine Konstanz, weil es auch keine Kritik gab - und die Ersatzleute auch nicht für mehr hätten garantieren können.
Sündenböcke waren gern andere, gerne schlimme Buben, Flügelegomanen oder Außenverteidiger. Gegen die mächtige Rapid bzw Austria-Lobby in Medien und Öffentlichkeit, die schützend vor ihren Helden standen, traute sich niemand an. Zumal diese 50%-Okay-Quote ja gereicht hatte um halbwegs im Mittelfeld (das damals noch deutlich leichter zu erreichen war, da sind seitdem nocheinmal so viele Mitbewerber dazugekommen.) rumzugurken.
Die Folge: Stöger erreicht in Österreich alles - aber keinen Deut mehr; Herzog war ein Star in Bremen, für Bayern wurde er aber zu leicht befunden - obwohl das Talent gereicht hätte. Auch die WM-Teilnahmen 90 und 98: letztlich eine Enttäuschung, halbgar die entscheidenden Momente nicht gepackt.
Mittendrin und mitschuld: der ÖFB, der (aus Angst oder mangelndem Wissen) nicht die Besten am meisten forderte, sondern weiter an Zonen Dinge erwartete, wo es kein Potential gab - jahrzehntelanges Stürmerkrise-Gejammer etwa - und den braven Helden alles durchließ, streichelstreichel. Und zwar auch immer dann, wenn die Fädenzieher genau nichts gezogen hatten.
Seitdem gibt es dieses Muster: Die braven Stars von Reinmayr bis zur Generation Leitgeb (komplizierter Spezial-Ausnahme-Fall Andreas Ivanschitz) werden gekost, wenn sie im entscheidenden Moment wieder einmal nicht zulegen können.
Mittlerweile ist das ein wichtiger Strang im genetischen Code des österreichischen Fußballs. Es gibt kein Aufgreifen dieser Untugend, weswegen dann natürlich das nächste Mal wieder dasselbe passiert. Man bemerkt diese Ideologie bei vielen Gelegenheiten, bei Hintergrundgesprächen mit ÖFB-Menschen und anderen Auskennern, aber auch bei ganz offiziellen Präsentationen.
Es werden nämlich immer nur die Problem-Boys, die lobbylosen schwachen Glieder bejammert, die Stars, auf die man sich festgelegt hat, sind sakrosankt und werden wundgestreichelt.
Horvath und Lazaro können das, passen, sogar genau, Angriffe einleiten, zentral oder über die Flügel: wenn sie gegen den Iran dastehen, als wären sie verkleidete Liechtensteiner, muss die zentrale Frage der Nachbetrachtung sein, warum die zentrale Achse, die für Aufbau sorgen soll, den Kopf nicht freigekriegt hat. Und nicht, welche Strafe Grbic jetzt bekommt. Horvath und Lazaro sind Kuschelopfer wie einst Herzog oder Stöger.
Die U17-WM und einige andere Taten sind der beste Beweis dafür, dass sich da auch die nächsten Jahre nichts ändern wird, ändern kann.
Das Streichel-Dilemma kann nur überwunden werden, wenn sich David Alaba stilprägend durchsetzt. Der kann das: im wichtigen Spiel da sein. Der hat das bei seinen Lehrern bei Bayern gelernt und durch die Druck/Osmose-Wirkung der dortigen Mitspieler. Wenn da ein Schweinsteiger schwächelt ist nämlich sofort ein Martinez oder ein Kroos reingetauscht.
Alaba ist nicht der einzige, der weiß, was Verantwortung bedeutet, aber er ist der einzige, der Momente der Verantwortungsnahme faktisch kennt und durch sie stärker wurde.
Alaba war auch der einzige, der in der WM-Quali, selbst mit hundlicher Verfassung und schwacher Form noch immer die Führung, die Inszenierung von Aktionen, versucht hat.
Nur: das sind Einzelfälle, nicht mehr als eine Handvoll.
Die anderen sind verstreichelt worden und jetzt schon mit 22 kein wirklicher Aufreger mehr am Transfermarkt, international werden sie dann allzu oft Mitschwimmer. Und bis zur Generation 96 wird es von Einzel/Zufällen abhängen, ob es endlich jemand neben Alaba gibt, der der mamaburlimäßige im entscheidenden Moment abstreift.
Das ist ein Muster seit über 25 Jahren - ich erkenne die Zusammenhänge erst jetzt, nach dem Freitagspiel. Der ÖFB glaubt zu helfen und legt den braven Stars jedoch einen Mühlstein um den Hals; vielleicht auch weil das Fetzen mit den Schlimmen mehr Spaß macht.
Andererseits: wenn, wie zu befürchten steht, Andreas Herzog neuen Teamchef wird, dann erhebt sich das Muster zum Programm: ein Ex-Teamkicker, der zwar östereichsvergleichsweise viel gewonnen/geleistet hat, international aber letztlich nicht bestehen konnte, kann gar nicht anders, als als Teamchef das zu perpetuieren, was ihm Angenehmes widerfahren sind.
Da ich irgendwie nicht so recht dran glaube, dass Klinsmann Herzogs Seele gereinigt hat (seine Expertisen in den Medien sprechen für komplette Resistenz allen zentralen neuen Erkenntnissen gegenüber), wird eine Ära Herzog den österreichischen Fußball um die gesamten Koller-Aufbau-Monate zurückwerfen.