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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

25. 10. 2013 - 15:17

Die Wurst muss stark sein!

Conchita Wurst ist Travestie-Künstler, Frau mit Bart, mal zuckersüß mal ordinär, auf jeden Fall aber offenbar zu viel des Guten für das weißrussische Songcontest-Publikum.

Eurovision Song Contest, das bedeutet irgendwie überall was anderes. Im geographischen Herzen Europas beispielsweise ist der ESC fester Bestandteil einer homosexuellen (Trash-)Kultur. Weiter im Osten - wo die Situation von homo-, bi- und transsexuellen Menschen vielleicht ohnehin nie toll war, sich in den letzten Monaten aber nochmal in wirklich besorgniserregendem Maß verschlimmert hat - wird der Song Contest immer wieder zu einem echten Politikum.

Stein des Anstoßes bei - im konkreten Fall - weißrussischen Moralhütern: Ausgerechnet der österreichische Beitrag zum Song Contest nächsten Mai in Kopenhagen: Conchita Wurst ist Travestie-Künstler, Frau mit Bart, mal zuckersüß mal ordinär, auf jeden Fall aber zu viel des Guten für das weißrussische Publikum. Das findet man vor Ort und fürchtet um die geistige Gesundheit der ortsansässigen Jugend. Via Unterschriftenliste und Social-Media-Gruppen drängen daher jetzt einige Gruppen in Weißrussland das staatliche Fernsehen, auf die Ausstrahlung des ESC zu verzichten.

Conchita Wurst

Paz Stammler Photography | www.paz-photography.com

Jetzt ist Weißrussland an sich kein besonders fruchtbarer Boden für demokratische Grass-Roots-Bewegungen, verbunden mit der aktuellen Homophobie-Hochblüte in Osteuropa ist das aber durchaus ernst zu nehmen.

Es wäre natürlich höchst unfair, homophobe Reaktionen auf Conchita Wurst exklusiv im Osten zu suchen. Schon als bekannt wurde, dass der ORF plant, die Kunstfigur ins Rennen zu schicken, regte sich auch in Österreich Unmut. Vordergründig wegen der "undemokratischen" Entscheidung (man verzichtete diesmal auf eine "Unser Song für Kopenhagen"-Vorausscheidungsshow mit Televoting), ich bezweifle aber mal, dass beispielsweise die 40 000 Mitglieder der "NEIN zu Conchita Wurst beim Song Contest"-Gruppe alle nur einfach gerne ein SMS an eine Mehrwertnummer geschickt hätten.

Unterm Strich will man - in einer recht undurchschaubaren und völlig willkürlichen Vermischung von Dingen wie Travestie, Trans- und Homosexualität - aber mit der "Sache" einfach nichts zu tun haben, und findet die Verknüpfung Österreich/Wurst recht peinlich.

Die Wurst muss stark sein

Auf mitteleuropäischer Ebene kann man da noch sagen: Pech gehabt. So wie auch nur halbwegs Sexismus-sensible Menschen ein "Woki mit deim Popo" über sich ergehen lassen mussten, wird jetzt der homophobe und vor allem transphobe Teil des Publikums drei Minuten Wurst über sich ergehen lassen müssen und wohl auch aushalten. Und falls es sechs werden sollten, weil die Sieger-Wurst ihren Song nochmal singen darf, dann wäre wohl ohnehin wieder alles bestens.

Für ihre weißrussischen Pendants stellt sich die Sache aber offenbar doch noch deutlich ernster dar. Für sie geht das alles gar nicht, weil hier, so heißt es, "eine Lebensweise propagiert wird, die für die weißrussische Gesellschaft inakzeptabel ist."

Für die Wurst bedeutet das alles zum einen: Stark sein! Und zum anderen, dass mit der schon jetzt geschaffenen breiten Aufmerksamkeit der rote Teppich für die große Bühne hiermit ausgerollt ist.

Denn ohne die zweifelsohne auch in Österreich festest verankerte Homophobie hier leugnen zu wollen: Was einem in Wien vielleicht schon ein bisschen zu süß und ja-ja-eh-lieb vorkommt (eine Website mit nur zwei Navigationspunkten zum Beispiel: "About" und "Tolerance"), mag mit Blick in den Osten ein höchst utopisches Anliegen sein. Weil offenbar der Kampf ums So-sein-dürfen-wie-man-ist immer noch genauso fix zur Welt von Homo-, Bi- und Transsexuellen gehört wie der Song Contest.