Erstellt am: 24. 10. 2013 - 20:52 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 24-10-13.
Noch immer recht neu; der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen.
Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Der eine Moment als Beweis, dass es eh geht
#bewegtbild #serien
Es gibt da diese neue Krassnitzer-Serie im Hauptabend, er ist ein Mediator, und schon die ersten fünf Szenen tun niemandem auch nur ansatzweise weh, sind mit Comedy-Chargen-Auftritten durchsetzt und von wabbliger Charakterzeichnung durchweht, dass alles sofort klar ist: diese Serie hat keinen Anspruch außer dem, dem nicht mehr ganz so aufnahmefähigem Durchschnitts-Österreichern den Abend zu verkürzen.
Janus ist das schiere Gegenteil davon, und weil es direkt nach Soko Donau läuft, wo dieses Krassnitzer-Prinzip ja auch noch gilt, merkt man das auch.
Janus ist ein bisserl so konstruiert wie Hannibal oder The Following (um andere aktuell im österreichischen Fernsehen laufende Serien, die das Dunkle und Düstere zum Thema erkoren haben, zu nennen), durchgehende Handlung, ein viele viele Folgen dauernder Alptraum der Beklemmung und des Abtauchens in die Untiefen menschlicher Seelen.
Janus hat weder Mads Mikkelson noch Kevin Bacon noch Lawrence Fishburne anzubieten, also echte Filmschauspieler mit Klasse, sondern Akteure aus anderen Serien (eher der Krassnitzer-Ecke). Das klingt schlimm und war auch schlimm, solange in den ersten paar Folgen ganz schwache Dialoge, unglaubwürdige Personen & Kombinationen über den "Pharma-Unternehmen macht durch schlimme Versuche Leute irre; Held sucht Aufklärung"-Plot gelegen haben.
In der Folge von letzten Dienstag, als man die unglaubwürdigste Figur sterben ließ und die Austro-Serien-mäßig Anstrengendste nur als lallendes Opfer vorkam, zeigte Janus plötzlich, was es könnte, wenn es sich im Vorfeld von allen Mustern befreit hätte. Die davor immer (angesichts seiner familiären Situation grundlos) aufgesetzt fröhliche Hauptfigur bekam die nötigen Brüche, seine im Pharma-Betrieb mitschuldige an der Selbstheilung arbeitende Frau gibt ihn und sich auf, die Kommissarin, die Filmschauspielerin Franziska Weisz, fängt ihn auf, der Junior-Chef der Pharma-Bösewichte bekommt durch eine Erweiterung seines Umfelds endlich Profil. Zudem ist die immer eingestreute Episodenhandlung, ein Fällchen, markusschleinzerhaft gemacht.
Ich kann mir jederzeit einen Rückfall in die ersten drei Folgen vorstellen, aber: hier ist, eine Folge lang, kurz etwas aufgeflackert, das zeigt, dass es möglich ist. Es ist möglich, österreichische Serien abseits vom Skurrilen von Kottan bis Frau Schnell, fern des Dumpfgummi-Segments und jenseits der anpasslerischen, mit Pseudo-Piefke-Akzent vorgetragenen Anbiederung an den endenwollenden deutschen Markt zu produzieren.
Die Pikten als Beweis dass der alte Dreh immer noch klappt
#comic
Natürlich ist es ein Schock, wenn die Serie nicht mehr vom ursprünglichen Schöpfer fortgeführt wird. Nicht so sehr im US-Comic, wo Handschrift weniger zählt, wo sogar (siehe Batman) bewusst Diversität gestreut wird. Im klassischen frankobelgischen Comic aber schon: Lucky Luke nach Morris, Spirou nach Jijé, vor allem nach Franquin, das hat schon wehgetan.
Im Fall von Asterix war der Schritt allerdings überfällig: der durch den frühen Tod Goscinnys allein zurückgelassene, gute Zeichner aber ideenlose Geschichten-Erzähler Uderzo hatte, nachdem ihm eigentlich kein einziger guter Solo-Band gelungen war, schon eine schiache Greisenstarrheit (man denke an die UFO-Episode) an den Tag gelegt.
Damit ist es mit heute vorbei: der frankoschweizer Zeichner Didier Conrad und der frankospanische Erzähler Jean-Yves Ferri haben mit Asterix bei den Pikten (Band 35) Erstaunliches geschafft: ein Asterix-Abenteuer, für das man sich szenaristisch nicht genieren muss.
Natürlich ist das scheinbar einfach: Asterix und Obelix haben schon in fast jedes europäische Land einen neuen Freund auf einer Mission begleitet. Diesmal ist es Schottland, sind es die Pikten (das gibt Anlass, mit dem Piktogramm-Schmäh herumzuspielen, ordentlich), es kommen dumme Piraten, tölpelhafte Römer und neue Bekannte mit seltsamen kulturellen Bräuchen vor, es gibt eine Schlacht, ein Liebespaar, einen großen Showdown und ein Gelage.
Das ist also alles nach Plan, auf dem Reißbrett entstanden.
Trotzdem funktioniert es, erstmals nach den noch von Goscinny gestalteten Belgiern. Manches ist unrund: der Oberbösewicht ist einen Deut zu böse und zu wenig doof (und gerade diese Ambivalenz der Bösen war immer das Feine an der Reihe), und: Idefix nicht mitzunehmen auf die Reise - eine Katastrophe.
Asterix bei den Pikten ist stilgerecht gezeichnet, niemand sieht merkbar anders aus, vor allem die Nasen bleiben schön knollig, und die Charaktere sprechen wieder ein wenig echter, schnoddriger, goscinnymäßiger. Außerdem gibt es ein, zwei innovative und ausbaubare Ansätze (das große Einzel-Bild der Schlacht etwa).
Der Pilot-Versuch ist gelungen, Asterix lebt wieder, ich kann aufhören, Uderzo zu hassen und Goscinny freut sich auf Wolke 7.
Friedshofstribünen-Besucher und andere Romanleser
#literatur #fußball
Andi Luf ist ein netter Mann. Er schickt mir seit Wochen Einladungen zu Lesungen und anderen Events. Er hat mir auch sein Buch geschickt. "Sixpack" heisst es und es ist ein Fußball-Buch, ein Fußball-Roman.
Ich bin einigermaßen oft Anlaufstelle für Fußball-Bücher aller Art, weil - schnittmengentechnisch - höchstmögliche Übereinstimmung gesichtet wird. Die Realität sieht bescheidener aus: wohl weil ich Fußball so liebe, bin ich wohl zu streng mit vielen Publikationen.
Lufs "Sixpack" fällt ab der ersten Zeile in den Duktus eines Ostbahn-Kurti-Songs. Sein Protagonist ist ein klassischer Vorstadt-Loser auf der Suche nach einer Möglichkeit und einer Frau; er ist Sportklub-Fan, Friedhofstribünengeher und Taugenichts im guten Sinn. Das ist ein Charakter aus jener Wiener Welt, wie sie Günter Brödl seit den 70ern beschrieben hat; Brödl war ja der Textdichter des Ostbahn-Projekts. Und seine Romane zeichnen einen Kosmos, wie ihn auch Luf hinstellt.
Ich habe da Schwierigkeiten, weil ich ja weiß, dass das einigermaßen her ist, Brödl ist ja 2000 gestorben, weil sich dadurch ein Gefühl von Heutigkeit schwerer einstellen mag.
Wobei: vielleicht ist da, in der Vorstadt, ja echt einiges stehengeblieben.
Ich habe auch Schwierigkeiten mit Lufs druchgehender Kleinschreibe. Ja, in der kleinen Form, bei ganz ganz frühen Journalen und heute in einigen Mails tu ich das auch. Weil's gut aussieht, diese Gleichmacherei. In dem Moment aber, wo der Textfluss dann Ausmaße der Flüsse klassischer neuer Autoren (Jelinek abwärts) annimmt, ist das, finde ich, zu unterlassen. Einem Text, der Leichtigkeit braucht, durch dieses Stilmittel Schwere mitzugeben, das nachvollzieh ich nicht.
Ich hab also ein paar Probleme mit "Sixpack". Über die werden aber Menschen, die sich auch auf den kleineren Wiener Fußball-Plätzen herumtreiben, hinwegsehen, weil dieser Roman diese ihre Welt beschreibt und sich auch den Fragen von Leben, Liebe und Tod stellt.
Andreas Luf ist ein freundlicher Mann. Sein Roman "Sixpack" ist das nicht, freundlich, das wäre auch unziemlich. "Sixpack" ist ein fröstelnder Ausschnitt aus einer Entwicklung. Und Fußball passiert auch.