Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der Billeteur und der Theaterdirektor"

Claudia Unterweger

Moderiert FM4 Connected und FM4 Homebase.

24. 10. 2013 - 16:18

Der Billeteur und der Theaterdirektor

Seinen Job ist er los, der Burgtheaterchef zeigt sich im persönlichen Gespräch inzwischen aber verständnisvoll und kooperativ. Wir haben den Ex-Billeteur Christian Diaz zum Interview getroffen.

Wer im Burgtheater die Plätze zeigt, oder die Jacke bei der Garderobe entgegennimmt, ist nicht beim Burgtheater angestellt, sondern beim internationalen Unternehmen G4S.

Die sogenannten Publikumsdienste der Bundestheater wurden 1996 ausgelagert, Thema ist es allerdings erst seit eineinhalb Wochen, seit Christian Diaz darüber auf der Burgtheaterbühne sprechen wollte. Selbst Billeteur hat er die Bühne im Rahmen einer Festveranstaltung geentert, um über die Arbeitsverhältnisse und Auslagerungen zu sprechen.

Seine Rede konnte er auf der Bühne nicht zu Ende bringen. Im Netz ist sie allerdings nachzulesen, und der Beitrag von Christian Diaz hat so doch Einiges ausgelöst und zumindest medial bewegt; etwa, die Berichterstattung über G4S, und darüber, dass das Unternehmen auch MitarbeiterInnen für ein Schubhaftzentrum in der Steiermark stellen wird. Seit letzter Woche ist Christian Diaz nicht mehr bei G4S beschäftigt.

Seitens des Burgtheaters hat man in einer Aussendung, sagen wir mal, eher zurückhaltend reagiert. In Interviews hat sich Burgtheaterchef Matthias Hartmann dann doch in der Sache geäußert – im aktuellen Spiegel etwa mutmaßt Hartmann, "dass er sich nur für diese Aktion hat anstellen und einteilen lassen". Gestern hat der Billeteur Christian Diaz den Theaterchef Matthias Hartmann getroffen, heute war der 31-jährige Kunst-Student bei Claudia Unterweger in FM4 Connected zu Gast.

Claudia Unterweger: Es gab viel Wirbel um deine Protestaktion. Die Reaktion des Burgtheaters war eher zurückhaltend, der Burgtheaterchef hat inzwischen in einem Interview auch die Mutmaßung geäußert, dass du dich möglicherweise für diese Aktion extra hättest anstellen und einteilen lassen. Gestern gab es ein Treffen zwischen euch beiden, also dir und Matthias Hartmann, wie ist denn das verlaufen?

Im Großen und Ganzen eigentlich ganz gut, und ich hatte dann im Nachhinein den Eindruck, dass die Tragweite des Ganzen, dass es dann so hohe Wellen geschlagen hat, doch ein bisschen unterschätzt wurde. Es gab aber eigentlich große Übereinstimmung und auch Kooperationsbereitschaft.

Große Übereinstimmung in deinen Kritikpunkten? Teilt die der Burgtheaterchef?

Er hat komplett verstanden, worum es geht und was das Problem daran ist. Ich hoffe, dass er das auch öffentlich machen wird in den nächsten Tagen und man dann gemeinsam auf die Bundestheater Holding zugeht und versucht, hier eine Lösung zu finden ohne Arbeitsplätze zu gefährden.

Wie kam es denn eigentlich zu der Idee, im Burgtheater auf die Bühne zu steigen und dort deinen Arbeitgeber, also die G4S, anzuprangern?

Der ganz konkrete Anlass war diese Konferenz, wo es um die Frage ging "Von welchem Theater träumen wir?", und weil ich mich schon einige Zeit vorher über das Unternehmen schlau gemacht hatte, für das ich arbeite, habe ich gesehen, da kommen Sachen zusammen, die werden auf diesem Kongress einfach nicht angesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass das Unternehmen für das ich als Billeteur gearbeitet hab, einen Extremfall darstellt. Und das wollte ich thematisieren. Das war der Versuch, etwas Utopisches auf diesem Kongress zu tun, einfach um aufzurütteln und im Endeffekt auch einen Dialog zu finden. Es war nicht die Absicht, Fronten aufzutun und das gegen das Theater zu machen.

Einer deiner zentralen Kritikpunkte ist die Frage nach Privatisierung und Auslagerung von Sicherheitsdiensten, die bisher eigentlich dem öffentlichen Dienst zuzurechnen waren. Ist das deiner Meinung nach ein Thema das nicht breit genug diskutiert wird?

Ich glaube, es wird nicht genug auf ethischer und politischer Ebene diskutiert. Es wird da - auch seitens der Politik - sehr viel finanziell argumentiert, dass es eben finanzielle Zwänge gibt und so weiter. Was aber mit der Gesellschaft passiert, wenn man diese Thematik des Outsourcens so normalisiert, das wird glaub ich zu wenig in den Fokus gerückt. Mit dem Outsourcing, mit dem Ziel sparsamer zu sein und mehr Arbeitsplätze zu finden, gliedert man auch Verantwortung und Gemeinsamkeit aus. Man hat dann lauter Einzelpersonen und es gibt wenig solidarischen Zusammenhalt, weil die Unsicherheit des einzelnen Arbeiters da so eine Angst herstellt, ich bin existentiell bedroht und ich kann hier nichts sagen. Das war der Grund, warum ich dann gesagt habe, ja egal, ich geh da rauf. Und auch wenn ich den Job dann verliere, ich thematisiere das halt alleine.

Jetzt gibt es bei dieser Firma ja auch einen Betriebsrat. Und dieser Betriebsrat von G4S hat ebenfalls Stellung genommen. Er distanziert sich von dieser Aktion, die würde nicht für die gesamte Belegschaft sprechen, deine Aktion brächte Mitarbeiter in Misskredit und gefährde Arbeitsplätze. Und es hat sich auch niemand von den anderen Mitarbeitern solidarisiert. Was sagst du dazu?

Ich finde den Vorwurf einfach nicht berechtigt, dass ich die Arbeitsplätze meiner Kollegen gefährde. Das war meine Initiative. Inwiefern sich Kollegen und Kolleginnen solidarisieren, das ist natürlich wieder eine ganz andere Frage. Wenn ich eine Initiative ergreife, von der ich nach wie vor glaube dass sie richtig ist, und schon zwei Tage nachher wird behauptet, es solidarisiert sich niemand damit, dann ist das schon sehr schnell und vorgegriffen und man muss halt erst mal sehen, was kommt.

Du hast die Arbeitsverhältnisse angeprangert, aber die Kritik an deinem Arbeitgeber ging noch weit darüber hinaus. Was ist denn so ein weiterer zentraler Punkt um den es dir da geht?

Wie gesagt, der Anstoß das zu machen war so eine Erkenntnis. Wenn man im Internet den Namen dieses Unternehmens eingibt, dann kommt man sehr schnell auch auf Seiten von NGOs, die zumindest gegen einige der Machenschaften dieses Unternehmens protestieren. Im Norden Englands gibt es zum Beispiel Orte, wo dieses Unternehmen sich um sogenanntes Refugeehousing kümmert, also wie Refugees untergebracht werden. Man ist glaub ich auch in die Organisation von Abschiebungen verwickelt. Und da gibt es dann zum Beispiel diesen Fall von Jimmy Mubenga, einem Angolaner, der abgeschoben werden sollte. G4S-Angestellte sind dann um Flugzeug so ungeschickt, oder wie auch immer, mit ihm umgegangen, dass er gestorben ist, er ist erstickt. Das ist ein großes Thema in England, darüber wurde viel berichtet. Und solche Beispiele gibt es halt mehrere, wo ich dann gedacht hab, das ist halt irgendwie nicht cool.

Jetzt sind die Befugnisse so einer Sicherheitsfirma in Österreich ja andere als in England. Also Abschiebungen werden in Österreich immer noch von Polizisten und Polizistinnen durchgeführt. Wie hängt das denn dann zusammen. Wie ist denn da der Konnex nach Österreich?

Ich glaub, das sind diese Fragen, die ja auch in Österreich durch die Presse gehen: Was bedeutet es, wenn der Staat sein Gewaltmonopol outsourced? Was entstehen da für Möglichkeiten für Menschenrechtsverletzungen? Da kommen ja viele Fragen auf. Von G4S-Seite gibt es da ja - wie ich gehört habe - keine Bedenken. Da heißt es so in der Art, die Privatisierung von Polizeiaufgaben hätte noch viel Potential. So eine Sicherheitsfirma wie G4S, oder auch andere, das sind ja keine Menschenrechtsexperten, sondern Security-Experten. Im Endeffekt geht es darum, dass das Theater hier die Möglichkeit hat ein Zeichen zu setzen. Dass man sich hier gemeinsam in ein Boot setzt und ganz einfach sagt: Nein, wir wollen nicht, dass kulturelle Gelder in so ein Unternehmen fließen. Wir versuchen, solidarisch mit unseren Arbeitern umzugehen, die vielleicht direkt ins Haus zu holen oder was auch immer. Und das andere ist halt, sich zu positionieren, zu sagen, wir finden das nicht gut, Abschiebung und Abschiebegefängnisse sind doof. Also das wäre so meine Utopie.

Wie wird es denn jetzt konkret weitergehen? Es gab jetzt dieses Gespräch mit dem Burgtheaterdirektor, deinen Job bist du aber schon mal los. Was wird denn jetzt passieren? Planst du noch weiteren Protest?

Ja, gute Frage. Das kann ich so direkt auch gar nicht beantworten. Ich hab jetzt jedenfalls erstmal keinen Job und bin auch nah am Diplom, ich studiere ja an der Akademie für Bildende Künste. Und muss mich halt um solche Sachen auch kümmern. Ich werde hier also was diesen Protest angeht gar kein Fulltime-Engagement machen können auf lange Sicht. Was ich auch gerne vermeiden möchte, ist, dass das so personalisiert ist. Irgendjemand musste den Job machen, und das war in dem Fall halt jetzt ich. Und ich bin total froh, dass das so große Wellen geschlagen hat, aber es ist sozusagen jetzt ja nicht so ein Ding eines einzelnen Billeteurs, sondern es wäre toll, wenn das mehr ein gemeinschaftliches Ding wird. Und wie es aussieht wird es das ja auch. Die Resonanz die es hervorgerufen hat ist ja durchaus erfreulich, auch dass das Burgtheater sich jetzt kooperativ zeigt. Und was passieren wird bleibt spannend.