Erstellt am: 24. 10. 2013 - 15:47 Uhr
(K)ein Hochamt für eine bessere Welt
3D-Drucker können Schmuck, Kunst und Ersatzteile erzeugen, aber auch Waffen. Transparente Datenkanäle entlarven Steuersünder, machen es den Geheimdiensten aber auch leicht, Bürgerinnen und Bürger auszuspionieren. Weil irgendwer wird schon terroristische Absichten haben. Aber... sogar Angela Merkel?
Dass die NSA angeblich das Handy der deutschen Bundeskanzlerin abgehört hat, war auch bei der Elevate-Eröffnung im Grazer Dom im Berg großes Thema. Auf die Frage, was die NSA denn dort gefunden haben könnte, waren die Antworten der Besucher meistens sehr ähnlich: Nacktfotos ihres Mannes, Dirty Talks mit dem SPD-Kanzlerkandidaten oder die echten Ergebnisse der deutschen Bundestagswahl. In der höchst unrepräsentativen Umfrage kam nur einmal die Antwort: "Das will ich eigentlich gar nicht wissen."
Elevate
So manche religiöse Veranstaltung hierzulande dürfte wohl neidisch auf die Menschenmassen blicken, die jedes Jahr den Dom im Berg füllen, wenn mal wieder das Elevate eröffnet wird. Trotz Rauchverbot ist die Luft zum Schneiden, die Sitzplätze irgendwie immer schon weg und der Weg zur Bar ähnelt einem Slalomlauf auf dem Ganslernhang.
Doch wer auf diese Veranstaltung geht, will mit einem guten Gefühl wieder heim. So schlimm die Welt da draußen auch sein möge, die Gäste am Elevate haben Lösungen, Antworten und vor allem Hoffnungen parat. Eigentlich. Denn heuer scheint das Fragezeichen im Titel die Kernaussage zu sein. Alles offen? Ist das jetzt gut? Ist das jetzt schlecht? Gibt es hier gar Graubereiche?
Elevate
Die deutsch-amerikanische Autorin Ann Cotten las einen Text von ihrem Handy vor. Die Präsentation von Literatur ist generell ein Wagnis. Damit einen Eröffnungsabend zu eröffnen, eigentlich unmöglich. Das komplette Gegenteil dazu lieferte der Brite Tom Scott. Der Programmierer und Comedian hat fast so schöne Powerpoint-Präsentationen auf Lager wie Lawrence Lessig und spielt mit der Realität. Echte Fakten und erfundene Konsequenzen verbindet er zu außerordentlich lustigen Kurzvorträgen. Einmal geht es um einen britischen Abgeordneten in der Zukunft, einmal um ein "was wäre, wenn plötzlich alle Gmail-Accounts offen wären". Gutes Timing, die richtige Pointe am richtigen Platz, Brite halt. Eine Einlage von ihm hätte vielleicht auch gereicht, aber was bei Wetten dass...? möglich ist, soll auch am Elevate so ein. Wer nicht überzieht, hat nichts zu sagen.
Elevate
Überraschend gut funktionierte die kollektiv-literarisch-medienkritische Intervention der Sound-Ästhetin Mimu Merz. (Damit ein so unnötiger Satz auch mal hier steht). Sie ließ Zeitungen im Publikum verteilen, alle durften sich ein Stück runterreißen. Es gab drei verschiedene Lautstärken, die je nach, ach... Hören Sie es sich doch am besten selbst an:
Elevate
Doch nicht nur Comedy und lautstarke Medienrezeption zum Mitmachen haben gut funktioniert. Nichts gibt dem Publikum ein besseres Gefühl als Opfer von Staatsgewalt, die sich trotzdem nix scheißen und jetzt erst recht für eine bessere Welt kämpfen. Am Eröffnungsabend gab es derer gleich drei. Die deutsche Netzaktivistin Anne Roth, deren Partner 2007 als vermeintlicher Terrorist verhaftet wurde, worüber sie dann ausführlich und vor allem ausgesprochen lesenswert bloggte, dann noch Brigitta Jónsdottir von der isländischen Piratenpartei, die als Wikileaks-Unterstützerin ins Visier der US-Behörden geriet und dann natürlich Jacob Appelbaum. Der geriet in dasselbe Visier, der Finger war aber bereits am Abzug.
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Appelbaum wehrt sich allerdings dagegen, als Opfer bezeichnet zu werden. Er möchte nicht über seine Erfahrungen mit den Behörden reden, auch wenn er es dann doch tut. Denn das letzte, was in so einer Situation nützt, ist die Selbstaufgabe. Menschen wie er wurden vor Jahren noch paranoid genannt, jetzt haben sie doch recht. Er spricht davon, dass nicht die Privatsphäre gestorben sei, sondern die Freiheit. Und dass wir alle für diese Freiheit kämpfen sollen. Oder uns zumindest dafür einsetzen, dass Snowden Asyl in Österreich bekommt. Doch so ganz ohne Opfer kommt auch er nicht aus. Dass es jetzt einen Film über seinen Freund Julian Assange gibt, taugt ihm nicht. Der Film sei verlogen, eine Hass-Kampagne und niemand solle ihn sich anschauen. Damit hat er allerdings ziemlich Werbung dafür gemacht.
Elevate
Alles offen, alles gut, alles schlecht? Keine Ahnung. Die Elevate-Eröffnungsgala hat keine Antwort gegeben, aber die Frage zumindest ein wenig ausgeführt. Hoffentlich können die Vorträge, Diskussionen und Workshops in den nächsten Tagen mehr bieten. Kollege Grenzfurthner übrigens steckt angeblich an der kasaschischen Grenze fest. Gusenbauer ist aber bereits informiert.