Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Amazing! Awesome! Gratis!"

Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

23. 10. 2013 - 13:28

Amazing! Awesome! Gratis!

Apple überrascht mit kostenloser Software. Die Strategie dahinter ist in mehrfacher Hinsicht gefinkelt.

Im gestrigen Hauptabendprogramm präsentierte Apple eineinhalb Stunden lang neue iPads, Macbooks und Desktop-Computer. Neben den gewohnten Buzzwords von „fantastic“ bis „magical“ enthielt der Livestream aber auch Unerwartetes. Mit Geräten "gratis" geliefert werden in Zukunft Apps wie das Musikprogramm „Garage Band“, das Videoschnittprogramm „iMovie“ oder die Bürosoftware „iWorks“. Selbst die neue Version des Desktop-Betriebssystems, „OS X Mavericks“ sei nun kostenlos, verlautete Apple-CEO Tim Cooks. Dazu blendete er ein Foto der „Windows 8 Pro“-Schachtel mit Preisschild ($ 200) ein. Well played, Apple. In einem kleinen Nebensatz zur Gratis-Software wurde auch erwähnt, dass zusätzliche Inhalte wie Instrumente in „Garage Band“ per „In-App-Purchase“ gekauft werden können.

Kostenfreie Software, bei deren Benutzung später kostenpflichtige Inhalte oder Funktionen freigeschaltet werden können, kennt man bisher vor allem aus dem Bereich der Videospiele. Für viele Gamedesigner hat sich das Geschäftsmodell als einträglich erwiesen. Hinter dem Kurswechsel Apples steckt aber mehr. „Wir wollen, dass möglichst viele User Mavericks benutzen“, sagte Tim Cook – sprich: Möglichst viele User, die Apples proprietäre Messaging-Programme, Kollaborationstools und Einkaufsplattformen verwenden. Denn wer einmal seine Daten in der iCloud hat, mit Familie und Freunden über Facetime kommunizert und viele „In-App-Purchases“ bezahlt hat, wechselt ungern in ein anderes Software-Universum.

Tim Cook mit iPad Air

Apple

Apple-CEO Tim Cook mit fantastic iPad Air

Watschn für Microsoft

Microsofts Hauptgeschäft war und ist der Verkauf von Betriebssystemen (Windows) und Büro-Software (Office). Während Microsoft derzeit größte Mühe hat, Kunden von den Vorteilen eines Updates auf Windows 8 zu überzeugen, beginnt Apple, die den Kernprodukten des Konkurrenten entsprechende Software – also Betriebssystem und Bürosoftware – zu verschenken.

Apples Hauptgeschäft hingegen besteht im Verkauf von Inhalten (Apps, Musik und Videos) einerseits, andererseits im Verkauf von Hardware. Die Hardware wird billigst in China produziert und zu überdurchschnittlich hohen Preisen verkauft.

Es ist eine Dreifachstrategie. Man gibt dem strauchelnden Software-Mitbewerber eine Ohrfeige, verschafft sich den Ruf, den Kunden etwas zu schenken und schließt sie noch tiefer im eigenen Geräte-Universum ein. Image war und ist essentieller Baustein von Apples Erfolg. Zu Apples bisherigem Ruf als Hersteller von Premium-Hardware, die ruhig ein bisschen mehr kosten darf, gesellt sich nun das Image vom großzügigen Software-Wohltäter. Well played indeed.

Geschwindigkeitsfalle

Genauso raffiniert ist Apples gestern angekündigter Richtungswechsel hinsichtlich der Kompatibilität älterer Hardware zum neuen Betriebssystem. Denn OS X Mavericks soll auch auch auf älterer Apple-Hardware, z.B. der ersten Generation des Macbook Air aus dem Jahr 2008, funktionieren. Dieses Subnotebook wurde aus technischen Gründen eigentlich schon beim vorigen Update übersprungen. Die meisten Besitzer eines alten Macbook Air arbeiten gar mit „Snow Leopard“, also dem vorvorletzten Betriebssystem.

Die vermeintliche Serviceleistung für den Kunden, nun doch ein Update für die alte Geräteklasse bereitzustellen, ist mit Vorsicht zu genießen. Benutzer von Apples Smartphones kennen die Falle bereits: Das iPhone 3 wurde durch das Update auf iOS4 zu einem quälend langsamen Nervtöter; vor einem Monat wurde iPhone 4 durch iOS7 ausgebremst. Mit grenzwertigen Updates für alte Geräte hat Apple in der Vergangenheit vor allem eines erreicht: User, die sich durch ihre Apps, Kontakte und Cloud-Daten an Apples Plattform gebunden fühlen, ersetzen ihr durch's Gratis-Update langsamer gewordene Gerät schneller als geplant durch ein neues. Dieser Effekt ist Apple bewusst und soll offenbar auch mit Mavericks auf alten Macs erreicht werden: Das neue OS X wird gratis verteilt, User installieren es auf alten Computern, benützen die mitgelieferten Cloud- und Kollaborationstools, sind aber von der Geschwindigkeit genervt – und steigen schließlich auf neue Macs um.

Zahlenvergleich Macs / iGeräte

Apple

Verkaufszahlen von iDevices und Macs im Vergleich

Die neuen Geräte sind es auch, um deren Leistung, Design und „Magie“ es in der eineinhalbstündigen Produktpräsentation ging. Beachtliche Steigerungen von Rechenleistung und Akkulaufzeiten (beides dank der Haswell-CPUs), dünnere Gehäuse, bessere Displays. Und immer wieder Maßnahmen zur Verbesserung des guten Rufs: Mehrmals wurde betont, dass der neue, zylinderförmige Mac Pro in den USA produziert würde. Angesichts der Tatsache, dass der Mac Pro nur einen winzigen Bruchteil des Produktionsvolumens von Apple ausmacht, kann das als reine Imagekampage gewertet werden. Die Verkaufsrenner des Konzerns, also iPad, iPhone und Macbook Air, werden weiterhin in China gefertigt. Zu den Arbeitsbedingungen bei Foxconn & Co. wurde gestern freilich kein Wort verloren. Wie kein anderer Konzern hat sich Apple einen der wichtigsten Grundsätze moderner Verkaufspsychologie zueigen gemacht: Man verkauft nicht Produkte, sondern Gefühle.