Erstellt am: 22. 11. 2013 - 16:12 Uhr
Die Akustik des Winters
Man kann ihn schon riechen, ja fast schon auf der Haut spüren. Den Schnee. Trotz der bedeckten Tage, die die Städte in ein deprimierendes Grau tauchen, liebe ich die Zeit des ersten Schneefalls. Die kristallenen Flocken, die lautlos und sanft zu Boden segeln, den lauten Verkehr und auch die Schritte der in Mäntel gehüllten Menschen dämpfen. Diese ganz besondere Stimmung hat für mich immer ein bisschen etwas mit innerer Einkehr zu tun. Das eigene Tun und Leben zu reflektieren, sich bewusst zu werden, wo man gerade steht und wohin die Reise geht.
Musikalisch begleiten mich zu dieser kalten Jahreszeit oft fragile Singer/Songwriter Töne, die einen sanft in Träumereien versetzen. Deshalb diesmal eine Zusammenstellung neuester österreichischer Musikvideos, die sich eher auf der ruhigen Seite des Soundspektrums befinden.
Squalloscope - "Sledge Hammer"
Schon die ersten Töne von "Sledge Hammer" haben etwas Unheimliches an sich. Anna Kohlweis alias Squalloscope versteht es meisterlich, über dem sehr reduzierten Arrangement von Percussions und zurückhaltenden Klangteppichen mit ihrer zerbrechlichen Stimme eine unglaubliche Spannung aufzubauen. Dieser dicht verwobene Song ist der Vorbote für die in Kürze erscheinende EP "Desert" und wurde visuell mit einem Zusammenschnitt alter VHS Aufnahmen montiert, die aus dem Fundus von Ian Fisher aus den 1990iger Jahren stammen. Gerade diese unschuldig wirkenden Szenen von spielenden Kindern bekommen durch die Musik eine dunkle Stimmung und lassen trotz offensichtlichem Gaudium eine beklemmende Unruhe aufkommen.
Mimu - "The Tender Song"
Auf ähnliches musikalisches Terrain begibt sich Mimu mit ihrem "The Tender Song". Die Medienkünstlerin, Graphik-Designerin und Musikerin dekonstruiert ihren Popsong mit viel Liebe zum Detail und weckt das Interesse an dem Stück damit, dass er jede Sekunde droht, komplett auseinander zufallen. Das Video zu "The Tender Song" ist mit fantastisch gefilmten Close-Ups umgesetzt. Immer wieder rätselt man, was die plötzlich über den Bildschirm flimmernde Großaufnahme wohl darstellen soll. Gegengeschnitten mit filmischen Sequenzen von Mimu Merz ergibt dieser kleine Film ein rundes Gesamtkunstwerk.
Bernhard Eder - "Bloom"
Die Melancholie ist für viele Menschen fixer Bestandteil des Winters. Ein Musiker, der sich damit nur allzu gut auszukennen scheint, ist Singer/Songwriter Bernhard Eder, hat er doch sein ganzes letztes Album "Post Breakup Coffee" einer in die Brüche gegangenen Beziehung und den daraus resultierenden inneren Wandlungsphasen gewidmet. Um Einsamkeit und depressive Gefühle dreht sich auch die aktuelle Single "Bloom" aus seinem letzten Release "The Lost Ones". Im Video steht eindeutig der Song im Vordergrund. Es ist eine quasi Live-Aufnahme bei einer Akustik-Session im Leipziger PPZK. Vor allem der Schluss der Nummer hat eine sehr charmante "Überraschung" parat bei der man erkennt, dass Bernhard Eder auch anders kann, als in Melancholie zu versinken.
A Colourful White - "Full Of Grace"
Es ist ein beseelter, herzergreifender Song. Locker flockig und federleicht, mit einem Schuss Sehnsucht. Wunderschön produziert und berührend gesungen. Die Linzer A Colourful White haben sich für die Präsentation dieser ersten Single einen nicht herkömmlichen Zugang einfallen lassen. "Full Of Grace" ist ein interaktives Video, dass erst durch die Betrachter so richtig zum Leben erweckt werden soll. Ein schwimmender Schwan wird von allen, die sich dem digitalen Zeichnen gewidmet haben, begleitet. Gemeinsam fliegen an uns Sonnen, Berge, ein Opernhaus und vieles mehr vorbei, untermalt von diesem glänzenden Popsong.
Silvius Sonvilla - "Rücklicht"
Einen letzten Hauch des vergangenen Sommers lässt uns der Wiener Sänger und Songschreiber Silvius Sonvilla spüren. Nach längerer Zeit in Finnland und Brüssel ist der Musiker nun in seine Heimat zurückgekehrt und hat mit Alexander Wieser (seines Zeichens Sänger bei Deckchair Orange) eine EP aufgenommen, deren unbeschwerte Popsongs den Hörern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Die zweite Single "Rücklicht" kann man als intimes und gewitztes Liebeslied interpretieren, wobei die Geschichte im Video nahelegt, dass es eine noch nicht erfüllte Liebe handelt. Und am Ende ertappt man sich bei dem Wunsch, dass sich die Wege des verliebten Fotographen und des Mädchen doch irgendwann kreuzen sollten.