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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

21. 10. 2013 - 18:01

Das Leben ist ein Vogel

Zwischen Trash und steiler Spannung: Die Fernsehserie "Revenge"

Um den Tiefgang von "Revenge" zu untermauern, darf gleich zu Beginn der allerersten Episode niemand geringerer als der große Konfuzius himself sprechen: "Before You Embark On A Journey Of Revenge, Dig Two Graves" steht im ersten Bild in weißen Lettern auf schwarzem Hintergrund geschrieben. Nun ist dieser Kalenderspruch wahrlich kaum schwer zu entschlüsseln – dennoch wird im Verlauf der vor zwei Jahren auf ABC gestarteten Show "Revenge" seine Bedeutung wieder und wieder explizit in Worten, in kleinen Blicken und kurzen moralisierenden Szenen neu ins Gewissen der Zuseher gedübelt werden.

"Revenge" handelt davon, wie das ist, vom stechenden Bedürfnis nach Rache korrumpiert zu werden, und davon, dass es am Ende einer brutal durchexerzierten Vergeltung wohl einzig Verlierer gibt. "Revenge"läuft montags auf ORF 1, soeben ist die erste Staffel der Serie auf DVD erschienen, fast zeitgleich startet Staffel 3 in den USA. Vielleicht dazu demnächst mehr. Empfehlenswert ist "Revenge" in jedem Fall. Die Serie reitet den alten Gaul des cross-referentiellen Film- und Fernsehmachens und des oberschlauen, postmodernen Augenzwinkerns entlang des schmalen Grades zwischen purem Trash und lustvoller, für jeden nachvollziehbarer Überaffirmationen.

Revenge

Revenge

Immer schick am Strand: Revenge

Man kennt den Plot dieser Show, die sich auf die Formen und Motive der Soap Opera wissend und kommentierend bezieht, gleichzeitig aber auch bestens gebaute Soap Opera, mit allen Makeln, ist – in der einen oder anderen Variante: Eine junge Frau, nennen wir sie Amanda Clarke, kehrt nach langen, langen Jahren der Abwesenheit in die Hamptons auf Long Island zurück, dorthin wo die Superreichen und die Prunkverwalter ihre megalomanischen Sommerresidenzen liegen haben. Doch Obacht: Hinter all dem Glamour, dem Prestige und der grellsten Blendung bröckelt es.

Dunkle Vergangenheiten schlummern in den vom Leben ach so reichlich beschenkten Bewohnern der Hamptons. Als Amanda noch Kind war, haben vermeintliche Freunde und Geschäftspartner ihres Vaters ebenjenen übel aufs Kreuz gelegt, ihm ein Verbrechen angehängt und sein Leben zerstört. 9/11 spielt auch irgendeine Rolle. Unter dem Namen Emily Thorne schleicht sich Amanda nun in die exklusive Gesellschaft ein, um die Bösen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Schnöde gemordet wird, zunächst, nicht – psychologische Spielchen und innere Zermürbung sind die obersten Waffen.

Amandas Gegenspielerin ist Victoria Grayson, unangefochtene Society-Queen der Hamptons, das Wort "Intrige" hat sie erfunden. Madeline Stowe in der Rolle von Victoria Grayson, möglicherweise der Rolle ihres Lebens, ist nur einer von vielen Gründen, von "Revenge" begeistert zu sein - dabei ist sie aber symptomatisch für die ganze Show. Mit eisigem Lächeln verkörpert sie die Figur des stereotypischen "Biests" haarscharf an der Grenze zu Karikatur. Oft entgleist ihr das Lächeln auch wunderhübsch unter gespielter Würde, Joan Collins in "Dynasty – Der Denver-Clan" dürfte sie studiert haben.

So funktioniert die ganze Serie: "Revenge" weiß, dass es schon hunderte Soap-Operas gegeben hat, spielt mit den Konventionen des Genres, bleibt ihm aber stets mit aller Verlässlichkeit verpflichtet. Totgeglaubte Verwandte tauchen wieder auf, unerhörte verwandtschaftliche Verstrickungen werden publik. Sätze werden bedeutsam und mythenverheißend gesprochen, so als kündete jede Silbe vom Herannahen der Weltformel. Das ist oft sehr lustig. Auch gibt es einen Kindheitsfreund von Emily, der mittlerweile eine Bar betreibt, immer nahe dran am Konkurs und der Brotlosigkeit. Der steht in "Revenge" fast zwangsweise für den Typus des Unschuldigen, des Reinen, des Guten; der, den das Kapital noch nicht ganz kaputt gemacht hat.

Revenge

Revenge

Dabei wird "Revenge" nie zur Persiflage überhöht. Die Serie ist eher wie ein verschwörerisches Nicken zwischen zwei Menschen, die die Lösung zu einem nicht einmal gar so schwierig zu knackenden Rätsel kennen. Man darf sich schlauer und eingeweiht vorkommen. Aber nur ein bisschen. Gleichzeitig natürlich doch auch der Spannung, der Dramaturgie und den klarerweise mit höchstem Pomp gesetzten Cliffhangern auf den Leim gehen.

Revenge

Revenge

Gerade ist die erste Staffel von "Revenge" auf DVD erschienen. Staffel 3 ist in den USA gestartet

Die Episoden von "Revenge" nennen sich "Zweifel", "Gerechtigkeit" oder "Absolution". "Loyalität" oder "Intrigen". Am Ende jede Folge erklärt uns Emily/Amanda mit weihevollen Worten aus dem Off zusammenfassend, falls man es nicht verstanden haben sollte, woher diese Titel rühren und wie sie mit der eben gesehenen Handlung korrespondieren. Sie tut dies in Sinnsprüchen, die nicht ganz die Qualität der konfuzianischen Weisheit von zu Beginn erreichen.

Was wir aber gelernt haben: Die Rache ist ein süßes Gift. Die Rache wird am besten kalt serviert. Vergeltung ist eine Art wilder Gerechtigkeit. Das Wasser haftet nicht an den Bergen, die Rache nicht an einem großen Herzen. "Revenge" ist ein hässlicher Aphorismus, der im Munde so zart karamellern schmeckt, wenn man sanft mit der Zunge drüberstreicht. "Revenge" ist ein blöde Metapher, sozusagen ein Strandhaus, von dessen Veranda aus sich die prächtigsten Sonnenuntergänge beobachten und die giftigsten Pläne gegen unsere Feinde schmieden lassen.