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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

21. 10. 2013 - 15:35

Datenschutznovelle passiert EU-Parlament

Mit 49 Pro- und einer Gegenstimme wurde der am Freitag neu erstellte Kompromissentwurf zur europäischen Datenschutzverordnung im Innenausschuss angenommen.

Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments hat am Montagabend die Novelle zum EU-Datenschutz mit überwältigender Mehrheit angenommen. 49 Abgeordnete stimmten für den Kompromissentwurf der Datenschutzverordnung, bei einer Gegenstimme und drei Enthaltungen. Die insgesamt 90 Artikel des Kompromissvorschlags, der den Strafrahmen für Datenschutzverstöße von Firmen drastisch erhöht und auch eine "Lex NSA" enthält, waren erst am Freitag neu erstellt worden.

Update Nr.3 Montag 20.45

Der Ausschuss erteilte dem Berichterstatter Jan Albrecht (Grüne) ein Mandat für Verhandlungen mit Kommission und Ministerrat. Die Abgeordneten kamen überein, die Plenarabstimmung noch vor den Neuwahlen zum EU-Parlament im Juni 2014 anzusetzen. Die große Unbekannte bei diesem Vorhaben ist der Ministerrat, allgemein erwartet wird, dass es dort heftigen Widerstand seitens der Regierungen von Großbritannien, Irland, aber auch den Niederlanden, Dänemark und Schweden geben wird.

Die Abstimmung über die Begleitrichtlinie zum Datenschutz auf Ebene der Strafverfolgung ging mit 29 Pro- und 20 Gegenstimmen wesentlich knapper aus. Die Gegenstimmen kamen von den Konservativen der EVP-Fraktion.

Was parallel geschah

Am Montag wurde der Botschafter der USA in Frankreich ins französische Außenministerium zitiert. Der Grund dafür ist ein aktueller Bericht der Tageszeitung "Le Monde", wonach die NSA systematisch in den französischen Telefonienetzen spioniert.

In einem einzigen Monat sollen so 70 Millionen Metadatensätzen über die Telefonate französischer Staatsbürger durch den militärischen Geheimdienst des NATO-Partnerstaats USA abgezogen worden sein. Auf diesen Spionageskandal, der ungebrochen immer weitere Kreise zieht, ist auch die wichtigste Änderung im Neuentwurf der EU-Datenschutzverordnung gegenüber der alten Richtlinie von 1995 zurückzuführen. Dabei handelt es sich um den neuen Artikel 43a.

Der neue Artikel

In Absatz eins heißt es da: Kein Urteil eines Gerichts, Tribunals oder einer administrativen Behörde eines Drittstaats, das den Datenhalter zur Weitergabe personenbezogener Daten von EU-Bürgern verpflichtet, soll anerkannt oder durchgesetzt werden können, wenn dafür kein entsprechendes Abkommen mit diesem Drittstaat auf Ebene der EU oder der jeweiligen, nationalen Gesetzgebung besteht.

Die gesamte, elektronische Spionagetätigkeit der NSA aber beruht bekanntlich auf solchen administrativen Verfügungen nach US-amerikanischen Recht. Diese mittlerweile berüchtigten "Natіonal Security Letters" verpflichten die Internetkonzerne und Telekoms der USA, die Daten der Bürger von Drittstaaten - ob Verbündete oder Gegner ist dabei egal - an die NSA weiterzugeben und darüber Stillschweigen zu bewahren.

Der Hebel

Parlament wie Kommission haben zwar keine Kompetenzen für Regelungen, die Verteidigungsagenden und damit "nationale Sicherheit" betreffen. Vor allem dieser Aspekt wurde von interessierter Seite, nämlich den Apologeten des transatlantischen Status Quo während der letzten Tage unablässig betont. Die Botschaft dabei ist unmissverständlich: Europa sollte gar nicht erst versuchen, gegen die Spionagepraktiken der NSA auf juristischer Ebene vorzugehen.

Sehr wohl zuständig ist Brüssel aber für den europäischen Binnenmarkt und die Harmonisierung der nationalen Rechtssysteme und genau hier wurde auch der Hebel angesetzt.

Die Doppelmühle

Die US-Internetkonzerne und Telekoms geraten so eine Art von Doppelmühle, was die Legalität ihrer Geschäfte in Europa betrifft. Einerseits müssen sie die "National Security Letters" des US-Justizministeriums befolgen und sind zur Geheimhaltung der systematischen Datenweitergabe verpflichtet.

Die Tagesordnung des parlamentarischen Innenausschusses. Sitzungsbeginn ist 18.30

Zum anderen verstoßen sie dabei gegen europäisches Recht, wenn Artikel 43a der neuen Datenschutzverordnung so beschlossen wird. An deren Wortlaut muss dann auch noch das seit dem Jahr 2000 in Kraft befindliche "Safe Harbor"-Abkommen mit den USA angepasst werden. Diese Abkommen wiederum bildet den Rechtsrahmen dafür, dass Daten europäischer Bürger in den USA überhaupt verarbeitet werden dürfen.

Überraschende Wendungen

Angesichts der laufenden Enthüllungen zur NSA-Spionage, die jetzt gerade für besondere Empörung in Frankreich sorgt, ist es kaum denkbar, dass man hier bald wieder zur Tagesordung übergeht. Der Ablauf der vergangenen Tage unterstreicht das zusätzlich.

Der am Freitag veröffentlichte Text des Entwurfs zur EU-Datenschutzverordnung.

Noch am Donnerstag hatte es so ausgesehen, als würde der heutige Abstimmungstermin nicht halten, zum ursprünglichen Kommissionsentwurf lagen nämlich 4.000 Abänderungsanträge vor. Am Freitag gingen der parlamentarische Berichterstatter Jan Albrecht (Grüne) und die EU-Kommissarin Viviane Reding überraschend an die Öffentlichkeit und verkündeten, dass ein fraktionsübergreifender Kompromiss zum Entwurf der Verordnung gefunden sei. Nur wenige Stunden später war der neue Text, der heute zur Abstimmung stand bereits inoffiziellerweise im Internet nachzulesen.

Richtungsvorgaben, Strafmaß verdoppelt

Es handelt sich dabei zwar nicht um die Endfassung der Verordnung, sondern "nur" um ihre erste Stufe, nämlich den Beschluss des zuständigen Parlamentausschusses. Er gibt jedoch die Richtung vor und der blitzartig erreichte Konsens quer über die Fraktionen des europäischen Parlaments verleiht ihm zusätzliches Gewicht, das keinesfalls zu unterschätzen ist.

Abgeordnete und Kommission haben hier eine Richtung vorgegeben, was durch eine weitere, ebenfalls überraschende Verschärfung noch unterstrichen wird. So wurde das Strafmaß bei schweren und systematischen Verstößen gegen die neue Datenschutzverordnung mehr als verdoppelt.

Programmierter Zwist im Ministerrat

Statt zwei Prozent des weltweiten Umsatzes sind nun fünf Prozent als Höchstrafe angesetzt. Für den EU-Ministerrat, wo Großbritannien und Irland schon seit Jahresbeginn gegen das Strafmaß von zwei Prozent Sturm gelaufen waren, sind damit Streitigkeiten programmiert.

Dies wurde von Parlament und Kommission billigend in Kauf genommen, denn Maßnahmen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene sind in diesem Fall das einzige Instrument, das Europa gegen die allumfassende Spionage durch den wichtigsten Verbündeten zusammen mit einzelnen Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht.

Was die Enthüllungen über die NSA-Spionage in Frankreichs Datennetzen betrifft, so wurde von "Le Monde" bereits angekündigt, dass der am Montag veröffentlichte Artikel nur der erste einer ganzen Reihe weiterer ist.