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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

23. 10. 2013 - 11:14

Tänzeln an der Grenze

Nicolas Jaar, der ehemalige Shootingstar der elektronischen Musikszene, liefert das Album-Debüt seines Projekts Darkside.

Nicolas Jaar schafft es mit der Musik, die er macht, auf mehreren Ebenen zu wirken, sowohl räumlich als auch körperlich. Will heißen: seine Musik funktioniert im Club, man kann sich seine Sets aber auch wie Konzerte anhören.

Seine Musik öffnet einen Raum, in dem man Platz zum Zuhören und zum Denken hat. Nicht umsonst heißt das Debüt-Album "Space is only Noise". 2011 ist es erschienen und jetzt, zwei Jahre später, gibt es ein neues Werk von Nicolas Jaar in Album-Länge: Gemeinsam mit seinem Tour-Gitarristen Dave Harrington hat er das Projekt Darkside gegründet. Mit "Psychic" haben die beiden jetzt ihr Album-Debüt abgeleifert.

Noch vor "Space is only Noise" hat es Nicolas Jaar mit einem Remix in meine Welt geschafft. Von Michael Jacksons "Billie Jean" einen Remix zu machen ist dabei eigentlich so ziemlich das unoriginellste das einem einfallen kann. Im Popkosmos ist das Stück Dreh- und Angelpunkt für alle 80ies-Kids und Early-Ninities-Babies. Aber Nicolas Jaar arbeitet nicht mit Nostalgie. Er negiert dieses unbestimmte Sehnen nach einer Zeit, in der eingebildeterweise alles besser war, diese Flucht in eine rückwärtsgewandte Verklärtheit, indem er Billie Jean um das definierende Element bringt: die Bassline.

darkside

Nicolas Jaar hat Talent und Ideen und den großen Vorteil, dass er niemandem was beweisen muss. Und Geld, Ruhm und Ehre scheinen ihm auch relativ egal zu sein. Man merkt bei seinen Produktionen, dass hier jemand am Werk ist, der extrem auf die Form und den Ausdruck fokussiert ist und den es wenig kümmert, ob und was die Rezeption damit macht. Er erzeugt Dichte, die federleicht ist.

Nicolas Jaar ist der Sohn des chilenischen Künstlers Alfredo Jaar, der zu Migration und Machtstrukturen arbeitet und auch die eigene Position als Künstler in verschiedenen Medien reflektiert. Wir können also erahnen, dass Nicolas Jaar früh gelernt hat, dass es viele Umsetzungen von Ideen geben kann. Kein Theorie-Gepose nach außen, sondern gut verstreute Krümelchen durch das Dickicht des Sinn und Klang.

Darkside

Jeder Mensch, der seine Jugend nicht in ziemlicher Abgeschiedenheit verbracht hat, bringt "Darkside" mit Pink Floyd und Star Wars in Verbindung, auch ein bisschen David Lynch und Angelo Badalamenti, wenn man das Album einmal kurz durchlaufen lässt.

"Darkside" ist Americana, Bits und Bytes Blues. Psychedelisch, aber nicht verspult, sondern verspielt. Jaar und Harrington arbeiten sich an ihren Erinnerungen an die 80er Jahre ab. Diesen Sommer haben sich Nicolas Jaar und Dave Harrington übrigens an den 80er-Jahre-Erinnerungen anderer abgearbeitet und als Daftside das gesamte Daft Punk-Album "Random Acess Memories" geremixt.

darkside

Darkside tänzelt an einer Grenze, darüber sind die Reviews, die ich lese, weil die Verfasserinnen Darkside im Berghain gesehen haben und ich nicht, sich einig.
Aber selbst den Mehr-Wissenden, die Darkside live gesehen haben und darüber sprechen oder schreiben wollen, fällt es schwer, das Diesseits und Jenseits dieser Grenze zu verorten. Tanzmusik und Rockmusik, Pop und Abstraktion, gähn, langweilige Opposition. Raum und Struktur vielleicht? Das ist schon ein Raster, in dem sich "Psychic" von Darkside bewegt. Nicolas Jaar meinte in Interviews immer wieder, dass der "Space", von dem er spricht und der auch im Titel seines ersten Albums erwähnt wird, nicht der Weltraum ist, sondern das Innen der Musik, das, was zwischen den Beats per Minute passiert. Er hat einmal gesagt, dass er nach einer musikalischen Form sucht, die so nah wie möglich an Sprache herankommt.