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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

19. 10. 2013 - 14:06

Ein Skatepark im Keller

Engagierte Skater haben den Platzmangel in Wiens Skatehalle satt und verschaffen sich selbst Abhilfe. Sie bauen eine DIY Skatebowl in einem alten Kohlenkeller.

Die Geschichte klingt wie aus der Werbung eines Baumarkts: Mach es zu deinem Projekt, ein eigener Skatepark, doch genau das ist Johannes Wahl, einem Wiener Skate-Urgestein, in den Sinn gekommen, als er zum ersten Mal die Räume unter seiner Wohnung in Wien Hütteldorf inspiziert hat. Erst nach einem halben Jahr konnte er sein Kellerabteil beziehen, das zuerst noch trocken gelegt werden musste. Als er dann gemeinsam mit einem Freund Sachen runtergetragen hat, ist ihm sein Hund entwischt. Wiedergefunden haben sie ihn in dem Raum, der heute sein zweites Wohnzimmer ist, einem alten, fünf Meter hohen Kohlenkeller. "Als wir den Raum gesehen haben, haben natürlich gleich die Rädchen gedreht und wir haben schon geträumt von Rampenkonstruktionen und Roll-Ins und allem Möglichen."

Ein gutes Dutzend anderer Wiener Skater lässt sich von diesen Träumen anstecken, ist doch die Skate-Situation in den Wintermonaten alles andere als optimal. Die einzige Skatehalle in Wien platzt aus allen Nähten, was ihnen die eigene, selbst zu bauende Alternative noch attraktiver erscheinen lässt. Gemeinsam starten sie ihr Projekt DIY-Skatepark.

Vermieter unterschätzt die Skater

Die Erlaubnis von Johannes Vermieter bekommen sie relativ rasch, weil er ihnen nicht ganz zutraut das Projekt durchzuziehen. Allein um den Raum vorzubereiten müssen 15 Kubikmeter Schutt, Überreste von Jahrzehnten, unter denen sich auch manche Antquität verbirgt, durch die engen Gänge und Stiegen hinausgetragen werden, alles in Kübeln, denn für mehr ist nicht Platz. Drei Wochen benötigen sie rein für das Vorbereiten des Kellers, danach weitere dreieinhalb Monate, um ihr Traum-Setup fertig zu stellen. Von der anfänglichen Idee einer Miniramp aus Holz nehmen sie bald wieder Abstand, weil das Holz im Keller wohl verfaulen würde und sie entscheiden sich für einen Pool aus Beton, der auf einem Papierfetzen skizziert wird.

Totenkopf als Mauerschmuck

Simon Welebil / FM4

Ob die Deko wohl aus dem Schutt stammt?

Der Beton für den Pool wird direkt im Keller angerührt und auch jede einzelne Schaufel Sand, die sie dafür benötigen, muss händisch herunter gebracht werden. Für Johannes gilt es während der Bauzeit auch, seine Nachbarn zu betreuen, damit sich niemand über den Lärm beklagt. Mehr als 2.500 Arbeitsstunden investieren die Skater schließlich und das Ergebnis nötigt sogar dem Vermieter Respekt ab, der ihnen nach getaner Arbeit zu ihrem "Kunstwerk" gratuliert und laut Johannes auch ganz stolz ist, was nun in seinem Keller ist.

Skatebowl im Keller

Simon Welebil / FM4

Philipp Schuster und Johannes Wahl in ihrer Bowl

Bowl mit Überraschungen

Die fertige Skatebowl füllt den 55m² großen Keller schließlich ganz aus, sie ist sehr verschachtelt, hat enge Radien und selbst über das Eingangsloch kann gefahren werden. Im Skatejargon würde man sie "gnarly" nennen, meint Johannes und sie hält einige Überraschungen bereit, wie Skate-Profi Philipp Schuster erzählt: "Ich muss zugeben, dass ich das Ding am Anfang unterschätzt habe und bin sehr leichtfertig an die Sache rangegangen. Ich hab mir gleich bei der dritten Session die Schulter ausgekegelt." Seine erste Verletzung in 15 Jahren Skateboarden.

Die Bowl ist sehr anspruchsvoll zu fahren, meint Johannes, und schätzt, dass es in Wien vielleicht 15 Leute gibt, die diese Bowl gut fahren könnten. "Man muss hier schon sehr genau wissen, was man tut", denn diese Bowl "trennt die Spreu vom Weizen", sagt Johannes, womit sie keine Angst haben müssten, dass ihr Skateparadies mit Anfragen überhäuft würde.

Johannes Hahn und Philipp Schuster in ihrer eigenen Bowl

Simon Welebil / FM4

"A Skateboarder's Romance"

Philipp Schuster hat von Anfang an gespürt, dass dies ein ganz besonderes Projekt werden würde und als ambitionierter Fotograf hat er neben dem Bau immer wieder die Schaufel auf die Seite gelegt und auf den Auslöser gedrückt. So ist es ihm gelungen, die Beziehung der Skater zu ihrem Projekt in einer Reportageserie festzuhalten.

Fotoausstellung der Skate-Aufnahmen

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Im Fotomuseum Westlicht haben die Skater auch eine Bowl installiert, temporär.

Philipp Schusters Reportageserie "A Skateboarder's Romance" ist bis zum 31. Oktober im Fotomuseum Westlicht zu sehen.

Chronologisch wird der Baufortschritt dokumentiert, wobei die Momente der Motivation und der Euphorie, die die Protagonisten beim Bau immer wieder erfasst haben, besonders hervortreten. Philipp war es ein großes Anliegen, zu zeigen, wie dieser "verwirrte Skaterhaufen" es fertig gebracht hat, solch ein komplexes und arbeitsintensives Projekt zu stemmen.

Fotoausstellung der Skate-Aufnahmen

Simon Welebil / FM4

Perfekte Aura durch Schweiß und Herzblut

Johannes Wahl hat das ganze Projekt filmisch festgehalten. Die Videos zum Bau und der ersten Session findet man auf seiner Website.

Jetzt, einige Monate nach Fertigstellung der Bowl, leuchten die Augen von Philipp und Johannes noch immer, wenn sie hier unten sind. Sie haben sich mit ihrem DIY-Skatepark einen Traum erfüllt. "Allein die Location ist so unglaublich und so unwirklich , dass es jedes Mal ein Erlebnis ist, hier unten zu skaten", sagt Philipp, und der Faktor, dass sie alles selbst geplant und durchgeführt hätten, dass ihr Schweiß und Herzblut drinnen stecke, ließe sich durch nichts toppen. Und auch Johannes kann es noch immer nicht glauben, dass dieses "Ding" jetzt in seinem Keller steht: "Das ist das Beste, was mir in meiner Skate-Karriere passiert ist."