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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

16. 10. 2013 - 16:47

Geld ohne Arbeit

In den nächsten Jahren stimmen die Schweizer über das Bedingungslose Grundeinkommen ab. Auch in der EU gibt es Initiativen, die dafür kämpfen.

von Rainer Springenschmid und Barbara Frank

Die Schweizer Staatsbürgerschaft könnte in naher Zukunft begehrter denn je werden - zumindest dann, wenn die EidgenossInnen der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in ihrem Land zustimmen. Jeder Schweizer Bürger und jede Schweizer Bürgerin hätte, wenn die Volksabstimmung Erfolg hat, ein Anrecht auf bis zu 2.500 Schweizer Franken, umgerechnet etwa 2.000 € im Monat - und das ein Leben lang, ohne dafür zu arbeiten. Klingt wie Schlaraffenland auf Erden - kein Wunder also, dass die Schweizer Volksinitiative in Rekordzeit die notwendigen 100.000 Unterschriften beisammen hatte. Insgesamt 126.000 Schweizerinnen und Schweizer haben die Initiative unterstützt, in zwei bis spätestens drei Jahren würde darüber abgestimmt.

Münzen werden mit einem Besen verteilt

KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Bald auch in der EU?

Auch in der EU und damit in Österreich könnte das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) bald ein Thema werden. Eine europäische Bürgerinitiative hat sich zum Ziel gesetzt, Armut und Arbeitslosigkeit in der ganzen EU auf einen Schlag abzuschaffen. Jeder Bürger und jede Bürgerin soll monatlich einen bestimmten Betrag bekommen - egal ob er/sie arbeitet oder nicht, und egal wie viel er oder sie verdient. Arbeit und Einkommen würden entkoppelt, jeder Mensch könnte – so die Vision – in dem Bereich tätig sein, in dem es ihm sinnvoll erscheint.

Es gibt verschiedene Berechnungsmodelle für ein BGE, die meist zwischen 600 und 1.200 € pro Monat veranschlagen. Attac zum Beispiel rechnet mit 1.000 € für Erwachsene und 800 € für Kinder bis 15 Jahre, jeweils 14 mal im Jahr.

"Wir haben die BGE-Initiative in Kärnten gegründet, weil sich auch Kärnten mit der aktuellen Situation beschäftigen muss", meint Franz Josef Lesjak. "Mit der Not, die immer größer wird, mit dem Elend das immer größer wird und dem Prekariat, das sich ausbreitet, wie die Pest im Mittelalter." Franz Josef Lesjak ist ein Mann der deutlichen Worte, und er streitet gern - vor allem streitet er gern für etwas. In seinem Lokal Salon Freiheit in der Klagenfurter Innenstadt findet allwöchentlich der BGE-Stammtisch statt.

"Das Grundeinkommen ist im Prinzip so etwas wie der erste Schritt zur Basisversorgung", sagt Lesjak. "Man hebt den untersten Rand der Gesellschaft auf ein Mindestniveau, so dass er in der Lage ist sich zu ernähren, warm zu wohnen und einen Anteil am gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu haben. Damit würde er frei werden, der Mensch. Und wenn er frei würde, hätte er viele Kapazitäten, die er wieder entdecken könnte. Dann gibt es so etwas wie einen natürlichen Wirtschaftsboom." Das derzeitige Wirtschaftssystem bezeichnet Lesjak als geplante Obsoleszenz, also als geplanten Verschleiß eines Produkts, der künstlichen Begrenzung seiner Lebensdauer. "Jeder ist gezwungen, irgendeinen Blödsinn zu machen, irgendeiner Erwerbsarbeit nachzugehen, die kein Mensch braucht, weil der Dreck sowieso nur am Müll landet."

Wer würde dann noch arbeiten gehen?

Die Süddeutsche Zeitung hat kürzlich einige der wichtigsten Fragen und Antworten zum BGE zusammengefasst.

Gegner befürchten natürlich, dass die Wirtschaft zusammenbricht, weil ohne den Zwang zu arbeiten, (oder wie manche es ausdrücken: ohne Leistungsanreize) jeder nur noch die Füße hochlegen würde. Aber das bedingungslose Grundeinkommen ist keine abgehobene Idee von sozialreformerischen Basisgruppen wie Attac. Die unterstützen das Anliegen zwar auch, allerdings trommeln eher wirtschaftsliberal orientierte Unternehmer wie Hans Peter Haselsteiner oder der dm-Gründer Götz Werner schon weit länger für diese Idee.

Und es gibt einige Beispiele weltweit, dass ein Grundeinkommen funktionieren kann: In Südamerika und Afrika laufen schon seit einiger Zeit Pilotprojekte, in Brasilien steht das Recht auf ein Grundeinkommen sogar in der Verfassung, in Alaska werden die Gewinne aus der Ölförderung über einen Fonds gleichmäßig an die Bevölkerung ausgeschüttet - von einem Grundeinkommen kann man dort bei Beträgen von 850 bis 2.500 $ im Jahr zwar noch nicht sprechen, der Grundgedanke ist aber derselbe.

Münzen in einer Bank

KEYSTONE/GEORGIOS KEFALAS

Wer soll das bezahlen?

Zweites Hauptargument der Gegner ist, dass 14.000 € pro Jahr für alle niemals finanziert werden könnten. Die Befürworter sehen das naturgemäß anders und verweisen darauf, dass der Großteil des bisherigen Sozialsystems - inklusive Pensionen und Verwaltungskosten - komplett in die Finanzierung eingerechnet werden kann.

Götz Werner betrachtet die Sache in einem Interview mit der FAZ noch ein bisschen fundamentaler: "Wir alle leben nicht vom Geld, sondern von Gütern. Die richtige Frage lautet daher: Ist die Gesellschaft in der Lage, so viele Güter und Dienstleistungen zustande zu bringen, dass 82 Millionen Menschen in der Größenordnung von mindestens 1.000 Euro davon leben können. Da ist die Antwort - bei einem Bruttosozialprodukt von 2.500 Milliarden und Konsumausgaben von 1.800 Milliarden Euro - eindeutig ja."

Klar ist jedenfalls, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nur mit einer umfassenden Steuerreform einher gehen kann, das sehen die Berechnungen von Götz Werner, von Attac oder auch die von unabhängigen Wirtschaftsexperten so - auch wenn sich deren Modelle gerade bei der Finanzierung deutlich unterscheiden.

Nichts weniger als eine Revolution

Sicher ist, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens einem gesellschaftspolitischen Erdbeben gleichkäme.

"Jede Systemänderung hat Folgen", meint auch Franz Josef Lesjak. "Bisher war es immer so, dass es bei Systemänderungen immer nur ein paar Gewinner gab und viele, viele Verlierer. Das Grundeinkommen hätte erstmals eine Systemänderung zur Folge, bei der die Mehrheit gewinnt, und nur ein paar Wenige verlieren. Das sind aber jene, die das Heft, sprich die Macht in der Hand halten – und sie natürlich nicht abgeben wollen. Deswegen ist die Einführung schwierig, obwohl es viele Modelle gibt, die das seriös nachrechnen und alle wesentlich billiger wären, als das jetzige Sozialmodell, das an allen Ecken und Enden kracht."

Eine Million Unterschriften sind notwendig, damit das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen im EU-Parlament behandelt werden muss. Bis jetzt haben etwa 100.000 EU-Bürger unterschrieben. Viel Zeit bleibt nicht mehr, weil die Frist für die Kampagne am 14. Jänner endet. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, meint Lesjak und verweist auf die Schweiz. Außerdem haben die Bürgerinitiativen einen Antrag auf Verlängerung bei der EU eingebracht. „Es wird jetzt debattiert, ob die Frist verlängert wird und es sieht ganz danach aus - und dann geht es sich auf alle Fälle aus.“

Economy Death Match: Grundeinkommen

Robert Zikmund und Paul Pant im Zwiegespräch über die Pros und Contras eines Grundeinkommens zum Nachhören.

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