Erstellt am: 16. 10. 2013 - 10:59 Uhr
Vom Crack-Elend zur Molly-Ekstase
Natürlich sollte es nicht um Äußerlichkeiten gehen. Aber Danny Browns Aussehen ist sicher ein wichtiger Grund, warum der Detroiter aus der Masse an Rappern sofort herausgestochen ist: Enge Jeans, ungezügelte Haare und eine große Zahnlücke mitten im Gesicht machen ihn zu einer HipHop-untypischen Erscheinung. Aber dann ist da eben noch ein unbestreitbar großes Talent für Raptechnik, präzise Beobachtungen und gut erzählte Geschichten!
Die amerikanischen Kollegen von Complex haben mit ihrer Danny Brown-Geschichte übrigens ein exzellentes Beispiel dafür abgeliefert, wie man Online-Musik-journalismus 2013 gut verpacken kann.

Danny Brown
Weil man in Detroit sowieso nicht ohne Techno aufwachsen kann, und weil ihn der britische Grime-Held Dizzee Rascal sehr inspirierte, reimt Danny Brown auch gerne über unüblich elektronische Sounds. Auf Old gibt es aber rumpelnde Sample-Beats ebenso zu hören wie ravige Hymnen. Trotz der vorherrschenden digitalen Ära hat Danny Brown sein Album nämlich als Vinyl-Platte angelegt. Seite A ist dabei den alten Fans gewidmet, die von seinen elektronischeren Ausflügen verwirrt sind, und den "alten“ Danny Brown zurück haben wollen, der seinerzeit auch mit J Dilla zusammengearbeitet hat.
Über stolpernde Beats mit seltsamen Samples, die großteils der britische Produzent Paul White und Oh No (der kleine Bruder von Madlib) gezimmert haben, erzählt Danny Brown traurige Alltagsgeschichten wie Wonderbread. Sein Ausflug zum "Brot" kaufen ist Browns Annäherung an den großen amerikanischen Kinderbuch-Autor Dr. Seuss, den man hierzulande am ehesten als Erfinder des Grinch kennt. Einer der inhaltlich wichtigsten Tracks auf Old heißt Torture und handelt von den vielen unschönen Dingen, die er während seiner Jugend in Detroit gesehen hat. Seine ganze Familie war auf verschiedene Weisen von der Crack-Epidemie betroffen, weshalb sich Danny geschworen hat, seine Finger von der Droge zu lassen…
Crack und Heroin sind aber so ziemlich die einzigen Stimulantien, die Danny Brown verschmäht – sonst lebt er einen recht puren Sex, Drugs & Rap'n'Rave Lebensstil. Auf der B-Seite von "Old" wird dieser auch in vielen Facetten beschrieben, die musikalische Untermalung besorgen unter anderem das schottische Elektronik-Wunderkind Rustie, Dannys Labelchef A-Trak und sein Hauptproducer SKWLKR.
Für den Song Dubstep hat sich Danny Brown auch den jungen britischen MC Scrufizzer eingeladen – eine Verneigung vor der Grime-Bewegung. Wenn er nicht Dizzee Rascals Fix Up, Look Sharp Video gesehen hätte, hätte er es wohl nie soweit gebracht, gab Danny Brown kürzlich zu Protokoll. Und man hört diesen Einfluss auf seine extrem präzise Rap-Delivery auf dem ganzen Album…
Dank all dieser verschiedenen Komponenten ist "Old" ein ebenso vielseitiges wie hochklassiges Rap-Album geworden, und Danny Brown wird sich damit hoffentlich trotz oder gerade wegen seines etwas "anderen" Aussehen als Teil der US-Rap-Elite etablieren. Anders gesagt: Wenn es auf dieser Welt irgendeine Gerechtigkeit gibt, sollte dieses Album in zwei Monaten auf der vorderen Plätzen der einschlägigen Jahresbestenlisten landen!