Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Tuesday Edition, 08-10-13."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

8. 10. 2013 - 16:42

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 08-10-13.

Herr Fußi, Frau Bello und Herr Tatar. Über zuviel Klartext, natürliche Bewegung und der Abgang des hochstilisierten Philosophen.

Seit einer Woche wieder (fast) täglich: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Zeig her deine Fußi!

#politik #medien #show

Meine Im-Zentrum-Mitschauerin war verblüfft. Eine öffentliche Debatte auf diesem Niveau (Ideen-Austausch über ideologische Grenzen, Zuhören und Aufeinandereingehen als Prinzip, Diskurs-Niveau) hätte sie bislang nur in Deutschland, nie aber in Österreichs von übervorsichtigen, aufgesetzten und stets im Wahlinfight-Duktus gesprägten Politiker-Parodien trister Diskussionsunkultur wahrgenommen. Besonders auffällig: dieser Politik-Berater, dem man in fast jeder einzelnen Meldung nur zustimmen könnte. Wer denn das wäre?

Fußi, sage ich, Rudi Fußi. Armin Wolfs einziger Konkurrent um den Titel des heimischen Twitter-Königs. Auf seinem Profil-Foto steht: spricht Klartext, hat eine Meinung, kennt sich aus.

Im übrigen befindet er sich in dieser Runde, weil er kurzzeitig PR-Berater des Teams Stronach war; ganz seriös und damals mit dem (von der Twitteria schenkelklopfend aufgenommenem) Versuch der Ernsthaftigkeit. Weshalb das Nachtreten gegen den Ex schon ein wenig peinlich daherkommt.

Andererseits: wer ist in Österreich nicht jemandes anderen Ex, politisch? Wenn Matthias Strolz seinem Ex-Chef Kopf publikumswirksam seine Mappe überreicht, wenn Niko Alm (Neos) mit seiner Agentur den grünen Wahlkampf bestreitet, dann sollte auch Josef Broukal Fußi dran erinnern, dass er ja auch einmal bei seinem Verein dabeigewesen ist.

Bei Fußi insofern kein Problem, weil er neben SP-Mitgliedschaft und Stronach-Wahlkämpferei ja auch auf eine JVP-Vergangenheit, auf Partnerschaften mit dem politisch gar nicht so lustigen BM Lugner und diffusen FP-Abspaltungen, ein eigenes Volksbegehren (gegen Abfangjäger) und auch die Vertretung der Austro-Heuschrecke Superfund verweisen kann. Bis auf die Grünen kennt Fußi also alle und alles von ganz ganz innen.

Ich bin nun niemand, der einem altbackenen Objektivitäts-Begriff nachhängt und an sowas wie Äquidistanz-Pflicht für Berichterstatter oder Analysten glaubt. Allerdings spricht weder ein ideologisch derart breit gestreutes Herumgeplantsche noch die dauernervige Abrechnung mit einzelnen Exen dafür, dass sich der Experte wirklich auskennt und tatsächlich nur eine (und nicht gleich immer mehrere, je nachdem...) Meinung hat. Und somit wirklichen Klartext redet, und zwar solchen, der auch morgen, nach dem nächsten dubiosen Engagement, noch hält.

Mag sein, sagt meine Im-Zentrum-Mitschauerin; dann spricht aber alles für eine Karriere im Show-Business, am besten in einer Art "Wetten Dass" des Polit-Entertainment.
Wohlan, das wiederum unterstütze ich.

Keuchen, weil Rennen: zurück in den Serien-Alltag

#bewegtbild

Neben Diamanten wie dem hier bereits angebetetem Homeland ringt der Alltag derzeit dem Serien-Bergwerk einiges an wenigen edlen Materialien ab; vor allem der pathologische Serial-Irre (The Following, Hannibal, auch Elementary) hat aktuell Hochkonjunktur.

Mein kleines Gegenprogramm dazu heißt Prime Suspect und seine nur 13 Folgen laufen gerade auf Kabel1 (auch im Stream). Diese Remake einer britischen Erfolgsreihe mit Helen Mirren thematisiert ein höchst zeitgemäßes Narrativ, die (auch selbst eingebrockten) Probleme einer Frau in einer männerdominierten Umgebung.

Das Buch meidet allzu grobe Plattheiten, die Charaktere haben allesamt genug Ecken um nicht zur Karikatur zu werden, die Fälle (man ermittelt in New York) sind nicht aufgesetzt und das Personal durchaus handverlesen: Kirk Acevedo (der weirde aus Fringe), Peter Gerety aus Homicide und The Wire, Kenny Johnson (Tigs Antagonist in Sons of Anarchy), Aidan Quinn, der mich seit Desperately Seeking Susan begleitet und natürlich Maria Bello, in in Cronenbergs A History of Violence gemeinsam mit Viggo Mortensen eine der nachdrücklichsten Sexszenen der Filmgeschichte spielte, in der Hauptrolle.

Wenn Bello als Jane Timoney ihren komischen Hut ins Gesicht zieht und lieber ein paar Blocks geht, um ihre Wut abdampfen zu lassen, dann fällt der Unterschied zwischen Serien, in denen die porträtierten Erfolgsfrauen auf 10inch-HighHeels daherwatscheln und Serien, in denen natürliche Bewegung ein wichtiger Faktor ist, besonders auf. Und überhaupt: die Verfolgungsjagden zu Fuß, Szenen, bei denen ich sonst automatisch vorspule, die erreichen in Prime Suspect - wohl weil sie ohne Tricks und in realer Langsamkeit gespielt und gekeucht werden - ein lange nicht mehr gesehenes Level. Vielleicht ist auch die so geschaffte Körperlichkeit die für mich nötige Antithese zur überdominanten septischen Serial-Killer-Welt.

Tatar und das vorläuzfige Ende des neckischen Gegurre

#fußball #show

Eine Begegnung mit Alfred Tatar ist zumeist eines: überfordernd. Entweder weil Tatar, der ungewöhnliche Fußball-Trainer, der mit den öffentlichen Spleens, mit den Lebenslauf-Lücken als Spieler, der mit der intensiven Russland-Erfahrung als Coach, sofort eine ungewöhnliche Erwartung in Gang setzt oder weil er - von einer Umgebung, die glaubt im Umgang mit ihm originell sein zu müssen - zu einer solchen genötigt wird.

Das hat dazu geführt, dass Tatar zu einem Fußball-Philosophen hochstilisert wurde, der er in diesem Umfang gar nicht ist. Tatar ist ein Hohepriester des ungewöhnlichen Zugangs, der originellen Denke und Ansprache, aber kein Trainer-Gott.
Tatar konnte aus der Vienna, einem Team knapp jenseits des Regionalliga-Niveaus mit einer Führung an Rande des Dubiosen nie einen Zirkusgaul machen, sondern immer nur knapp vorm Ertrinken retten; Tatar konnte auch aus dem SV Mattersburg, einer bewusst im ländlichen Schutzraum gehaltenen Truppe, nicht mehr herausholen als jeder andere.

Das, diese absurde Diskrepanz, einer unerfüllbare Erwartungshaltung als Wunderheiler, hat ihn jetzt diesen Job gekostet.

Ich denke, dass es nach über drei Jahren Auslagen-Jobs vielleicht eh ganz gut ist, innezuhalten. Die Medien-Figur Tatar ist in einer Eskalationsspirale gefangen, in der nur noch Flucht in die Hysterisierung möglich ist. Und das ist nicht allein Schuld der Medien, sondern auch die des gefälligen Mitspielers.

Im wesentlichen lief das so: Alfred Tatar bekam eine Frage, die mit neckischem Gurren darauf abzielte, ihm jetzt wieder einen besonders witzigen Satz zu entlocken, vielleicht sogar eine kleine Reporter-Verarschung. Das, was Tatar darauf zu sagen hatte, wurde mit Schreien der Verzückung kommentiert und mit Nachfragen ausgezuzelt. Das Problem dabei: zumindest zwei Drittel der Nachfragen ergaben keinen Sinn, weil die (im Vergleich zu Tatar immer allzu einfältigen) Interviewer entweder den Gag oder die zentralen Worte, die Tatar verwendete, gar nicht verstanden hatten. Manchmal auch, weil sie selber schon keinen Sinn mehr hatten. Was im seltenen Optimalfall ein dadaesker Dialog werden konnte, endete im Normalfall als wirrer Blödsinn. Der allerdings in jeder weiteren Rezeption wieder als köstlich, witzig oder philosophisch verkaufbar war.
Merke: in einer Szene, in der wahre Formulierungskraft so selten ist wie etwa in der heimischen Politik, wirft auch ein hatschertes Tatar-Wortbild lange Schatten.

Damit ist es jetzt fürs Erste vorbei. Ich meine glücklicherweise. Tatar muss sich - auch und vor allem diesbezüglich - sammeln, präziser und vor allem unlustiger werden. Dann kann er seinem nächsten Team wirklich Gutes tun.