Erstellt am: 12. 10. 2013 - 15:00 Uhr
Verdrängte Geschichte
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Manche Staaten tun sich schwer mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. In Österreich ist uns das nur allzu bekannt. Aber auch im jüngsten EU-Mitglied Kroatien wird gerne über manche Aspekte der Staatsgründung geschwiegen, über Kriegsverbrechen und Verstrickung von Politik und Mafia etwa. Da die Politik nicht um Aufklärung bemüht ist, muss die Kunst einspringen. Der Journalist Ivica Djikić hat mit "Ich träumte von Elefanten" einen Polit-Thriller geschrieben, der die dunklen Jahre der kroatischen Zeitgeschichte beleuchtet.
Wendejahre
Kunstmann Verlag
Der Roman beginnt damit, dass im Oktober 1999 ein Mann auf offener Straße erschossen wird und bald darauf ein zweiter. Der erste war ein Leibwächter des kroatischen Präsidenten Franjo Tuđman. Der zweite war ein stadtbekannter Gangsterboss, auf dessen Ergreifung eine eigene Sonderkommission angesetzt war.
Obwohl beide Opfer prominent waren, ist die Polizei nicht wirklich an einer Aufklärung ihrer Ermordung interessiert. Die Zagreber Bevölkerung kann diese Haltung nachvollziehen, scheinen doch alle über die Hintergründe und den Zeitpunkt der Morde Bescheid zu wissen. Wo Tuđman im Sterben liegt und die Männer an der Macht Panik bekommen, nutzt die Mafia die Gelegenheit, alte Rechnungen zu begleichen und liquidiert Personen, die ohnehin allen im Wege waren. Für niemanden solle sich was ändern, wenn nach Tuđman neue Zeiten anbrechen.
Doch nicht allen sind die zwei Leichen egal. Boško Krstanović, Mitarbeiter der Staatssicherheit hat jahrelang gegen den Gangsterboss ermittelt, und das andere Opfer ist sein heimlicher Vater. Er versucht einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden herzustellen, stößt dabei immer tiefer in die dunkle Vergangenheit des jungen Staates vor und fördert Verbindungen zwischen organisiertem Verbrechen und den Führern des Landes zu Tage, Politikern und Generälen. Die Jahre der Kriege am Balkan stellen sich dabei als idealer Nährboden dar für Korruption und illegale Geschäfte. Sie sind eine Aufstiegschance für Kleinganoven aus europäischen Großstädten, die von der Staatssicherheit selbst ins Land zurückgeholt werden.
Gangster und Kriegsverbrechen
Obwohl Boško die zentrale Figur im Roman ist, wechselt Djikić zwischen vier verschiedenen Perspektiven. Eine davon ist die eines Staatsanwalts mit serbischen Wurzeln, der im neuen Kroatien den Rückhalt seiner Vorgesetzten verliert und zum Anwalt der Mafia wird. Eine andere beleuchtet den Aufstieg eines kroatischen Emigranten vom Türsteher zum Gangsterboss.
Eine Schlüsselrolle für den Roman nimmt schließlich die Geschichte von Boškos Vater ein. In den Balkankriegen war er Angehöriger einer Eliteeinheit, die an der Folterung, Vertreibung und Ermordung von SerbInnen involviert war. Ihre Aggression lässt die Einheit später auch an den beiden einzigen Elefanten in Kroatien aus, ehemals Geschenke an den jugoslawischen Präsidenten Tito. Damit, dass er diesen Tieren Gewalt antun musste, kommt Boškos Vater nicht klar und das führt ihn später auch dazu, gegenüber Medien und der Staatsanwaltschaft zu Kriegsverbrechen auszupacken.
Kann Literatur die Realität besser darstellen?
Djikić braucht nicht unbedingt einen Roman, um auf Missstände hinzuweisen. Hier etwa ein erhellender Artikel in Le Monde Diplomatique zu Ante Gotovinas Freispruch in Den Haag.
Ivica Djikić selbst gibt die Richtung vor, wie man seinen Roman lesen sollte, mit einem vorangestellten Zitat von José Saramago, in dem es heißt, Literatur könne die "wahre Erklärung für die Fakten und Dinge, für diese verdammte Realität liefern". Bevormunden will Djikic sein Publikum allerdings nicht, und so lässt er auch alle Nachforschungen seines Protagonisten Boško unzuverlässig erscheinen, weil auch bei ihm das Wohl das Staates schwerer als die Wahrheit wiegt.
"Ich träumte von Elefanten" weist einzig auf Beziehungsebene ein paar Schwächen auf. Sie wirken teils hollywoodesk-platt. Außerdem kann die Vielzahl der Namen und handelnden Personen verwirren, so dass man gut daran tut, sich ein Glossar anzulegen. Ansonsten ist sein Polit-Thriller sehr rund und voll mit Anspielungen auf reale Persönlichkeiten. Und wie in jedem guten Thriller bleiben am Ende einige Fragen offen.