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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 10. 2013 - 17:08

The daily Blumenau. Monday Edition, 07-10-13.

Wenn sich die Sportberichterstattung abkoppelt, schafft sie sich ab; und warum Bjelica mir keine Wahl lässt.

Seit einer Woche wieder (fast) täglich: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Wie sich das Sport-Fernsehen dem Journalismus verweigert

#sportistpolitik #sportistökonomie #medien

Nie verzerren Funktionäre und Sportmächtige die Gesichter angewiderter: Wenn es um die Trennung von Sport und Politik geht, dann ist das aufgesetzte Gesichtsrümpfen Pflicht. Pfui, dass das immer sein muss, diese Vermengung. Lasst den Sport doch Sport sein.

Großmeister dieser Übung ist Franz Beckenbauer, dutzendfacher Konsulent/Testimonial. Zuletzt habe ich sein Ekel-Gesicht bei einer Frage nach den von Guardian aufgedeckten Zuständen beim Bau der Sportstätten zum Fußball-WM in Katar (Stichwort Modern Slavery) gesehen. Das glaube er nicht, meinte der Medien-Kaiser mit einer lässig-abwiegelnden Handbewegung, er wäre "so oft unten" gewesen und haben dabei "nichts gesehen". Außer der Hitze halt, womit er schon bei seinem Lieblingsthema der Verlegung der WM in den kühlen Winter war.
Inzwischen drückt er sich ein bisserl vorsichtiger aus: "Ich habe das gehört und gelesen, und ehrlich: Ich kann es mir fast nicht vorstellen. Ich weiß, dass gerade im arabischen Raum sehr viel Wert auf ausländische Arbeitskräfte gelegt wird. Ich habe noch nie gesehen (und ich reise jetzt seit 25 Jahren immer wieder dorthin), dass ausländische Arbeitskräfte schlecht behandelt wurden. Das wäre für mich eine totale Überraschung."

Na dann ist's ja gut: Wenn der Kaiser nichts gesehen hat, dann passt's ja. Schließlich war sein Kollege Berti Vogts bei der WM 1978 in Argentinien, die in Hörweite der Folterkammern stattfand, auch keinem politischen Gefangegen begegnet.

Das Üble am hirnlosen Geplapper der Altstars ist nicht ihre dumpfe Obrigkeitshörigkeit, sondern der Fakt, dass diese Ungeheuerlichkeiten bis auf einen Aufjauler in der Heute-Show medial unter den Tisch fallen.

Weil Sportrechte eine mittlerweile so wertvolle Ware sind, verweigert sich das Haupt-Medium des Sports, das Fernsehen, jeglichen journalistischen Kriterien, wenn es um die Berichterstattung geht.
Es wird bejubelt und morphenderweise geschönt. Die Katar-Sklaven-Meldung taucht in den Nachrichten auf, im Sportbereich kommen nur kurz die anfangs erwähnten Wegdrück-Gesichter zum Einsatz. Der Sprecher der Katari bekommt ein Abwiegel-Interview und ein Herr Zwanziger kann ohne verstörte Nachfrage anmerken, dass die FIFA für den Stadionbau gar nicht zuständig wäre.

Und wenn sich der heimische Host-Broadcaster über die letztwöchige Greenpeace-Aktion in Basel mokiert (man solle den Sport nicht instrumentalisieren), dann hat das natürlich damit zu tun, dass die Gazprom-Payroll den mitteleuropäischen Raum flächendeckend überzieht; bis hin zu Herrn Beckenbauer übrigens. Seine Kernbotschaft: Nur ned über Politik reden. Dass Gazprom und die anderen durch ihr Sponsoring den Sport nicht nur instrumentalisieren, sondern prostituieren - whatever.

Genau für diese Verwässerungen werden diese Testimonials eingekauft, und genau für ihre Spruchgirlanden bereitet das mittlerweile völlig sedierte Fernsehen den Boden, rollt den goldenen Teppich aus. Interökonomische Zusammenhänge sind nur noch was für Print. Und da nur für einen Bruchteil.

Sport Inside läuft jeden Montag, auch heute wieder, um 22.40 im WDR - und hier im Stream.

Das einzige Feigenblatt, das gegen die Selbstabschaffung des Sportjournalismus im TV arbeitet, hat Samstag im übrigen im dritten Anlauf den deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Sport gewonnen. Sport Inside, eine Redaktion, für die der Finger unabdingbar zur Wunde gehört.

Die nominierte Konkurrenz beim Preis bestand aus Hurra-Live-Kommentierungen internationaler Großereignisse. Mit jeder Menge implizierter und unkommentiert gebliebener Querverbindungen zur globalen Ökonomie und Machtpolitik; samt ein paar der verzerrten Gesichter als "Experten".

Bjelica und der blind übernommene Matchplan

#fußball

Ich wurde bisher nicht schlau aus Nenad Bjelica. Jetzt lassen seine beiden letzten Spiele für mich nur einen Schluss zu.

Letzten Dienstag in St.Petersburg schraubt Bjelica das Stöger/Schmid-Erfolgsmodell des 4-3-3 mit wenigen Handgriffen so um, dass es in der Defensive zu einem hervorragend störrischen 4-4-2 mit zwei echt klettigen Ketten und zwei davor nervenden Gelsen (Simkovic und Hosiner) wird. Dieser Kunstgriff war (neben drei, vier anderen Faktoren) maßgeblich für den dort errungenen Punkt.

Gestern nun stellt Bjelica das exakt gleiche Personal in der exakt selben Formation hin. Wieder ein 4-3-3, bei dem sich im Verteidigungsfall die Flügel in die Mittelfeldkette fallen lassen.
Bloß: Gestern war man nicht auswärts gegen ein übermächtiges Team von internationalen Superstars zugange, sondern spielte in der Bundesliga, daheim. Und selbst wenn der Gegner der Tabellenführer und künftige Meister aus Salzburg war - so ein Spiel muss man wohl anders angehen, strategisch.

So schlau die Variante von Dienstag war, so wenig sinnvoll war ihr Einsatz am Sonntag.

Diese Vorgangsweise zeigt mir, dass Bjelica, der Meriten in vielen Bereichen vorweisen kann, vieles ist, aber kein innovativer Taktiker; und es bestätigt die Zweifel, die aufkamen, als sich die Austria just in den Matches gegen Dinamo Zagreb, die Bjelica nicht nur keineswegs wie seine Westentasche kannte, sondern auch nicht aufgrund seiner Maßnahmen, sondern wegen fast zufälliger individueller mentaler Überlegenheit durchsetzen konnte. Ja, auch in diesem Fall setzte der Coach trotz unterschiedlicher Voraussetzungen zweimal auf denselben Schmäh.

Was dort gelang, ging gestern schön in die Hose.

Und das trotz eines Spielverlaufs, der Bjelica in die Karten spielte. Nach der Verletzung von Suttner hätte er Simkovic auf die Flanke (was der links kann, zeigte er beim Assist zum Royer-Tor formschön vor) und Okotie in den Angriff ziehen können. Stattdessen blieb Bjelica im Petersburg-System und setzte Okotie als linken Flügel ein. Selbst als später Speedy Spiridonovic für Simkovic kam, musst der Flügelflitzer im Zentrum ran, während Okotie links draußen blieb. Dass auch der dritte Wechsel (mit dem sich Bjelica seiner schärfsten Waffe beraubte - Royer) schiefging, sei nur am Rande erwähnt. Die Heimniederlage war folgerichtig und verdient.

Sicher, auch Roger Schmidt wechselte nur das Personal seines Systems - aber das stellt Salzburg nie (oder nur minimal) um, egal ob in Europa League oder in Neustadt, ganz absichtlich.

Die Austria Wien hingegen kann nicht von der natürlichen Dominanz ihrer Spieler leben, sie muss sich das jedesmal neu erarbeiten. Was unter Stöger/Schmid wegen der kreativen Neuerarbeitung jedes einzelnen Matchplans so gut gelang, stockt in dieser Saison unter Bjelica (der ja auch über keinen nennenswerten strategischen Stab verfügt) deutlich. Das Resultat: Mittelmaß in der Liga, raus im Cup, solala in Europa, Pflichtspiel-Bilanz 5-4-6. Und Fehler wie die Matchplan-Übernahme von Europa/Auswärts in Liga/Daheim machen dieses Manko für jeden deutlich sichtbar.