Erstellt am: 6. 10. 2013 - 15:57 Uhr
Vielleicht Blume im Haar
Kult. Eines der hässlichsten Worte in deutscher Sprache. Kult, das ist Mario Barth. Kult, das ist aber auch, jetzt aber wirklich, die kalifornische Band Mazzy Star. Das unter flüchtiger Zuhilfenahme wechselnder Mitarbeiter um das kreative Kernduo Hope Sandoval und David Roback gruppierte Unternehmen Mazzy Star hat in den 90er-Jahren drei solide Alben veröffentlicht und mit dem Song "Fade Into You" – ein Song, der niemals sterben wird – auch ein wenig kommerziellen Erfolg eingefahren. 1996 haben sich Mazzy Star aufgelöst bzw. eine Pause eingelegt.
Dass sie jemals wiederkehren würden, war nicht abzusehen. Manchmal hat man im Lauf der Jahre ihre Musik wieder hervorgekramt, meistens hat man die Band vergessen. Mit ihren drei Platten war alles gesagt. Mazzy Star bewegten sich auf ästhetisch schmalem Terrain, in dem kaum Platz für Variation war. Aus der Wüste geborener Dreampop, der oft von nicht mehr als Hope Sandovals schwermütig gehauchtem Gesang und einer traurigen Slide Guitar getragen wurde. Da und dort wurden sachte Schlenker Richtung Psychedelik, Bar-Jazz für Rotweintrinker oder die nebulöse Atmosphärik des David Lynch unternommen. Das genügte dann aber auch schon.
Mazzy Star
Verstärkt war in jüngerer Vergangenheit Mazzy Stars sanfter Einfluss auf die Nachwelt zu hören: Sei es in den nostalgisch verhuschten Gesängen der Chillwaver, im Instagram-Listening von Lana Del Ray oder, vor allen Dingen hier, im Sternschnuppen-Pop von Beach House. Vor kurzem haben Mazzy Star nach 17 Jahren Ruhezeit ihr viertes Album veröffentlicht, und es wird sich nichts ändern. Mazzy Star brummen, summen und säuseln so ungerührt von der modernen Welt wie eh und je.
Kalifornien ist schon hundertmal besungen worden, von den Mamas and the Papas, von EMA, von Scott McKenzie und von 50 anderen Hippies mit ganz viel Liebe im Herzen und noch Glauben ans Leben. "Califonia" von Mazzy Star handelt jetzt auch ganz genau davon, wovon ein Lied, das "California" heißt, oder vielleicht so ein melancholischer Dream Pop ganz grundsätzlich, handeln muss: von der Sehnsucht. Vom Sich-Wohin-Sehnen. Der Ort der Wünsche ist in diesem Song, ganz unzynisch, Kalifornien. "I think I’m going back to California", singt Hope Sandoval und wir verstehen sie, hören die Resignation und die Hoffnung. Eine minimalistische Hippie-Hymne für im Büro festgeschraubte Menschen mittleren Alters, die von ihren Schreibtischen aus immer ganz traurig aus dem Fenster schauen, während sie mit dem Kugelschreiber im Kaffee rühren. Der ist schon kalt geworden. Und immer wieder geht die Sonne auf.