Erstellt am: 6. 10. 2013 - 14:25 Uhr
Gleichzeitig - schwierig
Und wieder stehen wir mit einer Pinzette vor einem Meer an Möglichkeiten. Den Samstagabend, Tag 3 beim Waves Festival, könnte man zum Beispiel im Odeon beginnen. Nach den österreichischen Indieboys von The Beth Edges ist dort ein junger irischer Produzent mit dem blog-hippen, also schon auch überholten und ein bisschen affigen Namen Mmoths zu erleben. Für gewöhnlich baut der gute Mann im Kinderzimmer schlafwandlerische Elektronik, die auf in Zeilupe aus den Maschinen purzelnden Beats und sich sphärisch vernebelt gebenden Soundscapes aufgebaut ist. Chillwave und Poststep, alle coolen Trendmusiken von vor ein paar Jahren hat Mmoths sich zärtlich einverleibt. Das ist sehr schön und sehr gut, eigen noch nicht.
Live kommt Mmoths mit kleiner Band, einem Drummer und einem Bassisten, und deutet seinen verträumten Soundentwurf stärker Richtung Shoegaze. Irgendwann einmal streicht der Mann an den Saiten sein Instrument mit dem Geigenbogen. Das muss nicht sein. Wir haben auch so schon verstanden, wie diese Musik gemeint ist. Auf Mmoths folgt S O H N, der weiß, dass Atmosphäre zwar fein ist, gute Songs aber auch nicht schaden können.

Armin Rudelstorfer / Waves

Armin Rudelstorfer / Waves
Ein kleiner, leiser Höhepunkt versteckt sich auf dem Schiff MS Schlögen. Das belgische Duo Float Fall nähert sich dem Minimalpop der Prägung The xx samt sich umspielendem Frau/Mann-Gesang weniger aus dem Nachtclub, sondern aus der Richtung Indie/Dreampop. Keyboards und Gitarre, ab und zu wird ins Waldhorn geblasen. Den Song "Everybody's Gotta Learn Sometimes" von den Korgis zu covern, ist zwar nicht mehr der originellste Trick im Buch, aber it does the job. Alle anderen Stücke sind Hits der Sehnsucht, vor allem der Song "Someday". Muss man sich merken, kann noch was werden: Float Fall.

Maria Hammer / Waves

Armin Rudelstorfer / Waves
Eine Band, die zwar in konstantem Wandel scheint, dabei aber mittlerweile auch schon ein wenig zu Ende entwickelt wirkt, hat nach den souveränen Erregern von Kreisky die Rolle des Headliners im Flex inne: Múm. Aus Island. Eine interessante, in manchen Fällen sehr gute Band. Eine Band, die auch ein bisschen definiert, wie so eine isländische Musik in Klischeevorstellungen so klingen könnte. Von niedlicher Wald- und Wiesen-Elektronik nach rasselndem Weirdo-Folk und zurück. Aktuell und live geben sich Múm etwas weniger putzig und aufgebracht als gewohnt und tendieren eher zu sphärischen und wabernden Klangwolken, die sich zur Hexenbeschwörung eignen. Vielleicht haben Múm in letzter Zeit sehr viel Kate Bush gehört oder auch das sehr gute Label Ghost Box entdeckt, das in erster Linie der Synthesizer-Nostalgie, dem Mystizismus und einer coolen Esoterik verpflichtet ist.

Richard Taylor / Waves

Anna Clara Mähr / Waves
Den Abend oben im Fluc richtet derweil das österreichische Label Noise Appeal aus. Beispielsweise da zu sehen: Hella Comet und die wie gewohnt mitreißend aktionistisch und mit geiler Body Language agierenden Fuckhead.
Unten in der Wanne gibt's nach schwedischen Perfektionsmaßstäben geschnittenen Syntie-Pop im Sinne der Frühphase von The Knife, dargeboten von den coolen Hype-Darlings Kate Boy. Nice und unterkühlt, ein paar richtige gute Songs im Gepäck, die Welt wird anderswo weitergedacht.
- Alle Bilder und Storieszum Waves Vienna Festival 2013 auf fm4.orf.at
Danach stellt noch I-Wolf mit seinen Chain Reactions die große Göttin Dub auf die Bühne, wer noch nicht ganz müde geworden ist und vor prickelnden Sinneseindrücken platzt, schafft den Weg in die Pratersauna. Dort könnte man vielleicht den österreichischen Wonderboy Wandl erleben. Von HipHop beinflusste Beatforschung vom Grunde des Swimmingpools. Wandl: Bitte im Merkheft notieren. Die nächsten Tage verbringen wir mit dem Ordnen der feinen, komischen und merkwürdigen Erfahrungen, die wir während des Waves Festival gemacht haben. Die Welt ist voller Musik, man möchte meinen, überall nur schöne Menschen.