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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

4. 10. 2013 - 15:32

The daily Blumenau. Friday Edition, 04-10-13.

Die Sache mit den Sinus-Milieus, Glavinic und seine Zehner und der ewige Glaube an Stephan Palla.

Es blickt jetzt nach vorne, kinderwagenaufsatzmäßig, das Baby. Trotzdem: der tägliche Text, die tägliche ausführliche Reflexion, die Thesen-Dichte, die sich heuer schon bislang rein gar nicht ausgegangen ist, das wird's auch weiter nicht spielen.

Deshalb hier der Versuch, das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen. Ich werde vieles halt nur anreißen/denken und nicht wie bisher auch vertiefen können.

Wenigstens die Täglichkeit sollte gelingen, immer mit ein paar Items aus diesen Themenfeldern. Und die NR-Wahl von Sonntag war ein guter Anlass für den Start - here comes "the daily Blumenau".

Sinus-Milieus - die kleinen soziologischen Erdbeben

#nr-wahl/soziologie

Ich bin da auch nicht anders: wenn die nicht gerade hochanerkannte Wissenschaft zwischen Soziologie und Empirie mir etwas von neuen Erkenntnissen, was Publikums- oder gar Konsumenten-Forschung erzählen wioll, blocke ich erst einmal ab. Das Publikum kenne ich - so wie alle Medienmenschen - eh besser (reine Einbildung, ich weiß... ) , und überhaupt, die mittlerweile klassichen Diskrepanzen bei Wahlumfragen und zudem, wir wissen doch, dass der Auftraggeber das Resultat bestimmt.

Vielleicht nehme ich die heuer im Frühjahr präsentierten Ergebnisse der neuen Studie zu den Sinus-Milieus auch nur deshalb ernster als Vergleichbares, weil es Beobachtungen sind, die mir seit einigen Jahren eine durchaus bezeichnende Veränderung gesellschaftlicher Verhaltensweisen anzeigen (etwa hier, im September 2011) und endlich in gemeingültige Begriffe packen.

Dabei handelte es um eine Spezialuntersuchung der bis 30jährigen. Vor den Wahlen ist dann via Profil-Cover die gesamtösterreichische Untersuchung massiver in die Medien geraten - und lag angesichts des Wahlerergebnisses auch nicht sehr verkehrt. Meine kleine private Hochrechnung aus den dort veröffentlichten Werten wich nur minimal vom Wahlresultat ab.

Und weil ich am Mittwoch eine der 10 Gruppen, der zehn in ein paar nachvollziehbaren Kriterien zusammengefassten Milieus (die Adaptiv-Pragmatischen, die die Angst haben als neue junge Mittelschicht zerrieben zu werden) thematisiert habe: diese erst jüngst zu Relevanz gekommene Gruppe, ebenso wie die digitalen Individualisten frisch entstanden, bereiten ebenso wie die Oberschicht-Performer, die Postmaterialisten (die klassische FM4-Klientel) und die bereits abgehängten Hedonisten (oder Eskapisten) den Boden auf, auf dem sich die künftigen 20-20-20-20-Hochrechnungen gründen.

Ist also allemal einen Blick wert.
Vor allem, wenn man da die ganz konkrete Vergleichsbrille hat: die Sinus-Milieus aus Deutschland und der Schweiz trennen sich von denen in Österreich nur im Detail ab - und gerade die (fast schon an der Mentalitäts-Grnez kratzenden) Unterschiede machen es spannend.
Also: beschäftigt euch einmal kurz damit und tut nachher nicht überrascht.

Sex und der Städter - Glavinic ist ein Anderer

#literatur/sex

Der hervorragende österreichische Autor Thomas Glavinic schreibt in seiner Kolumne im "Wiener" über die Levels im Ausgeh/Party-Balz-Verhalten; dass ein Sechser-Mann keine Zehner-Frau abkriegen kann, selbst wenn er reich ist oder wenigstens im Fernsehen das Wetter ansagt: für mehr als eine Achterin reicht es nicht.

Glavinic plädiert fürs Fischen innerhalb der eigenen Kategorie; und das auch, um die Sucht der älteren Männer nach viel zu jungen Frauen ein wenig lächerlich zu machen; und natrülich im ironischen Bewusstsein der knackigen Oberflächlichkeit solcher Party-Spiele.

Auch wenn er damit rechthaben mag - die Grundthese macht das nicht richtiger. Ich will nicht Carlo Ponti oder Aristoteles Onassis herbeizitieren, klassische MinusFünfer - mir reichen die wenigen Male, bei denen ich miterleben durfte, wie die Achter-, Neuner- und Zehner-Frauen um den zwar interessanten, aber nicht klassisch schönen Glavinic herumscharwenzelt sind. Aber, hallo, er der selbsternannte Sechser wäre das allerbeste Gegenbeispiel seiner Don't-leave-your-Level-These.

Ich kann mir dieses offensichtliche Missverhältnis zwischen Text und Realität nur so erklären: vielleicht hat Glavinic den Begriff des "interessanten" Mannes bewusst ausgespart (unwahrscheinlich); vielleicht setzt seine gute Beobachtungsgabe bei ihm selber völlig aus (ganz unwahrscheinlich); vielleicht ist sein 8er-10er-Frauen-Level auf gemorphte Hollywood-Starlets ausgelegt (wäre dämlich).

Die wahrscheinlichste Lösung für dieses verblüffende Glavinic-Paradox ist wohl eine andere: so wie in vielen seiner Romanen ist die erzählende Ich-Figur ein Kunstmensch namens Glavinic, aber niemals er selber. Und das auch in der Wiener-Kolumne, in der der Autor Glavinic die Figur Glavinic in der Ich-Form Dinge erzählen lässt, die ganz weit weg von seinem persönlichen Er/Leben sind.

Ernst Webers Lieblingsspieler setzt eine Duftmarke

#fußball

Es war nach einer Podiums-Diskussion - und wie immer im Bereich Fußball war es ein Kraut&Rüben-Durcheinander-Geplapper - als ich fünf Minuten mit dem damals noch aktiven Ernst Weber hatte. Weber, ein Fußball-Lehrer der alten Schule, einer wie Gludovatz oder Hitzel, hatte sich auf dem Podium über eines seiner Lieblingsthemen, den Nachwuchs-Fußball in Glut geredet, und (ein Klassiker) vor einem zu frühen in den Himmelheben gewarnt, weil das zu junge Burschen zu leicht abheben lässt. Dabei sprach er beispielhaft von einem Sonder-Talent.

Schaut man sich heute den Jahrgang an, dann gibt es mit Hosiner, Jantscher, Burgstaller, Elsneg, Ilsanker, Grünwald, Ramsebner, Nuhiu oder Perstaller einige Kandidaten.

Weber meinte aber seinen jungen Linksverteidiger, das größte Talent auf dieser Position und darüber hinaus, wie er danach noch einmal betonte; und der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass der Bursche sein Talent nicht verheizen/abtöten würde.

Stephan Palla aus Mauerbach, Sohn eines Ungarn und einer Philippinin, leichtfüßiger Bruder Leichtfuß, der Rapid Wien nach der U19 unter Weber auf eine Wanderschaft in die Slowakei, nach Vorarlberg und die Südstadt, also allesamt echt düstere Orte, schickte, um ihn diesen Sommer endgütig zurückzuholen.

Zoran Barisic sieht in ihm vielleicht Ähnliches wie der mittlerweile tragisch verstorbene Ernst Weber; nur so ist es zu erklären, dass er Palla dem Manchmal-AufAbruf-Teamspieler Thomas Schrammel im Europacup vorzieht.

Und gestern abend wurde (nicht erstmals, aber erstmals in dieser internationalen Wichtigkeit) klar, was diese Fußball-Lehrer in Palla sahen und sehen. Der Linksverteidiger bereitete beide Rapid-Tore mit unglaublich subtil getimeten Links-Crosses, Flanken formerly known as butterweich, vor. Beiden Assists gingen kluge Laufwege voraus. Und eine Menge anderer guter Aktionen belegten, dass es sich nicht um einen blanken Zufall gehandelt hatte; und Terence Boyd hätte Palla auch noch um ein Haar zu einem Assist-Hattrick verholfen.

Klar, manche werden Palla auch das 0:1 anlasten, als er dem in die Mitte gezogenen Yarmolenko nicht nachrannte - ich halte das für einen kollektiven (es könnte ja auch Job der defensiven Mitellfeldspieler sein, sowas durch Einrücken zu verhindern) und lässlichen Fehler. Stephan Palla verfügt über eine noch zu papierenere Konstitution (wie Suttner früher) und hat das Pech mit Alaba, Fuchs und eben Suttner zumindest drei insgesamt Bessere vor sich zu haben.

Palla ist mittlerweile 24, die Chance auf eine internationale Karriere hat er also vorerst vertan; irgendwie kann ich es aber nicht lassen, mit dem Glauben des alten Ernst Weber nicht zumindest indirekt Glut in eine vielleicht noch ordentlich lodernde Flamme zu pusten.

Für die gestrige Vorstellung von Rapid gilt die These, dass diese Mannschaft das hier schon verstanden/verinnerlicht hat, für die Vorstellung von Salzburg die Prophezeiung des Durchmarsches.