Erstellt am: 7. 10. 2013 - 11:51 Uhr
Die Reise zur Quadratwurzel
The Roots
Es ist ebenso interessant (im Sinne der Gedächtnisauffrischung) wie beängstigend (im Sinne der Bewusstmachung des Zeitverrinnens), wenn man hierzuseite mal die digitalen Archive anwirft: So bemerke ich zum Beispiel, dass ich nicht nur zum großartigen letzten Album der Roots ein paar Zeilen verloren habe, sondern auch schon zu Phrenology, dessen Vorvorvorvorgänger aus 2002. Die Band selbst war zu diesem Zeitpunkt schon weit mehr als eine Dekade unterwegs - ausgehend von ihren Anfängen, wo sie unter dem Namen The Square Roots HipHop-Hits bei Straßenkonzerten neu interpretierten.
Im Folgenden ein paar Gedächtnisblitze in Musikvideoform zu einer Band, die sich musikalisch wie visuell nie mit dem Durchschnitt zufrieden geben wollte...
The Roots sind jetzt Artist of the Week auf FM4!
Ganz im Gegenteil: Im Video zu What They Do wurden die diversen Stereotypen des HipHop-Videos persifliert, von der smoothen Soulsänger-Pose über den farbreduzierten Hardknock-Moshpit bis zur Villa mit gelangweilten Models. Für letzteres hätte Roots-Drummer und -Mastermind Questlove einmal beinahe Probleme mit den Bodyguards von Puff Daddy bekommen, der diesen Video-Look mit seinem größten Künstler The Notorious BIG etabliert hatte.
Drei Jahre später setzten sich The Roots sehr wortgetreu als Querdenker in Szene: The Next Movement zeigt die Band im immer selben Raum in verschiedensten Formationen - vom Kopfstand bis zur Menschenpyramide.
Vom selben Album Things Fall Apart stammte auch der große Hit You Got Me. Das Video ist vielen Menschen ebenso im Kopf geblieben wie der Song, vor allem wegen der Schlüsselszene gegen Ende, wenn die Drum'n'Bass-Rhythmik einsetzt (eine kleine Reminiszenz an ein paar gute Monate mit Freunden wie 4Hero in London).
Schon 2002 konnte sich die Band um Questlove und Black Thought aber kommerziell noch übertreffen, indem sie einen Song vom Demo eines komplett unbekannten Sängers namens Cody Chesnutt neu einspielte. The Seed 2.0 bringt bis heute Menschen auf musikalisch verschiedenst ausgerichteten Parties gleichermaßen zum Springen.
Dem Star-Prinzip haben sich die Musiker aus Philadelphia nie unterworfen, sondern sahen sich immer als Kollektiv. In der Zwischenzeit ist aber ausgerechnet der Drummer und musikalische Direktor Questlove zum bekanntesten Gesicht und Sprachrohr der Band geworden - nicht zuletzt dank Twitter. Der Song Star entstand noch vor der Ära des sozialen Oversharing - stellt aber trotzdem unterschiedlichste Individuen und ihre Träume und Probleme ins Zentrum.
Was schon mit Cody Chesnutt sehr gut funktioniert hatte, führten The Roots auf ihrem 2010er Longplayer How I Got Over konsequent weiter: Das Überführen von eigentlich genrefremder Musik in das Roots-Sounduniversum. Mit Songs von Joanna Newsom oder Conor Obersts Monsters of Folk funktionierte das sehr gut.
Noch mehr Roots-Videos gibt es übrigens hier!
Das bislang letzte Album hieß Undun und war ein konzeptuelles Werk, in dem die tragische Geschichte eines Charakters namens Redford Stephens auf Albumlänge rückwärts aufgerollt wird. Bei einer so bildgewaltigen und auch musikalisch stimmigen Erzählung lag es nahe, statt eines schnöden Videos gleich einen Kurzfilm zu drehen.
Der aktuelle Anlass, The Roots zu unserem Artist of the Week zu ernennen, ist Wise Up Ghost, ihre Kollabo-Platte mit dem britischen Singer/Songwriter Elvis Costello. Mehr zu dieser Zusammenarbeit morgen an dieser Stelle, aber das wortlastige Video zu Walk Us Uptown darf hier natürlich nicht fehlen...