Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die griechische Öffentlichkeit entdeckt die Neonazis"

Chrissi WilkensAthen

Journalistin in Griechenland

2. 10. 2013 - 17:58

Die griechische Öffentlichkeit entdeckt die Neonazis

Polizei und Politik in Griechenland gehen hart gegen die Neonazi-Partei Chrysi Avgi vor. Doch der Zeitpunkt und die Vehemenz der Aktion macht manche misstrauisch.

Die Festnahme des Parteichefs und mehrerer Abgeordneter der Neonazi-Partei Chrysi Avgi ("Goldene Morgenröte") vergangenen Samstag ist in Griechenland das Hauptgesprächsthema der letzten Tage. Die Medien haben die Neonazis entdeckt, auch jene Zeitungen, die in den letzten Jahren nie darüber berichtet haben, schreiben plötzlich über die Aktionen und das Netzwerk, das Chrysi Avgi aufgebaut hat. Andere Nachrichten, wie etwa über neue Spaßmaßnahmen oder die negative Entwicklung des Arbeitsmarkts, haben keinen Platz mehr.

Verhaftung von Nikos Michaloliakos

EPA

Verhaftung von Nikos Michaloliakos

Man liest polizeiliche Abhörprotokolle, die das Netzwerk dokumentieren und das bisherige Stillschweigen der Polizei wird thematisiert. Die Staatsanwaltschaft wirft den Verhafteten die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, aber auch Körperverletzung, Erpressung, illegalen Waffenbesitz sowie Geldwäsche vor.

Der Auslöser für die Verhaftung des Parteichefs Nikos Michaloliakos und anderer Abgeordneter war die Ermordung des antifaschistischen Musikers Pavlos Fyssas durch ein Mitglied von Chrysi Avgi am 18. September in einem Vorort von Piräus. Aus den Abhörprotokollen, die in den Zeitungen veröffentlicht wurden, wird klar, dass die Führungsspitze der Partei sofort nach dem Mord informiert worden war.

Mittlerweile sind drei der Parlamentarier schon einvernommen worden und wurden unter Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt, der Vorsitzende soll heute Nachmittag aussagen. Alle bestreiten die erhobenen Vorwürfe und sehen sich als Opfer politischer Verfolgung. Die Regierung versucht indessen, durch eine Gesetzesänderung die Finanzierung von Chrysi Avgi durch Staatsmittel zu verhindern.

Der Zeitpunkt und die Vehemenz, mit der gegen die Goldene Morgenröte vorgegangen wird, macht manche aber misstrauisch, schließlich ist die Partei schon über ein Jahr mit 18 Abgeordneten im Parlament vertreten. Die Vorwürfe, dass die Partei gezielt rassistische Aktionen plane und unterstütze, waren auch schon länger bekannt.

So sagt Danae, eine 25-jährige Stundentin, dass sie zwar froh war, als sie die Nachricht über die Verhaftungen vernommen habe, "aber andererseits frage ich mich wie viele andere Leute auch, warum gerade jetzt dies passiert, obwohl man seit mehr als zwei Jahren über die Aktionen von Chrysi Avgi Bescheid weiß. Ich glaube, es gibt mehrere unbeantwortete Fragen über die Absichten der Regierung und was sie vielleicht mit diesen Enthüllungen zu verbergen versucht."

Ähnlich ist die Meinung von Giorgos. Der junge Buchladenbesitzer ist politisch interessiert und in den sozialen Netzwerken gut vernetzt. Er vermutet, dass diese Aktion der Regierung gegen die Neonazis politische Zwecke habe. "Die Regierungspartei Nea Demokratia wollte beweisen, dass sie die Rechtsextremisten stoppen kann und jene Wähler zurückgewinnen, die angeblich bis jetzt nicht wussten, was Chrysi Avgi tatsächlich ist." Giorgos ist überzeugt, dass die Verhafteten schnell entlassen und nur milde Strafen bekommen werden, weil sie gute Beziehungen zum Staatsapparat und der Polizei haben. Er meint, dass die Griechen viel früher hätten reagieren sollen: "Man hätte vor dem Tod von Pavlos Fyssas reagieren müssen. Die meisten Menschen haben nicht reagiert, weil die Opfer Ausländer waren und Abdul, Said und nicht Giorgos oder Takis hießen. Jetzt haben sie verstanden, dass sie selbst gefährdet sind."

In aktuellen Umfragen kommt Chrysi Avgi trotz der Enthüllungen auf fast 7 Prozent der Stimmen, ähnlich viel hat sie bei den Wahlen im vorigen Jahr erreicht. Giorgos glaubt, dass die Zeit der Militärjunta vor ca. 40 Jahren noch nicht wirklich aufgearbeitet ist. Eleni, die gerade in den Laden kommt, stimmt zu. Es reiche nicht, Neonazis festzunehmen und die Polizei zu reformieren. Man muss auf institutioneller Ebene eingreifen, insbesondere in Bezug auf die fremdenfeindliche Stimmung in der Gesellschaft und Politik.

"Beide Regierungsparteien haben in den letzten Jahren durch Verschärfung der Einwanderer-Gesetze und andere Praktiken den Rechtsextremismus zumindest gefördert. Man muss in Griechenland noch viel tun."