Erstellt am: 16. 10. 2013 - 14:20 Uhr
Im Hinterland von Casper
Es ist schon erstaunlich, was dieser Benjamin Griffey alias Casper in den letzten Jahren alles gemacht hat. Mit seinem Album "XOXO" hat der Rapper mit der markant kratzigen Stimme vor knapp zwei Jahren frischen Wind in die deutsche Rap-Landschaft gebracht. Dass die Platte die Sound-Ästhetik des Genres geprägt hat, merkt man, wenn man das Radio einschaltet. MC Hinz und Kunz rappen plötzlich über ihr Seelenleben, wagen sich in emotionale Gefilde, verwenden Assoziationsketten und machen das alles über Beats, die sie vor zwei Jahren noch als "wack" bezeichnet hätten.
Seitdem ist viel passiert. Casper hat eine Konzerthalle nach der anderen gefüllt, Headliner-Slots auf großen Festivals gespielt, seinen Vater in Mississippi besucht, dort zwei wunderschöne Videos gedreht und sein neues Album "Hinterland" aufgenommen.
Rap, Indie-Pop, Indie-Rap-Pop?
Ich bin kein Freund von Schubladen, in die man Musik packt. Im Plattenladen kann es zwar viel Zeit sparen, wenn Jazz und Heavy Metal nicht willkürlich im selben Stapel landen. Gleichzeitig habe ich aber einige meiner schönsten Platten genau durch Zufall und Willkür gefunden. Und zwar genau in dem Regal, wo es eigentlich nicht hingehört hat. Aber gut, ich bekenne mich:
Das Konzert am 2.11 ist bereits ausverkauft, am 8. März 2014 kommt Casper ins Gasometer
Casper ist ein Rapper. Mit einem unheimlich guten Gespür für Melodien und poetische Sätze, die hängen bleiben. In ihm schlägt gleichzeitig das Herz eines Singer-Songwriters. Dass er sein neues Album nicht nach bewährtem Boom Bap-Schema, sondern mit einem neuen Produktionsteam aufgenommen hat, war abzusehen. Dass die Produzenten nicht aus der Hip Hop-Oberliga kommen (Casper hätte nach seinem Chart-Erfolg vor zwei Jahren zweifelsfrei mit jedem Produzenten aus dem In- und Ausland arbeiten können), sondern aus ganz anderen Gefilden, ist spannend. So hat er sich mit Konstantin Gropper von Get Well Soon und dem talentierten Musiker Markus Ganter in deren Studio in Mannheim verschanzt und dort mit Liebe zum Detail sein neues Werk realisiert. Das Endergebnis heißt "Hinterland".
Casper
Alles endet (aber nie die Musik)
Paukenschläge, Bläser-Sätze, Kinderchöre, Melodien die sich als Ohrwürmer im Gehörgang einnisten, viele Live-Instrumente. "Hinterland" ist ein ungewöhnliches Album für eine Kategorie wie Rap. Doch Rap klingt heute zum Glück bunter denn je. Weil eben Künstler wie Casper sich trauen, Erwartungshaltungen zu durchbrechen und ungewöhnliche Wege zu gehen. Wobei man im Fall von "Hinterland" schon sagen muss, dass ein Flop nahezu auszuschließen ist. Dafür flirtet die Platte eindeutig zu viel mit Pop. Sperrig, avantgardistisch oder schwer zu konsumieren ist "Hinterland" nicht.
Four Music
Als Feature-Gäste sind nur Kraftklub auf "Ganz schön okay" und Tom Smith von den Editors auf "Lux Lisbon" zu hören. Auch eine Überraschung. Denn wahrscheinlich hätte Casper ebenso Kendrick Lamar fragen können (was ein interessanter Soundclash gewesen wäre).
Sonst lebt "Hinterland" vom Hauptprotagonisten und der mächtig produzierten Musik. Die übrigens so komponiert wurde, dass ich schon jetzt tausende Kids bei den Konzerten beim Refrain-mitgrölen höre.
Hört man sich das neue Casper-Album von vorne bis hinten in einem Durchgang an, stechen ein paar Songs besonders hervor, die ich hier erwähnen möchte: "Ariel" ist ein sehr persönlicher Track, der musikalisch von atmosphärischen Sounds geprägt ist.
"Jambalaya" ist mit dem gesungenen Kinderchor quasi die Party-Hymne der Platte. Und auf "Endlich angekommen" reflektiert Casper den Weg vom unbekannten Rapper aus der Provinz zum Pop-Star. Ganz in der Tradition von Bruce Springsteen.